Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane. A. F. Morland

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nickte langsam. „Möchtest du noch Musik hören?“

      „Im Augenblick nicht.“

      „Okay.“

      Iris schloss die Augen. „Streiten deine Eltern auch so viel wie meine?“

      „Nein, meine Eltern streiten so gut wie überhaupt nie.“

      „Das gibt es nicht“, sagte Iris ungläubig. „Sie können doch nicht immer einer Meinung sein!“

      „Vielleicht regeln sie ihre Differenzen, wenn ich nicht zu Hause bin. Auf jeden Fall hat die Ehe meiner Eltern sehr, sehr viele Sonnentage.“

      Iris seufzte traurig. „Sie sind zu beneiden – und du auch. Bei uns zu Hause herrscht ständig Gewitterstimmung. Meine Eltern benehmen sich die meiste Zeit wie Hund und Katze. Wenn ich höre, wie sie sich anschreien, wird mir immer ganz schlecht. Sobald ich alt genug bin, ziehe ich aus. Dann können sie sich anbrüllen, soviel sie wollen – ich werd’ es nicht mehr hören.“

      Die Mädchen schwiegen eine Weile.

      Dann fragte Jasmin Kasparek: „Geht es dir schon wieder besser?“

      „Ja“, antwortete Iris. „Ein bisschen.“

      „Mochtest du irgend etwas essen?“, fragte Jasmin..

      „Nein“, antwortete Iris müde.

      „Trinken?“, fragte Jasmin.

      „Auch nicht“, ächzte Iris Winter.

      „Ein Stück Schokolade?“, fragte Jasmin Kasparek weiter.

      Iris legte den Unterarm über ihre Augen. „Geh mir bitte nicht auf die Nerven, Jasmin.“

      „Entschuldige. Ich hab’s nur gut gemeint“, rechtfertigte sich die Freundin.

      17

      Als Sonja aus dem Bad trat, trug sie das Nachthemd, das sie eigens für diesen Österreich-Trip gekauft hatte. Es war ein weißer Traum mit Spaghettiträgern und so durchsichtig wie der Flügel einer Libelle. Joachim, der bereits im Bett lag, setzte sich auf und stieß ein begeistertes „Donnerwetter!“ hervor.

      Sie drehte sich einmal um die eigene Achse. „Gefällt es dir?“

      „Ich bin überwältigt – sprachlos ...“

      Sie kam näher. Ihm war, als würde sie schweben. Sie legte sich neben ihn, und sie küssten sich. Sonja kuschelte sich in Joachims Arme, und ihre aufregende Nähe weckte seine Leidenschaft. Sie spürte, dass er sie begehrte und machte es ihm leicht, sich zu holen, wonach er sich sehnte. Ein wilder Rausch erfasste sie beide, als sie sich liebten, und als der Sturm dann allmählich wieder abebbte, lagen sie still und zufrieden nebeneinander.

      „Sonja ...“

      Sie streckte sich träge und seufzte wohlig. „Ja, Joachim?“

      „Ich möchte dir etwas sagen“, begann Joachim.

      „Was denn?“, fragte sie, eng an ihn geschmiegt.

      „Es war wunderschön.“

      „Für mich auch“, flüsterte sie. „Findest du nicht auch, dass wir großartig zueinander passen?“

      Sie lachte gurrend. „O ja, wir sind ein hervorragendes Team.“

      „Morgen erheben wir uns mit einem Segelflieger in die Lüfte.“

      „Darauf freue ich mich schon sehr“, sagte Sonja und sah sich im Geist schon über den mächtigen Bergriesen kreisen. „Es ist bereits alles arrangiert.“

      Sie lachte leise. „Du bist der geborene Organisator.“

      „Wir haben sehr viele gemeinsame Interessen“, stellte er fest.

      „Du sagst es, Joachim“, gab sie ihm recht.

      „Ich habe noch nie so gut mit einer Frau harmonisiert.“

      Sie kicherte. „Im Bett?“

      „Auch außerhalb des Bettes. Ich bin ein Mensch, der gewöhnt ist, Nägel mit Köpfen zu machen, und ich bevorzuge geordnete Verhältnisse.“

      Sie sah ihn schmunzelnd an. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen, Herr Aiger.“

      „Lass dich scheiden, Sonja.“

      Sie sah ihn verblüfft an. „Was sagst du da?“

      „Du bist doch nicht mehr zufrieden bei deinem Mann. Ich kann dich glücklich machen, und ich möchte unsere Beziehung legalisieren. Ich möchte mich mit dir nicht verstecken, möchte der Welt stolz die Frau zeigen, mit der ich glücklich bin. Ich möchte dich heiraten, Sonja.“

      Sie streichelte zärtlich seine Wange „Du brauchst mich nicht zu heiraten, bloß weil wir miteinander geschlafen haben, Joachim.“

      „Das weiß ich“, sagte er. „Aber ich will es. Ich will dich zur Frau.“

      „Es ist allgemein bekannt, dass ich einen sehr lockeren Lebenswandel führe“, gab sie zu bedenken.

      „Das interessiert mich nicht. Ich liebe dich.“

      Sie lächelte sanft. „Entschuldige, Joachim, aber das geht mir ein bisschen zu schnell. Ich habe nicht nur einen Ehemann, sondern auch eine Tochter.“

      „Ich werde mich bemühen, ihr ein guter Vater zu sein“, versprach Joachim. „Sollte sie mich jedoch total ablehnen, bringe ich sie im besten Schweizer Internat unter, das es gibt.“

      Heiraten, sich scheiden lassen und gleich wieder heiraten ... An so etwas hatte Sonja Winter noch gar nicht gedacht. Kam sie da nicht vom Regen in die Traufe?

      Nun, auf jeden Fall hätte Joachim mehr Zeit für sie gehabt als Patrick. Aber sie hatte sich mit der Idee, Joachims Frau zu werden, noch gar nicht auseinandergesetzt. Wollte sie das eigentlich – Patrick verlassen? Sie hatte sich darüber noch keine ernsthaften Gedanken gemacht. Die Gefühle, die sie beide einst zusammengeführt hatten, waren zwar empfindlich abgekühlt, aber noch nicht völlig erfroren.

      Sonja empfand noch etwas für Patrick. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätten sie sich wohl nicht mehr gestritten. Auf dem Boden der Gleichgültigkeit konnten keine Emotionen mehr gedeihen.

      „Ich werde dich nicht drängen“, sagte Joachim behutsam. „Denk in Ruhe über meinen Antrag nach. Du würdest mich sehr glücklich machen, wenn du ihn annehmen würdest.“

      Ihr Leben war bislang relativ einfach verlaufen. Joachims unerwarteter Antrag komplizierte die Dinge und brachte sie furchtbar durcheinander. Bisher hatte Sonja mehr oder weniger in den Tag hinein gelebt, sich treiben lassen. Und plötzlich war Joachim Aiger für klare Verhältnisse.

      Warum konnte er nicht alles einfach so lassen, wie es war und sich damit zufriedengeben, solange es dauerte? Normalerweise waren es die Frauen, die nach der ganzen Hand griffen, wenn man ihnen den kleinen Finger reichte.

      Joachim stellte alles auf den Kopf. Sonja war zum ersten Mal gezwungen, über ihre Situation ernsthaft nachzudenken, und das war ihr ziemlich unangenehm.

      Tags darauf segelten sie über das weiße Gletscherfeld


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