Brennpunkt Hongkong. Alexander Görlach

Brennpunkt Hongkong - Alexander Görlach


Скачать книгу
we can!« geführt hatte, lieferte nicht. Die Wahl Donald Trumps im Jahr 2016 kann als eine direkte Konsequenz aus diesem Versäumnis verstanden werden. In einem Moment, in dem das demokratische Narrativ brüchig geworden ist, konnte Trump mit einem einwanderungsfeindlichen Wahlkampf und dem Schlachtruf »Make America Great Again« die entwürdigten Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen. Aber Trump hatte wenig Konkretes anzubieten. Und auch wenn einige Kommentatoren darauf hinwiesen und ergänzten, dass eine von Trump angekündigte Steuererleichterung für Konzerne sehr wahrscheinlich nicht mehr Geld in den Taschen der gebeutelten amerikanischen Mittelklasse bedeuten würde, waren viele Wählerinnen und Wähler dennoch bereit, einen alten weißen Mann zu wählen, von dem sie sich erhofften, dass er ihnen ihre Würde und ihren Stolz als Amerikaner wiedergeben würde. Sollte dies Opfer bedeuten, so sei’s drum. Die Logik folgt demselben Muster wie im Brexit-Verfahren.

      Die Krise des Jahres 2008 hat auf besonders starke Weise gezeigt, welche desaströsen gesellschaftlichen Verwerfungen damit einhergehen, wenn civil rights und social rights aus dem Lot geraten. Aber alle Demokratien der westlichen Welt haben, in dem einen oder anderen Maß, während der vergangenen 30 Jahre Defizite aufgebaut. Zwar steigt die Produktivität in den Ländern aufgrund zunehmender Automatisierung und Digitalisierung, jedoch macht sich dies nur im Bruttoinlandsprodukt bemerkbar und nicht in den Portemonnaies der Haushalte. Infolgedessen können sich Menschen über die Zeit weniger leisten, und es entsteht ein Gefühl der Entkoppelung, des Abgehängtseins. Damit einher geht die Angst davor, wie viele Arbeitsplätze der technologische Fortschritt in den kommenden Jahren vernichten wird. Unter den Stichwörtern künstliche Intelligenz und Robotik subsumieren viele Menschen ihre Sorgen, alsbald ohne Job dazustehen und von Maschinen ersetzt zu werden. Auch wenn eine zunehmende Automatisierung immer noch die meisten Arbeitsplätze wegrationalisiert, so gibt es bereits Untersuchungen, die zeigen, dass sowohl in Arztpraxen als auch in Bankfilialen und Rechtsanwaltskanzleien aufgrund des Einsatzes von künstlicher Intelligenz in Zukunft viele Jobs verloren gehen werden. Erstmals seit der Industrialisierung erfasst diese Welle nicht nur Menschen, die mit ihrer körperlichen Kraft ein Auskommen haben, sondern auch Menschen mit sogenannten White-Collar-Jobs, also mit bessergestellten Bürotätigkeiten.

      Die Angst, von diesem Wandel heimgesucht zu werden, hat die Mittelschicht erreicht. Unsicherheit greift um sich. In einer Umfrage der Uni Göttingen, die sich an Anhänger der rechtsgerichteten Pegida wandte, gaben etliche der Befragten an, dass es ihnen heute genauso gut oder sogar besser ginge als vor zehn Jahren. Sie hätten aber Angst, dass dies in Zukunft nicht mehr so sein könnte, Angst um sich selbst, um ihre Kinder und Enkelkinder. (Die Studie konnte nicht genügend Probanden befragen, um am Ende als repräsentativ zu gelten. Die Universität entschied sich gemäß Angaben von Spiegel online dennoch zur Veröffentlichung, weil auch die gemachten Stichproben einen gewissen Einblick zuließen.)

      In seinem Buch Der Zukunftsschock: Strategien für die Welt von morgen hat Alvin Toffler bereits vor einem halben Jahrhundert beschrieben, was in einer solchen Situation geschieht: Wenn der (technologische) Wandel dermaßen Fahrt aufnimmt, dass selbst die Eliten in einem Land ihn nicht mehr erklären können, dann werden die Menschen unsicher und ängstlich. Kurz darauf finden sich Populisten und Hardliner ein, die die Ängste der Menschen instrumentalisieren und für ihre Zwecke ausnutzen. Dann wiederum sind die Menschen bereit, eine Wir-gegen-die-Argumentation anzunehmen. Ein Anderer – ein Sündenbock – wird gebraucht, der als Grund für die Misere, in der man sich befindet, herangezogen werden kann. Der französische Philosoph René Girard hat zum Thema des Sündenbocks gearbeitet. Seiner Auffassung nach – er hat alle antiken Erzählungen studiert, in denen ein Sündenbock vorkommt – führt ein gemeinsamer Sündenbock verfeindete Menschen und Gruppen wieder zusammen. Im Gegensatz zum biblischen Sündenbock, der mit der Sünde des Volkes beladen zum Verenden in die Wüste geschickt wird, wird der Girard’sche Sündenbock durch Tötung aus der Welt geschafft. Auch und gerade in der Coronakrise tritt dieses Motiv verstärkt auf: Donald Trump nannte Covid-19 mehrfach »das chinesische Virus«, um von seinen eigenen Verfehlungen und denjenigen seiner Administration abzulenken und stattdessen »die Chinesen« als die Verursacher der weltweiten Plage an den Pranger zu stellen.

      Autokraten, Populisten, Strongmen – die Begriffe (und wer dahintersteckt) mögen verschieden sein. Alle drei aber nutzen die Unsicherheit und Ängste von Menschen aus mit dem Ziel, sich selbst an die Macht zu bringen und dort zu halten. Um das zu bewerkstelligen, zerstören sie die Säulen, die ich als Trinität der Demokratie beschrieben habe. Sie diskreditieren Journalisten, Künstler und Wissenschaftler und denunzieren all jene als »Experten« und »Elite«, die in einer Gesellschaft für Pluralität und Diversität stehen.

      Demokratien sind gleich doppelt in Gefahr: von innen durch jene, die sich als Alternative zur etablierten Demokratie positionieren, und von außen durch jene, die sich zugunsten ihrer Gefolgschaft in den demokratischen Ländern engagieren und dort die öffentliche Meinung korrumpieren und Wahlen manipulieren.

      Weder Fukuyama noch Huntington haben sich die Weltordnung der Gegenwart in dieser Weise ausgemalt, als sie nach dem Ende des Kalten Krieges in Stanford und Harvard ihre Bücher schrieben. Huntington würde sich besonders wundern: Er hat eine konfliktreichere Welt heraufziehen sehen. Der westlichen Welt prophezeite er, dass ihre Macht insgesamt geringer werden würde, wobei der Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika durchaus verhindern würde, dass der Westen auf Abwege geriete. An einen Präsidenten wie Donald Trump, der erklärtermaßen ein Freund von Autokraten und Autokratie ist, hätte Huntington in seinen kühnsten Träumen nicht gedacht. Trump liebt das Faustrecht mehr, als er internationale Abkommen schätzt. (Es ist nicht so, dass die USA vor ihm nicht auch schon hemdsärmelig aufgetreten wären, aber kein US-Präsident vor ihm hat so wenig Respekt vor der Verfassung und den Institutionen der USA gehabt wie Donald Trump.)

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4QAYRXhpZgAASUkqAAgAAAAAAAAAAAAAAP/sABFEdWNreQABAAQAAAA8AAD/4QQSaHR0cDov L25zLmFkb2JlLmNvbS94YXAvMS4wLwA8P3hwYWNrZXQgYmVnaW49Iu+7vyIgaWQ9Ilc1TTBNcENl aGlIenJlU3pOVGN6a2M5ZCI/PiA8eDp4bXBtZXRhIHhtbG5zOng9ImFkb2JlOm5zOm1ldGEvIiB4 OnhtcHRrPSJBZG9iZSBYTVAgQ29yZSA1LjAtYzA2MSA2NC4xNDA5NDksIDIwMTAvMTIvMDctMTA6 NTc6MDEgICAgICAgICI+IDxyZGY6UkRGIHhtbG5zOnJkZj0iaHR0cDovL3d3dy53My5vcmcvMTk5 OS8wMi8yMi1yZGYtc3ludGF4LW5zIyI+IDxyZGY6RGVzY3JpcHRpb24gcmRmOmFib3V0PSIiIHht bG5zOnhtcE1NPSJodHRwOi8vbnMuYWRvYmUuY29tL3hhcC8xLjAvbW0vIiB4bWxuczpzdFJlZj0i aHR0cDovL25zLmFkb2JlLmNvbS94YXAvMS4wL3NUeXBlL1Jlc291cmNlUmVmIyIgeG1sbnM6eG1w PSJodHRwOi8vbnMuYWRvYmUuY29tL3hhcC8xLjAvIiB4bWxuczpkYz0iaHR0cDovL3B1cmwub3Jn L2RjL2VsZW1lbnRzLzEuMS8iIHhtcE1NOk9yaWdpbmFsRG9jdW1lbnRJRD0ieG1wLmRpZDo0NTA0 ODczZi0yZTA4LWU1NDYtOTA1Yy1lZDE1OGVkZmVkZjEiIHhtcE1NOkRvY3VtZW50SUQ9InhtcC5k aWQ6RjE3MUYwQzk3MjkzMTFFQUE1MzlGMERGN0JFRTc1RUUiIHhtcE1NOkluc3RhbmNlSUQ9Inht cC5paWQ6RjE3MUYwQzg3MjkzMTFFQUE1MzlGMERGN0JFRTc1RUUiIHhtcDpDcmVhdG9yVG9vbD0i QWRvYmUgUGhvdG9zaG9wIENTNS4xIE1hY2ludG9zaCI+IDx4bXBNTTp

Скачать книгу