Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse
Mattios… auch der Krieger nicht…“
„Der Gegner…“
„Zwei Krieger und ein Knabe, dürr, klein, krummbeinig…“
„… du meinst den Kleinen?“ unterbrach der Fürst und der Gefragte nickte.
„Die beiden Krieger?“
„Noch jung…, Herr, aber sehr erfahren…“
„Berichte weiter!“
„Drei von uns sind tot, nur mein Zwillingsbruder lebt noch…“
„Weiter!“ Des Fürst Freundlichkeit schwand von Augenblick zu Augenblick. Seine Fragen und Aufforderungen wirkten zunehmend härter.
„Was willst du von mir? Ihr selbst tragt die Schuld, also nehmt die Wahl der Götter auch an!“ Die Worte klangen wie ein Urteil dieses Herrschers und der junge Chatte verzweifelte.
„… der Mann, der mir die Botschaft gab, sagte, du würdest verstehen und helfen, Herr…“
„Warum sollte ich? Ich verbot jeden Gang zu Hermunduren… Folgt ihr dem Pfad, dann geht zu den Römern! Aber auch das ist Unsinn…“ schimpfte der Fürst. „Wie viele von euch Dummköpfen kommen von dort zurück? Weißt du das? Nicht einmal die Hälfte der jungen Krieger… Wofür diesen sinnlosen Tod, um Mut zu beweisen?“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist nur Dummheit, die bewiesen wird… Wer war der Mann, der dir die Botschaft gab und wie lautet die Botschaft?“ herrschte Swidger den jungen Chatten an. Der Fürst war wütend.
„Der Kleinere nannte den Anführer Irvin, ein noch junger Krieger… “
Der Fürst pfiff durch die Zähne. „… und der Dritte?“
„Der Anführer sprach ihn als Simo an. Er war kein Hermundure… Er sagte, der Krieger sei unwichtig… Du würdest ihn und den Kleinen erkennen… “
„Wer sagte dies…“
„Irvin…“ unterbrach der Jüngere.
Swidger stand auf. Er umkreiste den Tisch.
„Die Botschaft?“
„Ich bin die Botschaft!“
„Du?“ Es erfolgte eine neue Runde um den Tisch.
„Was an dir ist diese Botschaft?“ Swidger war verwirrt, warum nur schickten Gerwin und auch Irvin immer solche rätselhaften Mitteilungen… Er versank im Nachdenken.
„Was an dir ist die Botschaft?“ wiederholte er langsam, als käme gerade diesen Worten die entscheidende Bedeutung zu.
„Falls ich dir nicht allein begegnete, sollte ich drei Worte verwenden, die dich zur Aufmerksamkeit veranlassen würden…“
„Ich höre…“
„Moenus, Salu und Mündung!“
Swidger umkreiste erneut den Tisch. Er schien sich in die Worte zu verbeißen und murmelte Unverständliches vor sich hin.
Der junge Chatte verstand kein Wort. Schließlich sammelte sich der Fürst und bekannte: „Es hätte genügt, mich aufzurütteln…“
„Trotzdem, was an dir ist die Botschaft?“ Der Fürst blieb hartnäckig.
„Ich lebe, gelange zu dir, berichte und kehre zurück, dann Herr werden mein Bruder und ich leben! Scheitere ich, geht mein Bruder in die Sklaverei. Hole ich Hilfe, wird unsere Schande bekannt… Nur du würdest verstehen… “
Swidger nahm die Umkreisung des Tisches erneut auf.
„Wo triffst du auf deinen Bruder, falls du Erfolg hast?“
„Ich weiß nicht… Einer deiner Krieger aber kennt den Ort und du den Krieger… Gewinne ich dein Vertrauen, wirst du helfen und schickst mich mit dem Krieger zurück…“
„In welcher Frist?“
„Bis zum ersten Schnee…“
„Ist das alles?“
„Herr, er wollte nicht, dass ich deinen oder auch seinen Namen kenne… Doch seinen Namen hörte ich aus dem Mund des Kleineren. Ich fragte ihn trotzdem, weil ich hoffte, sein Name könnte mir helfen… Er aber verweigerte. Du würdest misstrauisch, versuchte ich mit dem Namen deine Hilfe zu erbitten…“
„Er hat recht! Ja, ich kenne ihn und auch den Kleinen… Ihr hättet nicht mit zehn Kriegern siegen können… Der Kleine und seine Messer bringen in einem Augenaufschlag schon allein acht Tote, wenn er gezwungen wird… Vor Irvin nehmen, wie ich weiß, selbst stärkste Römer die Beine in die Hand… Ihr Brüder seid darüber hinaus vom Glück begünstigt. Irvin tötet nicht ohne Zwang… Ihr habt im Dunkel angegriffen… Hätte er euch gesehen, wäre nur der Krieger gestorben, aber keiner deiner Gefährten…“
„Herr, ich brauche sechs Tage bis zu dem Ort, wo ich auf meinen Bruder treffe… Hilf mir…“
„Zuerst will ich sehen, ob du meine Hilfe verdienst! Du bleibst bei mir! Geh, danke dem Alten, denn er verdient deinen Dank.“
Er klatschte in die Hände. Eine junge Frau erschien.
„Wir haben einen Gast, richtet ihm ein Zimmer, gebt ihm zu Essen und Trinken und dann rufe mir Hakon!“
Hakon kam erst am nächsten Morgen.
„Herr, du hast gerufen?“
„Ich habe eine Aufgabe für dich, die nur du erfüllen kannst…“
„Was soll ich tun?“
„Ich habe einen Gast, der meine Hilfe will. Ein Freund sagt mir, ich kann dem jungen Chatten vertrauen. Dennoch möchte ich, dass du prüfst, ob das stimmt!“
„Herr, das kann auch jeder andere Mann der Mattios…“
„Den Teil schon, nur das Folgende nicht… Also wecke ihn, Freunde dich an und wenn du glaubst, dass er meine Hilfe verdient, komm zu mir und berichte! Die Frauen zeigen dir, wo er übernachtete…“
Einige Tage und Nächte später hatte Swidger den Gast schon fast vergessen, als plötzlich Hakon vor ihm stand. Ihm schienen fast zehn Tage vergangen…
„Du brauchst aber lange…“
„Herr, ich kann dir trotzdem keine Antwort geben…“
„… du kannst nicht?“ fragte Swidger verblüfft.
„Herr, was soll ich berichten, wenn der Bursche immer tut, was man ihm sagt, freundlich ist und auch hilfsbereit, aber keine Frage zu seinem Leben, seiner Herkunft oder auch zu Wünschen der Zukunft beantwortet… Das Einzige was mir auffällt ist eine Unruhe, die sich von Tag zu Tag steigert…“
„Du hast diesen Teil deines Auftrages sehr gut erfüllt! Bringe ihn zu mir!“
Hakon kam dem Wunsch seines Fürst sofort nach.
„Chatte, hast du einen Namen?“
„Wimmo, Herr!“
„Und dein Bruder…
„Werno!“
„Hakon wird dich zu Irvin bringen!“
„Herr, wohin?“ fragte Hakon irritiert nach.
„Du bringst den Jungmann zu der Villa, wo du, in Irvins Begleitung, einst Gerwin fandest! Der Junge bleibt in deinem Schutz, bis du ihn Irvin übergeben kannst! Geht! Aber zögere nicht, der Junge steht in einer Frist!“
Hakon nickte nur, fasste den Jüngeren am Arm und zog ihn aus der Halle des Fürst der Mattios.
2. Brückenschlag
66 nach Christus - Sommer (19. September)
Imperium Romanum – Mogontiacum
Die