Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse
verfolgten alle das gleiche Ziel… Nur weiß der Mann, der den Überfall befahl, nicht, dass Gefangene in unsere Hände fielen… Als überlebende Gefangene sind sie zum Verrat gezwungen… Der Optio wollte verhindern, dass diese Männer sich auch weiterhin ihres Lebens erfreuten. Nun stelle dir aber einmal vor, dass möglicherweise ein römisches Gericht, ein Statthalter oder gar der Kaiser diese Taten untersucht… Was denkst du, welchen Wert dann Zeugen besitzen?“
„Das erklärt viel! Die Oben sind also Zeugen…“
„… an deren Schutz mir und dem Legat viel liegt…“
Finley begriff diese Tatsache und auch darüber hinaus, dass sein hier gezeigtes Verhalten zu einem enormen Vorteil für seinen Herrn, den Händler Amantius, führte.
„Diesen Sinn erkenne ich und kann ihn auch, zum Nutzen meines Herrn, mit Münzen begünstigen… Nur warum willst du den Optio opfern? Schicke den Wegelagerer ins Jenseits, berichte dem Legat und schenke auch dem Optio deinen Schutz!“
Gerwin schüttelte sein Haupt. „Das geht nicht, mein Freund!“
„Warum nicht?“
„Der Wegelagerer trägt weit weniger Schuld als der Optio… Er wurde mit Gold oder Münzen geködert. Schlägt der Überfall fehl und er überlebt, streicht er mit Recht, unabhängig davon, ob Erfolg oder Misserfolg, den Lohn dafür ein. Der Optio aber gehört zu denen, die den Erfolg vor den Gewinn stellen. Er bleibt ein Feind des Legat und dass kann ich nicht dulden, denn letztlich gefährdet der Kerl meine Absichten… Und dann ist mit diesem Optio noch ein weiterer Vorteil verbunden, den ich dir aber deshalb verschweigen werde, weil dies nicht meine Wahrheit ist…“
Finley vernahm die Worte und weil ihn nicht Neugier trieb, hüllte er sich in Schweigen.
„Der Optio wird auch gegenüber dem Carnifex zu Schweigen versuchen…“ fügte der Hermundure leise an. „Spricht er über den Auftraggeber, dann ist er ohnehin ein toter Mann. Weil er aber auch von den gefangenen Treverern weiß, dürfte sein Überleben fast unmöglich werden… Ich kann ihn aber auch nicht als Zeugen verwenden, weil er ohne Zwang nicht sprechen wird… Er ist schon jetzt für den Legat ohne Bedeutung und dennoch kann Verginius Rufus noch einen Sinn aus dem Mann ziehen… Das aber ist wiederum dessen Wahrheit!“
„Was denkst du, wie lange werde ich die Treverer verbergen?“
„Zehn Tage sollten reichen… Nur hängt das auch von dir ab.“
„Von mir…“ Finley wunderte sich.
„In etwa zehn Tagen sind die Treverer über den Berg… Der Medicus wird dann wissen, ob die Männer eine längere Reise überstehen. Diese Reise wird der Beinverletzte, zu dem Zeitpunkt, noch nicht zu Fuß zurücklegen und der Andere wird nicht reiten können… Wenn die Treverer dennoch in Sicherheit gebracht werden müssen, was bleibt dann noch?“ Gerwin sah den Älteren an.
Finley schwieg. Was wollte sein jüngerer Freund?
„Ich denke mir das so. Du bist im Besitz einer Truhe Münzen, die Amantius gehören. Daraus entnimmst du den notwendigen Betrag und kaufst eine Flussliburne. Den Trierarch dafür bringe ich dir und ich gebe dir die Garantie, dass du einen Besseren, weder hier noch flussauf, zur Mündung des Rhenus zu, kaum finden wirst… Es bliebe noch die Mannschaft, die eine weitere Auslage erfordert. Gibst du dem Trierarch jetzt und in Zukunft genügend Aufträge, wird er den von dir ausgelegten Betrag bald zurückzahlen können. Dies bedeutet, du machst, in meines Vaters Sinn, ein gutes Geschäft. Außerdem hilfst du mir und damit wieder dem Mann, der mich anstatt eines Sohnes wünscht…“
„Woher weißt du von der Truhe…“
„Was denkst du?“
„Davon weiß nur Amantius, vielleicht noch Samocna, nur würde der nie über diese Wahrheit sprechen…“ Finleys Verwunderung schien grenzenlos.
„Nun, großer Kelte, Samocna würde mir gegenüber kaum darüber sprechen… Warum aber sollte der Mann darüber schweigen, der mich zum Sohn begehrt?“
„Davon wissen nicht mal die beiden Frauen… Warum hat er mir gegenüber dann noch nie über deine Rechte gesprochen?“
„… und das muss auch so bleiben!“ folgte Gerwins Forderung.
„Gut, ich greife in die Truhe und Amantius zürnt mir…“ begann Finley vorsichtig.
„… dann verweist du auf mich und jeder Zorn wird sofort erlöschen…“ vollendete Gerwin.
„Dessen bist du dir sicher?“ Dem Wunsch des Germanen zu folgen, schien Finley nicht geneigt.
„Wie viele Truhen kennst du?“ Gerwin lächelte.
„Ich weiß von zwei!“ beharrte der Kelte.
Gerwin nickte. „Die bei dir, die in Samocnas Hand und die, welche Amantius selbst verwahrt… Aber das sind ja schon drei…“ wunderte sich Gerwin. „Finley, ich könnte dir auch noch die Größe und Anzahl dieser Truhen in Amantius Verwahrung beschreiben, genauso wie den Ort, an dem sie verborgen sind… Doch das ist nicht meine Wahrheit…“
Der große Kelte blickte irritiert zu Boden. Er war von Verlegenheit gezeichnet. Gerwin war selbst vertrauenswürdig genug und dennoch musste er, in Amantius Schuld und Vertrauen stehend, ablehnen. Es war nicht sein Gold. Ohne auch nur einen Beweis des Wohlwollens, war die Auslage einer solchen Summe unmöglich.
„Ich mache dir einen Vorschlag.“ Gerwin verstand die Bedenken des großen Kelten. „Du suchst die geeignete Liburne, sendest einen Boten zu Amantius und den Kauf schließt du erst ab, wenn der Bote zurück ist. In fünf Tagen wird der Bote sicher zurück sein. Dann steht auch der Trierarch vor dir. Er wird seine Mannschaft selbst aussuchen und falls die Treverer reisen können, bringt sie diese Liburne zu ihrem Ziel!“
„Gerwin, verstehe mich richtig. Wäre es mein Geld, sei es mir eine Ehre…, doch Amantius… Es wäre ein nicht eben niedriger Betrag…“
„Mein Freund, das verstehe ich. Nur glaubst du, ich würde dir gegenüber von Geld und Truhen sprechen, ohne das Recht dazu zu besitzen? Selbst wenn ich die ganze Truhe fordern sollte, stimmte Amantius bedenkenlos zu! Mache dir keine Sorgen, denn wenn es ein gutes Geschäft werden soll, muss es klug durchdacht sein… Ich brauche jetzt diese Liburne, um die Treverer in Sicherheit bringen zu können. Dabei kam mir dieser Gedanke, weil das Ziel an einem Fluss liegt und beide Verletzte, kaum bis dorthin reiten könnten… Glaube mir, der neue Trierarch wird ein sehr glücklicher und sehr treuer Mann sein…“
„Dann kannst du mir dessen Namen sicher nennen…“ Finley begriff, dass dieser Name von Bedeutung war. Schließlich musste der Trierarch die Billigung von Amantius besitzen.
„Das könnte ich, werde ich aber nicht. Du wirst dich gedulden. In fünf Tagen…“
„Du kennst den Mann?“ Die Frage war von Vorsicht begleitet.
„Ja!
„Warum verschweigst du mir dann seinen Namen?“
„Du sprachst von eigenen Wahrheiten… Solange mir des Mannes Zustimmung fehlt, ist es noch nicht meine Wahrheit und ihn hierher zu bringen, erfordert auch einige Zeit. Übe dich in Geduld!“
„Nun gut, das scheint mir vernünftig. Ich werde eine Liburne suchen. Wird dein Trierarch mit meiner Wahl einverstanden sein?“
Zur Antwort lächelte Gerwin nur.
„Was geschieht mit deinen Legionären, dem Optio und dem Wegelagerer?“
„Auf den Optio und den Wegelagerer wartet der Legat und im Anschluss ganz bestimmt auch der Carnifex… Die Legionäre begleiten mich bis kurz vor eines der Nebentore. Ich möchte nicht, dass deren Gesichter, als die meiner Getreuen, bekannt werden. Sie werden sich wieder zurückziehen und abwarten, bis deren Centurio sie abholt. Das aber ist nicht deine Sorge. Ihre Gesichter und Erscheinungen solltest auch du schnell vergessen…“
Gerwin ließ