SoKo Heidefieber. Gerhard Henschel

SoKo Heidefieber - Gerhard Henschel


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meinte dann, daß die Kriminalromanautoren sich vielleicht einmal selbstkritisch fragen sollten, ob sie mit ihren teils recht blutrünstigen Werken nicht auch ihrerseits etwas zum »Klima der Gewalt« beigetragen hätten, das in Deutschland vorherrsche, doch da fuhr dem Bischof ein alter Bekannter von Ute Fischer und Gerold Gerold in die Parade: Waldemar König, der die Gunst der Stunde dazu nutzte, seinen spektakulären Bart einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Es könne doch nicht angehen, stieß König hervor, daß die Schuld an den Morden hier den Opfern in die Schuhe geschoben werde. »Wir Schriftsteller stehen an vorderster Front im Kampf um die Freiheit des Geistes! In den letzten Tagen habe ich aber am eigenen Leibe erfahren müssen, wie gering die Wertschätzung ist, die man uns entgegenbringt. Ich habe Personenschutz für mich beantragt und bin dafür von einem deutschen Kommissar ausgelacht worden, obwohl der Mörder bereits vier meiner Kollegen hingemeuchelt hat! Und in allen vier Fällen tappt die Polizei im Dunkeln. Ich frage mich, wie lange die Schlafmützen von der Kripo diesen Mann eigentlich noch gewähren lassen wollen, bevor sie den Hintern hochkriegen und die Arbeit tun, für die wir sie bezahlen!«

      Das Studiopublikum spendete dafür einen rauschenden Beifall, und die Zuschauer konnten im Anblick von Königs Bartgeweih schwelgen.

      »Wenn er so sehr um sein Leben bangt, ist es ja wohl das Dümmste, was er tun kann, sich im Fernsehen zu zeigen, und das auch noch mit so ’ner Brezel im Gesicht«, sagte Karin und stand auf, um etwas Knabberzeug zu holen. »Möchte außer mir noch jemand Pringles? Oder Nachos?«

      Gerold schüttelte den Kopf, und auch Ute winkte ab.

      Er habe sich jetzt schriftlich an den Bundesinnenminister gewandt und ihn um Beistand ersucht, erklärte König feierlich. »Seine Antwort steht noch aus. Wenn morgen oder übermorgen auch ich zu den Opfern gehören sollte, dann wird der Minister das mit seinem Gewissen auszumachen haben!«

      »Ob ihr es glaubt oder nicht«, sagte Gerold, »ich verspüre gerade selbst einen Anflug von Mordlust …«

      5

      Es war das schäbigste Büro, das Dr. phil. Severin Dibelius jemals gesehen hatte. Ein heiserer Deckenventilator, ein unaufgeräumter, ramponierter und fleckenübersäter Schreibtisch, nikotingedüngte Tapetenbahnen mit Rissen und Löchern, ein anscheinend vom Sperrmüll stammender Garderobenständer mit einer verschlissenen Anzugjacke, aus deren Falten allen Ernstes eine Motte hervorkroch, ein schiefes Blechregal mit einer bunten Mischung aus Leergut, Papierhaufen, Pizzakartons und zerfledderten Herrenmagazinen, ein Rubbelglasfenster, das an vier oder fünf Stellen gesprungen war, an der Wand ein zwanzig Jahre alter Pirelli-Kalender, und hinter dem Schreibtisch fläzte sich ein Mann mit dem Charisma einer Wanze und der Visage einer Kröte: der Frankfurter Detektiv Manfred Jockel. Seine Beine lagen übereinandergeschlagen auf dem Tisch, so daß Dibelius freie Sicht auf das Loch in der einen Schuhsohle hatte.

      »Nehmen Sie Platz«, sagte Jockel und wies auf einen Klappstuhl. An dessen Rückenlehne prangte ein Aufkleber mit der Aufschrift: »Die Arbeit ruft, aber ich kann ja nicht alles hören!«

      Dibelius fragte sich, ob er nicht besser umkehren solle. Doch er setzte sich, denn für seinen Etat waren die seriöseren Detekteien nun einmal zu teuer, und auf einen Versuch konnte man es ja ankommen lassen.

      »Herr, äh …«

      »Jockel«, sagte Jockel. »Sie können auch Freddy zu mir sagen. Liegt ganz bei Ihnen. Wollen Sie ’n Drink?«

      »Nein danke.«

      »Ich aber schon. Alles ist vergänglich, nur der Durst bleibt lebenslänglich!« Er goß sich ein großes Glas Springer Urvater ein, trank daraus, steckte sich einen Zigarillo an, legte den Kopf in den Nacken, blies den Qualm durch die behaarten Nasenlöcher aus und nahm den neuen Klienten ins Visier. »Telefonisch hatten Sie ja schon angedeutet, daß es um Tod oder Leben geht. Dann kommen Sie doch mal zur Sache.«

      »Könnten Sie vielleicht das Fenster öffnen?« fragte Dibelius. »Ich bin Nichtraucher.«

      »Können könnte ich das schon«, erwiderte Jockel, »aber das würde uns beiden leidtun, denn im Parterre werden Schweine geschlachtet, und ich versichere Ihnen, daß der Rauch in diesem Raum deliziöser ist als der Blutgeruch aus dem Hof. Und nun schießen Sie mal los, mein Männeken. Raus mit der Sprache. Ich bin gespannt!«

      Dibelius sah Jockel mißvergnügt dabei zu, wie er sich einen weiteren Schluck Springer Urvater einverleibte. Konnte dieser Trunkenbold der Aufgabe gewachsen sein, einen Serienmörder dingfest zu machen?

      »Herr Jockel«, sagte Dibelius, »Sie haben doch sicher von den vier Morden an Schriftstellern gehört …«

      »Ja, logisch.«

      »Ich bin der stellvertretende Vorsitzende des Vereins der deutschsprachigen Kriminalromanautoren, und wir möchten Sie damit beauftragen, den Mörder zu finden. Weil die Polizei schläft.«

      »Ach? Und wieso hab ich hier nur den Stellvertreter vor mir? Und nicht den Obermacker Ihres Vereins?«

      »Der Vereinsvorsitzende, Herr Echternhagen, befindet sich derzeit zur Kur in Bad Orb.«

      »In Bad Orb? Da sollte er sich aber in acht nehmen«, sagte Jokkel. »Bad Orb ist das deutsche Sinaloa. Seit letztem Jahr genau aufgeteilt zwischen den Günzelmann-Brüdern und dem Borngässer-Drogensyndikat. Nein, war nur Spaß! Reden Sie weiter …«

      Dibelius sammelte sich. Selbst über die Strecke von drei Metern hinweg registrierte er Jockels fauligen Mundgeruch. Was mochte dieser Unhold zuletzt gegessen haben? Eine Wanderratte? Oder Menschenfleisch?

      »Es ist uns ernst mit diesem Auftrag, Herr Jockel. Finden Sie den Mörder! Wir werden Sie auch gut bezahlen!«

      »Meine Grundpauschale beträgt fünftausend Euro«, sagte Jockel. »Zahlbar sofort. Und für jede Arbeitsstunde berechne ich dreißig Euro. Auslagen gehen extra. Erlauben Sie mir die Frage, wie Sie auf mich gekommen sind?«

      »Sie sind uns von einem unserer Mitglieder empfohlen worden. Waldemar König. Er sagt, Sie hätten ihm einmal außerordentlich gute Dienste geleistet.«

      Jockel schmunzelte. An diesen Job erinnerte er sich gut. König war von einem vorwitzigen Steuerfahnder belästigt worden, und Jockel hatte den Mann mit Hilfe einer Strapsmaus von der Reeperbahn in eine Sexfalle gelockt und ihn dadurch so gefügig gemacht wie einen Zirkusfloh. Über das stattliche Erfolgshonorar hinaus hatte Jockel dieser Coup eine Dauerüberweisung in Höhe von monatlich eintausend Euro aus dem Säckel des düpierten Steuerfahnders eingetragen.

      Und von diesem feixenden Proleten erwarten wir die Lösung unserer Probleme, dachte Dibelius zweiflerisch, als er die Anzahlung auf den Tisch blätterte und Jockel fragte, wo er denn anzusetzen gedenke.

      »Das überlassen Sie mal mir«, sagte Jockel. Er prüfte die Geldscheine im Licht seiner trüben Schreibtischfunzel. »Ich habe Kontakte.«

      »In die Unterwelt?« fragte Dibelius. Er hatte selbst einmal einen Krimi geschrieben – »Die Eispickelmörder« –, der aber gefloppt war, und er wollte gern mehr über das kriminelle Milieu erfahren. Aus erster Hand.

      »Nein«, blaffte Jockel. »Ins Müttergenesungswerk! Und nun huschen Sie zurück in Ihr Körbchen. Ihr Auftrag ist angenommen. Sie hören dann von mir.«

      Die Schautafeln mit den blutigen Tatortfotos hatten es in sich, aber den Magen drehte es Ute Fischer erst um, als Erwin Zapp ihr eine Schachtel Pralinen unter die Nase hielt. Confiserie-Trüffel von Sprengel. »Eine kleine Aufmerksamkeit. Zur Einstimmung auf unser Teamwork. Ich habe eben mit Kommissar Riesenbusch gesprochen, und er hat uns derselben Arbeitsgruppe zugeteilt. Die ich übrigens leiten werde. Wir sollen uns zielführende Maßnahmen überlegen, die abseits der Routine liegen. Stichwort Brainstorming. Dürfte Koryphäen wie uns ja nicht schwerfallen …«

      Een fule Ei verdarft dat ganze Nüst, dachte Ute. »Und wer ist sonst noch mit im Boot?«

      »Außer uns zwei Hübschen? Kommissar Gerold, den Sie ja schon kennen, der liebe Herr Wiesling, die Kommissarinnen Schubert und Farian, die an dem Hachenburger Saunamord dran sind, und last


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