Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten. Alfred Bekker
aus seinem Loch, der Herr Privatschnüffler. Ich weiß auch nicht, plötzlich war er da ... Ich glaub, das ist ein Trottel.“
„Du weißt, was geschieht, wenn Papa stirbt?“, fragte Maja.
„Ja, das weiß ich. Und ehrlich gesagt, kann ich es kaum abwarten, dass es soweit ist.
Aber bis dahin gibt es noch in paar andere Anlässe, sich zu freuen.“ Er prostete Maja mit der Flasche in der Hand zu, nahm einen Schluck und griff mit der anderen Hand zum Pinsel im Eimer. „Wenn das geschieht, wovon du gesprochen hast, werde ich meine Phase ändern.“
„Von Rot in Blau?“
„Blau hab ich schon hinter mir. Nein, ich werd dann nie wieder malen, sondern nur noch Aktionskunst machen. Mir schwebt da ein Park vor mit Hunderten von schusssicheren Westen, alle hergestellt von Avlar Tex. Die Besucher des Parks bekommen dann Maschinenpistolen und dürfen die Westen mal auf ihre Materialkonstanz testen.“ Er lachte gackernd.
„Du bist ein Spinner!“, sagte Maja. „Wenn ich auch sonst nicht oft Papas Meinung bin – das, was er so über dich gesagt hat, stimmt hundertprozentig.“ Tills gute Laune war von einem Augenblick zum anderen weg. Er rammte den Pinsel zurück in den Eimer. „So, was hat er den immer gesagt? Ich bin ja schließlich schon eine Weile von zu Hause weg, und wie du weißt, bin ich direkten Begegnungen mit unserem Vater immer ganz gerne ausgewichen!“
„Aus gutem Grund.“
„Also, nun mal raus mit der Sprache!“
„Er meinte, schwul zu sein sei der einzige Fehler, den du vermutlich nicht hättest.
Aber auch da ist er sich nicht ganz sicher.“
Tills irres Kichern ging nach und nach in ein Schluchzen über, während sich seine Schwester einfach davon machte.
Vielleicht war es ein anderes Mal möglich, die anstehenden Probleme vernünftig zu besprechen, hoffte sie.
Berringer fuhr zunächst zur Villa der Geraths. Der Hausherr empfing ihn ziemlich nervös in der Eingangshalle. Wie üblich drängte ein Termin.
„Ich habe einen Anruf erhalten“, sagte er. „Jemand mit Akzent, er nannte sich Lajos Car...“
„Lajos Carescu?“, fiel Berringer in verblüfft ins Wort.
Gerath sah den Detektiv mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung an.
„Sie scheinen aber auch wirklich jeden zu kennen.“
„Lajos Carescu ist ein Handlanger von Ferdinand Commaneci. Sagt Ihnen der Name vielleicht etwas?“
„Nein.“
„Frank Severin hat dubiose Geschäfte mit ihm gemacht und bei der Einfuhr von Waren geholfen, die eigentlich nur unter Strafzöllen die EU-Grenzen passieren dürfen.“
„Wie gesagt, ich weiß von alledem nichts.“
„Was wollte Carescu?“
„Er sagte, alles sollte bei Avlar Sport weiterlaufen wie bisher. Und wenn nicht, könnte es sein, dass etwas passiert.“
„Genauer hat Carescu sich nicht ausgedrückt?“
Gerath schüttelte den Kopf. „Nein, leider nicht. Aber ehrlich gesagt, kann ich mir das auch so ganz gut vorstellen. Meine Schulter schmerzt seit dem Sturz noch immer.“ Berringer kratzte sich am Hinterkopf. Welches Spiel hatte Gerath im Sinn?, fragte sich der Detektiv. „Sie meinen, dass diese Leute jetzt einfach an Severins Geschäfte anknüpfen wollen und davon ausgehen, dass Sie darüber Bescheid wissen“, stellte Berringer fest.
„Fällt Ihnen eine bessere Erklärung ein? Darum haben sie auch nie irgendwelche Forderungen gestellt. Wozu auch? Diese Botschaften hat Severin bekommen.
Offenbar muss er mal nicht so gespurt haben, wie die Brüder es wollten, und da haben sie dann eine härtere Gangart eingelegt. Unglücklicherweise fielen meine Laura und die anderen Pferde diesen Verbrechern zum Opfer.“ Er schnippte mit den Fingern. „Das muss es sein! Sie dachten, ich wäre in diese krummen Deals eingeweiht!“
Oder Sie sind jemand, der sich nun, da früher oder später doch alles ans Licht kommen wird, noch mal schnell die Hände in Unschuld waschen will, dachte Berringer. Aber für so clever hatte er den Chef von Avlar Tex eigentlich nie gehalten.
„Wir sehen uns auf der BOOT“, sagte Gerath.
„Ich muss noch wissen, wo Ihre Frau untergekommen ist. Nur für den Fall, dass ich Fragen habe.“
„Tja, tut mir leid. Sie hat mir keine Adresse genannt. Mein Anwalt meint, sie möchte vielleicht die Scheidung noch etwas hinauszögern, indem sie die Adresse verschweigt, wo man die Ladung hinschicken könnte, aber das halte ich für absurd.“ Um die Mittagszeit traf Berringer im Gerichtsmedizinischen Institut ein und fragte sich zu Dr. med. Wiebke Brönstrup durch.
Er fand sie an ihrem Arbeitsplatz in der Leichenhalle. Ein seltsamer, aber durchaus typischer Geruch hing in der Luft. Dieses besondere Gemisch aus Desinfektionsmittel und Leichengeruch, der jedem im Gedächtnis blieb. Schon das wäre für Berringer ein Grund gewesen, niemals an diesem Ort zu arbeiten.
„Hallo, Berry“, grüßte sie und schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
„'n Morgen.“
„Ich nehme an, du willst wissen, ob unsere Untersuchungen die ersten, am Tatort gewonnenen Ergebnisse unterstützen.“
„Ja.“
„Die Todesursache im Fall Frank Severin war tatsächlich der Schlag gegen die Kehle, und dieser Schlag ist von einer relativ kleinen Person geführt worden. Das lässt sich ziemlich sicher sagen.“
„Also einer Frau!“
„Nein, auch ein Mann, der nicht gerade eine Basketballerstatur hat, kommt in Frage.
Der Täter oder die Täterin war um die ein Meter siebzig.“
„Hat ein Kampf stattgefunden?“
„Kann ich nicht sagen, aber wir haben keinerlei DNA-Spuren finden können, etwa Hautreste unter den Fingernägeln oder so. Der Angriff muss sehr plötzlich und heftig erfolgt sein.“
„Glaubst du, dass Täter und Opfer sich kannten und Severin den Angreifer deshalb so dicht an sich heran ließ?“
„Eine plausible Theorie, die natürlich für Frau Gerath als Täterin deutet.“
„Ich sehe, du hast dich eingehend mit dem Fall auseinandergesetzt“, erkannte Berringer an.
„Ich hatte ein langes Telefonat mit deinem ehemaligen Kollegen Dietrich, der mich übrigens auch davor gewarnt hat, dir mehr Auskünfte zu geben, als dir von Gesetzes wegen zustehen.“
Berringer lächelte. „Also gar nichts.“
„Deine Kombinationsgabe ist beachtlich.“
„Liegt am Job“, behauptete er. „Und warum redest du dann überhaupt mit mir?“
„Weil ich mich freue, dich wiederzusehen.“ Sie lächelte ihn an. „Ist die reine Wahrheit. Gib’s zu, so wichtig sind die Einzelheiten im Fall Severin nun auch nicht.
Normalerweise hättest du jetzt deine hoffentlich vorhandenen Ermittlungsansätze weiterverfolgt. Aber ich nehme an, stattdessen willst du mit mir einen Kaffee trinken.“
„Ich dachte, das Angebot gilt noch.“
„Tut es auch.“
„Wann und wo?“
„Ich hätte jetzt gleich Mittagspause. Das würde sich doch gut treffen, zumal hier gleich um die Ecke ein Bistro ist, wo man auch was zwischen die Zähne bekommen kann.“
„Ich habe gehört, was mit deiner Familie geschehen ist“, sagte Wiebke Brönstrup,