Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane. A. F. Morland

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Ansichtskarte.“

      Die Sekretärin sah ihn einen Moment irritiert an. „Ich habe Ihnen keine geschrieben.“

      „Ach, deshalb habe ich keine bekommen“, schmunzelte Dr. Kayser.

      „Ich habe überhaupt niemandem geschrieben“, erklärte Ute Morell.

      Sven Kayser staunte. „Nicht einmal Ihrem Chef?“

      „Dem natürlich schon, aber sonst niemandem. Vergangenes Jahr war ich im Juni auf Gran Canaria – und wissen Sie, wann meine Karten angekommen sind? Ende November.“

      Sven lachte. „Die müssen über ein Mars-Postamt umgeleitet worden sein.“

      „Scheint so“, sagte Ute Morell. „Auf jeden Fall habe ich mich danach entschlossen, das Kartenschreiben einzustellen. Die einzige Ausnahme ist Doktor Seeberg – weil er so gerne Urlaubskarten bekommt.“

      „Ist er in seinem Allerheiligsten?“

      Die Sekretärin nickte. „Doktor Schlüter, Doktor Rüsch und Doktor Liebig sind bei ihm.“

      Dr. Kayser hob die Hände. „Wenn der Häuptling Kriegsrat hält, möchte ich nicht stören.“

      Im selben Moment wurde die Tür geöffnet, und die drei Ärzte, die Ute Morell soeben genannt hatte, traten ins Vorzimmer. Dr. Kayser schüttelte den Kollegen die Hand.

      „Praktischer Arzt müsste man sein“, grinste Dr. Thomas Rüsch, genannt Onkel Tom, weil er alle Schwestern „Kindchen“ zu nennen pflegte. „Dann hätte man tagsüber Zeit, gute Freunde zu besuchen.“

      Sven lachte. „Nur keinen Neid aufkommen lassen, Herr Kollege.“

      „Höre ich da Sven Kaysers Stimme?“, fragte Dr. Seeberg im Hintergrund.

      „Ich beglückwünsche dich zu deinem exzellenten Gehör“, gab Sven amüsiert zurück.

      Dr. Schlüter, Dr. Rüsch und Dr. Liebig verließen das Vorzimmer und gingen auf ihre Stationen, während Dr. Kayser das Büro seines Freundes betrat. Dr. Ulrich Seeberg zeigte auf Sven. „Kaffee?“

      „Danke, ja.“

      Dr. Seeberg zeigte auf Ute Morell. Er brauchte kein Wort zu sagen. „Okay, Chef“, sagte die tüchtige Sekretärin sofort und „warf“ die Kaffeemaschine an.

      Ulrich Seeberg musste sofort loswerden, dass sie neuerdings zu Haus einen Alligator hatten. „In Pflege“ sagte er finster. „Die Frau, der das junge Ungeheuer gehört, ist für drei Wochen zur Kur nach Abano gefahren ...“

      Sven Kayser schmunzelte. „Und Kai hat die reißende Bestie heim gebracht.“

      „Er hat eben ein Herz für Tiere“, stöhnte Ulrich. ,„Kai, hab’ ich zu ihm gesagt, warum bringst du uns keine Tanzmaus? Oder einen Zwerghasen? Warum muss es gleich ein ausgehungertes Krokodil sein?’“

      „Wo habt ihr das liebe Tierchen denn untergebracht?“, erkundigt sich Dr. Kayser.

      Dr. Seeberg zog grimmig die Augenbrauen zusammen. „In der Badewanne.“

      „Da würde ich ab sofort beim Reinsteigen sehr vorsichtig sein.“

      „Seither wird bei uns nur noch geduscht“, sagte Dr. Seeberg.

      „Wie lange ist die Ziehmutter des Alligators schon in Abano?“

      „Vier Tage“, antwortete Ulrich Seeberg.

      „Dann habt ihr euren geschuppten Freund ja nur noch siebzehn Tage.“

      „Es wird uns schwerfallen, uns von ihm zu trennen“, erklärte Ulrich ironisch.

      „Und was tust du, wenn die Dame sich in Abano verliebt und nicht mehr nach Hause kommt?“

      Dr. Seeberg verdrehte die Augen. „Mal den Teufel bitte nicht an die Wand, Sven.“

      „Wer füttert das Reptil?“, fragte Dr. Kayser.

      „Kai natürlich. Das lässt er sich nicht nehmen.“

      „Und was gibt er ihm?“, erkundigte sich Sven Kayser.

      Ulrich rümpfte die Nase. „Das will ich gar nicht wissen.“

      „Hat der Alligator einen Namen?“, fragte Sven.

      Dr. Seeberg nickte. „Er heißt Bobby.“

      „Vielleicht wird euch Bobby in diesen drei Wochen so sehr ans Herz wachsen, dass ihr ihn gar nicht mehr hergeben wollt.“

      „Das bezweifle ich“, sagte Ulrich mit belegter Stimme. „Wenn ich mich nicht strafbar machen würde, würde ich Bobby glatt zur Flucht verhelfen.“

      Ute Morell brachte den Kaffee und ging wieder hinaus. Die Ärzte wechselten das Thema. Dr. Kayser erwähnte seinen Besuch bei Berta Dietrich.

      „Ihr Kreislauf gefällt mir nicht“, sagte Dr. Seeberg.

      „Was ist damit?“, fragte Dr. Kayser.

      „Er ist etwas instabil, aber das kriegen wir in einigen Tagen hin“, meinte Ulrich Seeberg zuversichtlich.

      „Thomas Winter ist der Bruder ihres Schwiegersohnes“, klärte Sven Kayser den Freund auf. Er goss Milch in seinen Kaffee und rührte um.

      „Winter erholt sich leider nur sehr schleppend“, bemerkte Ulrich Seeberg ernst. „Das war ein ganz böser Hinterwandinfarkt, der ihn da umgeworfen hat. Er ist noch lange nicht außer Gefahr. Es kann jederzeit zu einem Rückschlag kommen – den er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht überleben würde.“

      Sven nahm einen Schluck vom heißen Kaffee. „Das erste EKG hat keinen Infarkt gezeigt.“

      „Dafür war er auf dem zweiten Streifen um so deutlicher zu erkennen“, entgegnete Ulrich.

      Nachdem sie den Kaffee getrunken hatten, wollte Sven Kayser den Patienten sehen. Dr. Seeberg begleitete den Freund auf die Intensivstation.

      Sie zogen die vorgeschriebene Schutzkleidung an.

      Thomas Winter lächelte matt, als er Dr. Kayser erkannte. Er hing an Schläuchen und Drähten, und die Apparate, von denen er umgeben war, summten, brummten, klackten, piepsten und tickten!

      „Ich hab’ schon mal besser ausgesehen, was?“, versuchte sich Thomas Winter über seinen Zustand lustig zu machen.

      „Sie schaffen das schon, Herr Winter“, sagte Sven Kayser optimistisch, obwohl der Patient nicht diesen Eindruck machte. Thomas Winter sah eher aus, als hätte er die letzten vierundzwanzig Stunden vor sich.

      „Sicher, Doktor Kayser“, nickte er kraftlos. „Sicher, ich schaff’ das schon – irgendwie.“

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