Usus Belli. Thorsten Klein

Usus Belli - Thorsten Klein


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gesund und so mächtig wie eh und je. Aber für uns ist er keine Gefahr, da er nur im Osten herrscht.“

      „Dann solltest du dich zuerst einmal mit der Frage beschäftigen, was Richard Kummers Geist anstellt, eh du versuchst, in der Nazipartei Macht zu erlangen“, brachte Takhtusho seine Bedenken nochmals auf den Punkt.

      „Ich habe keine Vollbürgerkräfte mehr. Hast du das vergessen? Ich bin fast so ein Nichts, wie die Ureinwohner dieser Welt. Der Hohe Rat hat mich schwach gemacht, weil er Angst vor mir hat. Also muss ich schnell wieder stark werden. Das geht am schnellsten durch die Macht des Faschismus. Schließlich habe ich den erst mächtig gemacht.“

      „Deswegen haben sie dich doch verurteilt. Wenn du weiter mit den Nazis zusammenarbeitest, zeigst du, dass du das Urteil nicht annimmst und gibst ihnen das Recht, dich doch auf eine einsame Welt zu verbannen.“

      „Meinst du?“, fragte il caskar nachdenklich.

      „Ich denke, der Herzog wollte genau das. Er tat so, als komme er dir entgegen. Dabei hofft er auf dein Scheitern, um dich dann doch noch für Jahrhunderte unschädlich zu machen. Nach dem Krieg der Kinder hat es doch auch geklappt.“

      il caskar sah seinen großen Freund überrascht an. „Du hast recht. Das könnte sein Plan sein. Dann müssen wir anders vorgehen.“

      „Aber wie?“

      „Nun lass mich doch erstmal überlegen.“ Das tat il caskar dann auch. Lange.

      „Ich habe doch die Aufgabe, Psyches Europa wirtschaftlich und politisch zu einigen“, begann er dann das Ergebnis seiner Überlegungen mitzuteilen.

      „Stimmt. So steht es im Urteil.“

      „Da steht aber nicht drin, wie. Also bedeutet das, in dieser Frage habe ich freie Hand.“

      „Kann man so interpretieren“, war Takhtusho nicht ganz überzeugt.

      „Kann man nicht, muss man.“ il caskar hatte wie immer keine Zweifel. „Die Nazis wollen ganz Europa erobern. Daraus machen sie ja keinen Hehl, auch wenn das die Politiker der anderen Länder ignorieren. Wir helfen ihnen und bleiben dabei immer schön im Hintergrund. So können die Nazis diesen Plan umsetzen und ich erfülle damit die Auflagen meines Urteils.“

      Nun überlegte Takhtusho eine ganze Weile. Länger, als il caskar. Wer ihn bereits aus den vorherigen Büchern kennt, weiß noch, Denken war noch nicht so seine Stärke. Kämpfen eher. Mit Kämpfen hatte il caskars Plan wenig zu tun. Aber viel mit dem, was der Hohe Rat seit Jahrhunderten auf Psyche machte. Also stimmte er seinem Freund zu und versprach, zu helfen.

      „Sakania wird bestimmt auch mitmachen. Sie hat sich über deine Verurteilung gefreut und gesagt, vielleicht besserst du dich, damit sie dich irgendwann mal leiden kann.“

      „Über Sakania reden wir später. Können wir wieder über Heinrich Ether reden?“

      Wegen Heinrich Ether war il caskar nämlich im nächtlichen Berlin unterwegs. Er wollte herausfinden, was dieser hochgestellte Nazi mitten in der Nacht in Berlin zu tun hatte.

      il caskar glaubte, ein Treffen Ethers mit Richard Kummer gesehen zu haben. Eines sehr jungen Richard Kummers, zugegeben. Dieser Kummerritter schien auch nicht sehr helle gewesen zu sein, meinte il caskar. Aber das Gesicht war unverkennbar.

      „Schade, dass ich nicht dabei war“, bedauerte Takhtusho.

      „Ja, du hättest mir helfen können, die beiden gefangen zu nehmen.“

      „Nein, ich hätte mir seine Aura ansehen können. Du kannst das ja nicht mehr. Dann wären wir sicher gewesen, ob es wirklich Richard Kummer ist. Sakania sucht ihn, seit er gestorben ist. Sie hätte sich über ein Wiedersehen mit ihm gefreut.“

      „Wir suchen ihn doch. Er muss hier irgendwo sein. Hilf mir, ihn zu finden, dann kannst du seine Aura nicht nur scannen, sondern ihn gleich gefangen nehmen und deiner kleinen Freundin apportieren.“

      „Ich hatte für heute Abend eigentlich andere Pläne“, maulte Takhtusho.

      „Du kannst deine Schöne ficken, wenn wir ihn gefunden haben. Glaub mir, sie wird viel williger sein, wenn du ihr den Kummerritter bringst.“

      Ort: Psyche, Dai Nippon, Tokio

      Ozaki Hotsumi brachte Richard Sabota also zu dem berühmten Kampfkunstlehrer. Erstaunt war er nicht nur über dessen Begrüßung des Gastes, sondern auch darüber, dass sich der Lehrer in seinem Gespräch dem Fremden sofort unterordnete. Als sei er dessen Untergeber. Im Japanischen erkannte man das bereits an der Art und Weise der Wortwahl und der Gesprächsführung. Sabota ging mit dem Lehrer um, als sei er dessen Fürst, der einem von ihm besonders geschätzten Samurai die Ehre eines Gespräches erwies.

      Danach versammelte der seine Schüler. Die kurzen Befehle, die er sprach, erstaunten Ozaki Hotsumi noch mehr. Es sollte einen Kampf geben. Der Fremde gegen alle Schüler. Damit es nicht unfair sei, sprach der Meister, würde der Fremde unbewaffnet kämpfen. Den Schülern gestatte der Fremde alle Waffen, die ihnen genehm seien. Auch scharfe.

      Der Fremde hatte sich derweil seiner gesamten Kleidung entledigt und stand nackt im Zentrum der Tatami.

      Er versprach dem Schüler, der als letzter gegen ihn bestehen würde, die Ehre eines Zweikampfes.

      Die Schüler musterten den Fremden nach diesem Angebot, das so sehr nach Prahlerei klang, noch wesentlich aufmerksamer als vorher. Er bestand nur aus durchtrainierten Muskeln, das mochte schon sein. Aber für einen Gaijin war er nicht sehr groß. Und gegen ihre Gruppe hatte er sowieso keine Chance. Glaubten sie.

      Ort: Psyche, Berlin, vor dem Reichstag

      il caskar glaubte bereits zum wiederholten Male, Richard Kummer erkannt zu haben.

      Takhtusho fand das nicht mehr lustig, sondern betrachtete seinen Freund mit Besorgnis. Hatte der Hohe Rat gepfuscht? War ihnen ein Fehler unterlaufen, als sie il caskar seiner Kräfte beraubten? Nach einer Weile schlug er sich gegen den Kopf. Was war er doch immer noch für ein Idiot. Trotz der erfolgreichen mentalen Ausbildung durch Sakania.

      „Gib mir deine Hand“, forderte er il caskar auf.

      „Ich kann schon allein laufen. Auch im Dunkeln“, antwortete der gewohnt unfreundlich.

      Also ergriff Takhtusho einfach il caskars Hand und forderte ihn auf: „Erinnere dich an das Bild des Menschen, den du für den Kummerritter gehalten hast. Sieh mich nicht so bescheuert an. Mach einfach.“

      il caskar machte einfach. Takhtusho sah dabei aus, als würde er mit glasigen Augen träumen. Dann nickte er und wies vor sich. „Wir müssen in die Richtung“, sagte er.

      „In den Reichstag?“

      „In den Reichstag. Und entsichere deine Pistole. Du kannst dich auf einen Kampf gefasst machen.“

      Das hatte il caskar befürchtet.

      Ort: Psyche, Dai Nippon, Tokio

      Ozaki Hotsumi hatte befürchtet, sein ausländischer Freund würde nicht lange in diesem Kampf bestehen. Nun befürchtete er, die Schüler könnten den Kampf nicht lange genug bestehen, um die Lehre zu verstehen, die ihnen der fremde Meister erteilen wollte.

      Dass es um eine solche ging, war Hotsumi nach wenigen Augenblicken des Kampfes klar.

      Richard Sabota bewegte sich rasch. Musste er auch. Bei so vielen Gegnern. Aber er griff dabei auch an. Zu allererst die, die ihn mit einer scharfen Waffe bedrohten. Geschickt schlug er die so, dass sie sich mit ihren Waffen selbst verletzten. Nicht gefährlich, aber schmerzhaft.

      Immerhin zeigten die Verletzten so viel Mut und innere Festigkeit, selbständig die Tatami zu verlassen, um den noch kämpfenden Schülern nicht im Wege zu sein.

      Aber auch die wurden immer weniger. Schließlich stand, wie von dem Fremden angekündigt, nur noch ein Gegner vor ihm. Der griff nicht an, sondern lauerte auf eine Gelegenheit dazu.

      Mit allem gebotenen Respekt, was Hotsumi für vernünftig hielt. Jetzt


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