ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer. Klaus Schafmeister
meldet. Pfannkuchengesicht und Hasenscharte durchschnüffeln den Renault, der Dicke zerschlägt Paranuszs Kirchenflinte an einer Felswand. „Nur Gerümpel. Und blöde Bibeln!“
Spaltlippe fallen die Pässe in die Hände und auch die doppelten Lobeshymnen. „Ihr seid ja ein lustiger Verein, mal hier, mal dort gelitten, ganz kosmopolitisch.“ Er wedelt den Kumpanen mit den Papieren zu. „Zwei Ithaker. Und der Schwarze aus Afrikas Kralen hergeschwommen. Und alle drei rebellisch geehrte Zirkuslümmel, doch nach dem zweiten Wisch gleichzeitig gut Freund mit dem Sprizz.“ Dabei gibt er Herrn Abdul eine böse Kopfnuss und stopft ihm die Geleit-Papiere in den Hals, „friss, Hottentott!“ Weist auf Paranuszs DetenteBala. „Und des Bischofs Mann: die quieken schön, wenn man sie wämst!“ Springt her, und Mimbrenjo kriegt Schläge, dass er umkippt wie ein Sack.
Pfannkuchen mag nicht zurückstehen mit schlechtem Benehmen und greift der Roten unters Kleid, dass sie aufkreischt, und der kleine Sängervater begreift, dass es seinem Schmuckstück wirklich an die Wäsche gehen soll. „Ihr Misthunde - niemand rührt meine Tochter an!“, grimmt er und zieht dem Lustmolch den Stecken diesmal quer durchs Gesicht, dass der böse ins Stolpern kommt. Auch Mimbrenjo ist wieder obenauf und nimmt sich den Revolvermann zur Brust; selbst der dicke Abdul wird quirlig, haut mit seiner Dose um sich und stürzt sich auf Hasenscharte, ihm die Flinte wegzuschnappen. Ein wüstes Gekeile entbrennt - da knallt es: der Fuchs hat seinen 45er abgefeuert und Paranusz zu Boden gestreckt. Gleichzeitig bekommt Abdul vom zweiten Räuber, der unter dem Hieb weggetaucht ist, den Kolben ins Genick, und auch das wehrhafte Tenörchen kriegt von Bandido Nummer Drei eins übergezogen.
Während der Anführer die Gefällten in Schach hält, werfen seine Kumpane Abduls Dose und den Beutelinhalt auf den Bibelhaufen: Heiligenbildchen, Zimtstangen und andere Merkwürdigkeiten wie getrocknete Meerjungfrauen, Fläschchen mit Teufelspisse, doppelköpfige Löwenföten, Jesu’ Vorhaut, falsches Elfenbein, winzige geschnitzte Talismane - nichts von Wert in der Kollektion, was die Laune der Strauchdiebe nicht gerade hebt.
„Ihr abscheulichen Halunken … “, ächzt es von unten her. Mimbrenjo liegt im Staub, ihm glimmen grüne Schmerzenspunkte vor den Augen, „ … hol euch der Teufel - unbekannterweise!“
„Donnerwetter, er lebt noch“, wundert sich der Fuchs, der sich Perfido nennen läßt. „Ihr HerzJesu hat tatsächlich ein Mirakel getan …" Er wiegt beeindruckt den Kopf: schwarzlockig wie gesagt, dazu glutäugig und von angenehmer Sonnenbräune - nur diese spitze Fresse! Perfido zupft an der Revolverkugel, die nicht in Paranuszs Herz, sondern im Blechmedaillon steckt. Das scheint ihn doch zu beeindrucken, er wird richtig förmlich.
„Entschuldigen Sie, mein Herr! Wenn ich uns denn aus der Anonymität rücken dürfte? Einst drei ehrenwerte Bürger, nun freie Unternehmer! Ich zum Beispiel bin von pädagogischer Herkunft: Lehrperson und gewesener Inhaber der alteingesessenen Handelsschule von Perpendicula mit den Fachspezifikationen Kaufmännischer Schriftverkehr und Doppelte Buchführung, den der Krieg schul- und mittellos gemacht hat, doch nicht zum ehrlosen Hund! Und weder EL SUPREMO und seiner Guardia, noch den Cimarrones kann ich etwas abgewinnen; ich weiß auch nicht, von welchen ich mehr ausgeknipst habe!" Aber nur von Heldentaten, Stil und Ehre könne man nicht existieren, erklärt er sich weiter. In erster Linie wolle er am Leben bleiben und in zweiter natürlich ans Geld. Doch solange er die Schatzlegende der DORA DOLLAR nicht gefunden habe, müsse er sehen, dass er sonstwie oben bliebe. Die beiden anderen dächten in der Sache genauso.
Als Paranusz darauf hin was röchelt von Moral und höheren Werten, erklärt Senor Perfido weich und geduldig (als rede er zu einer kranken Kuh): „Dort, Freund, die Kumpane … der dicke Pulpo, der so aussieht, als sei er aus einem Baumstamm herausgefault, ist ein echtgeborener Espanier, dazumal ordinierter Schriftgelehrter, aber trotzdem glühender Sozialist!“ Der aus dem alten Mutterland Vertriebene habe es für seine republikanische- und Gottespflicht gehalten, auch in der neuen Wahlheimat gegen den faschistischen Filz zu streiten: Pulpo der Humanist, der Erleuchtete, der profunde Kenner klassischer Literatur, selber ein Meister im Verfassen satirischer Elogen. „Und seine Predigten hätten Sie hören sollen!"
„Gerede, Ausflüchte“, stöhnt Mimbrenjo, und seine Lunge rasselt.
"Zugegeben - Freund Pulpo war nicht nur mit dem Allmächtigen, dem Humanismus und mit schönen Versen auf Du-und-Du … sondern auch mit den Weibern!" Das Füchslein grinst und bekommt hübsche Wangengrübchen; erzählt dann, dass sein pastoraler Freund nur secundär wegen der sozialistischen Überzeugung vorm Franco geflüchtet sei - primär wärem damals unschöne Unregelmäßigkeiten mit ein paar Sonntagsschulmädchen ruchbar geworden. Doch bevor man ihn hätte mit der Senora Garrota verheiraten können, habe Pulpo Fersengeld gegeben. "Und ich half ihm, GOTT, den Humanismus, den Zölibat und seine zerrissene Persönlichkeit zu überwinden. Und als er endlich frei war, hat er aufs Humanisieren gepfiffen und die Weiber vernascht, wo er sie kriegen konnte, an die drei-vier Handvoll sicherlich. Er trägt seither ein Kerbholz am Gemächt!“
Der fette Pulpo nickt herüber und schüttelt das Esmeraldamädchen, dass ihre Haare auflodern, „Jawohl! So ists gekommen. Zur Hölle mit Karl Marx, der Revolution, dem Papst und der freiwilligen Feuerversicherung! Ein Hoch meinem Freunde Perfido!“ Und die kleine Hexe würde sie gleich bestaunen können, die intime Buchführung.
Paranusz grunzt, verdreht die Augen bis nur noch Weißes kommt.
„Sie kennen den anderen auch noch nicht!“ Die Fuchsfresse nickt in Richtung Hasenscharte. „Einst ein gefeierter Koch mit eigener Metzgerei und angeschlossenem Feinschmecker-Restaurant drüben in Rio de Janeiro – selbst ein einfacher Fuhrknecht möchte schon mal vom berühmten O Crocodilo gehört haben, wo sogar der brazillianische Präsident zu dinieren pflegte bei meinem Freund Bratspieß, dem Beherrscher des Ofens, Fürst der Pasten und Pasteten, Gott der Suppen und Soufflees - nur ein dummer Zufall, ein unzerteilter Finger auf dem Teller, hat offenbart, von welch feinem Vieh er servierte.“ Perfido schüttelt bedauernd das Haupt. „Privat verzehrt er auch heute noch gelegentlich solch extraordinäres Wild, am liebsten vom lebenden Stück. Als sie ihm draufkamen, konnte er gerade noch Reißaus nehmen und hat sich nach vielen Irrfahrten mir angeschlossen. Die Welt gab ihm den Künstlernamen ElCroc nach dem Wappentier seines damaligen Speiseetablissements, in das mehr Leute hineingegangen sind als wieder heraus … und weil auch in unserem Lande mit den Menschen umgegangen wird, als wärs Vieh - wer will uns da kommen mit höheren Werten?“
ElCroc hat des Handelslehrers Hymne wohlgefällig angehört und läßt die Flinte zustimmend nicken. Sein scharfbezahnter Mund stößt ein Schmatzen durch die Scharte (die jedoch von einem Granatsplitter, nicht von einer Gabel stammt). „Nehmt uns, mein Herr“, gurgelt er, „als fundamentalistische Köche am Rande der Zechprellergesellschaft, der wir eine Bratenplatte als Spiegel vorhalten. Früher berühmt, heute verfemt und vogelfrei. Und just ein wenig hungrig!“
Blitzschnell reißt das Krokodil des Tagliatelles Haupt an sich, schlägt die Hauer in das linke Ohr und beißt es fast zur Hälfte ab. Das Tenörchen zappelt und kreischt wie am Spieß, Crocodilos Geifer und Rinaldos Blut rinnen in Bächen. ElCroc spuckt den Bissen angeekelt aus. „Pomadig-schmalzig!“, wertet der sinistre Maitre. "Und auch sonst von fadem Geschmack.“ Plötzlich greift er sich den Abdul und macht sich daran, des Afrikaners Kittel vorn bis zum Wanst aufzuschlitzen - schwarze Cojones vom lebenden Stück, frohlockt er, die wären eine schöne Alternative, selbst für ihn selten und exotisch! Schnalzt die Zunge in barer Vorfreude.
So liegt die Situation im Argen, der Kammersänger blutüberströmt im Dreck, im Wagen das Mädchen, das Rotz und Wasser heult und nur noch Fetzen hat über ihrer Blöße. Mimbrenjo Paranusz, König der Landstraße, kauert zerschlagen im Staub, einen Revolver vor der Nase, während der dicke Abdul, der früher auf Märkten und Bazaren Kamelscheiße als Opium vertickt hat - eigentlich nur hergekommen ist, um den letzten Wunsch seines verstorbenen Urgroßonkels zu erfüllen, dessen Asche würdig auf Pelargonien zu bestatten - sich angesichts des Operationsbestecks in Crocs kalter Hand die Seele aus dem Leib schreit. Doch wen rührt es, dass er kreischt und herumzappelt in blauen Filzlatschen, Goldrandkäppi und einst weißem Kaftan überm schwarzen Arsch; wen kümmert es, dass Paranusz waidwund röchelt, der Hofkammersänger wimmert, die Kleine sich