Killer im August: 11 Thriller. A. F. Morland
Motor startete beim zweiten Versuch.
Und dann brausten wir über die Wellen.
Der Bug hob sich aus dem Wasser.
Es war kein Rennboot, was wir uns da ausgesucht hatten.
Eher ein Gefährt für Angler. Das Boot hüpfte über die Wellen, dem dunklen Etwas entgegen, das ich für ein Schlauchboot gehalten hatte.
Es war tatsächlich eins.
Es bewegte sich von uns weg, auf das offene Meer hinaus.
Von dem Boot aus musste das Modellflugzeug gestartet und ferngesteuert worden sein. Niemand hatte damit gerechnet. Und um ein Haar wäre der Plan auch aufgegangen.
"Hoffentlich reicht der Sprit für eine Verfolgungsjagd!", meinte Milo.
Da konnte ich ihm nur beipflichten.
Allzuweit auf das offene Meer hinaus konnten allerdings weder wir noch das Schlauchboot hinaus.
"Unser Modellpilot wird irgendwo in der Nähe an Land gehen wollen", vermutete ich. Ich konnte mir gut vorstellen, wie der unbekannte Killer vorgegangen war. Irgendwo in nicht allzuweiter Entfernung hatte er seinen Wagen abgestellt und das Boot am Strand zu Wasser gelassen. In einem weiten Bogen war er dann von der Meeresseite her auf das Parisi-Anwesen zugekommen.
"Es muss einen Verräter unter Mrs. Parisis Leuten geben", sagte ich plötzlich. Oder besser: Ich schrie es Milo förmlich zu, denn der Außenborder machte einen Höllenlärm.
Milo sah mich fragend an.
"Wieso kommst du darauf?"
"Er war ziemlich weit draußen! Er konnte unmöglich beobachten, ob Mrs. Parisi sich auch wirklich auf der Terrasse befand!"
"Vorausgesetzt, er hatte es wirklich auf sie abgesehen!", gab Milo zu bedenken.
"Jedenfalls werden wir jeden unter die Lupe nehmen, der hier am heutigen Tag herumgelaufen ist!"
Wir holten auf.
Ich verzichtete darauf, Vollgas zu geben. Sowohl das Schlauchboot, als auch unser Gefährt waren Wasserverdränger, keine Gleiter. Das bedeutete unter anderem, dass man über eine bestimmte Geschwindigkeit nicht hinauskam, gleichgültig, wie viel Motorkraft man auch aufwandte. Statt dessen war es vielleicht wichtiger Sprit zu sparen...
Unser Gegenüber auf dem Schlauchboot schien davon nichts zu wissen.
Er drehte voll auf.
Das Schlauchboot pflügte durch die Wellen. Die Gischt spritzte hoch auf.
Die Jagd zog sich hin.
Das Schlauchboot drehte mehr und mehr in Richtung Küste.
Der Abstand wurde geringer.
Der Fahrer richtete mit einer Hand eine MPi vom Typ Uzi auf uns und feuerte wild drauflos. Wir duckten uns nieder.
Die Geschosse pfiffen über uns hinweg. Genaues Zielen war in einem schwankenden Boot sehr schwierig. Und eine Uzi war ohnehin alles andere als eine Waffe für Scharfschützen.
Der Abstand zwischen den beiden Booten verringerte sich zusehends.
Der Killer hatte indessen sein Magazin leergeschossen.
Und er konnte im Augenblick kein neues in die Waffe schieben. Schließlich musste er mit einer Hand ständig den Griff des Außenborders festhalten, um nicht den Kurs zu verlieren. Außerdem schwankte sein Boot ziemlich.
Milo zog seine P226 aus dem Gürtelhalfter. Er bewegte sich vorsichtig in Richtung des Bugs.
Und dann zielte er.
Wir waren nahe genug heran, aber bei den Schwankungen war es schwer, zu treffen.
Milo feuerte.
Er hatte es auf das Boot abgesehen.
Zweimal kurz hintereinander ließ er die P226 loskrachen.
Das Schussgeräusch wurde vom Motorengeräusch beinahe überdeckt.
Milos zweite Kugel traf.
Die linke Hauptluftkammer des Schlauchbootes platzte.
Es gab einen Knall, der lauter war, als ein Schuss. Die Luft entwich innerhalb von Sekunden. Das Boot kenterte in voller Fahrt. Der Killer ging über Bord.
Er schwamm im Atlantik. Wir hielten auf ihn zu.
Es dauerte nur Augenblicke bis wir ihn erreicht hatten.
Milo richtete die Waffe auf den Schwimmer.
"FBI!", rief er. "Sie sind verhaftet..."
Der Mann im Wasser hatte kurzgeschorenes, graues Haar und war sehr hager. Seine Augen waren blau. Er sah uns mit einem hasserfülltem Blick an.
Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu uns ins Boot zu kommen. Selbst ein Kampfschwimmer der Marines hätte es von hier aus nicht zum Land geschafft.
10
Wir kehrten zum Haus von Mrs. Parisi zurück. Der Brand hatte inzwischen gelöscht werden können.
Den Gefangenen verfrachteten wir in den grauen Ford, mit dem Agent Leslie hier hergefahren war. Der grauhaarige, hagere Mann trug Handschellen und es war stets einer von uns bei ihm, um ihn im Auge zu behalten. Wir hatten ihn durchsucht. Aber er trug keinerlei Hinweise auf seine Identität bei sich. Die Seriennummer seiner Uzi war abgefeilt, das Etikett seiner Lederjacke herausgeschnitten.
Das alles sprach dafür, dass wir es mit einem echten Profi zu tun hatten. Das Schlauchboot mit der zerfetzten Hauptluftkammer hatten wir nicht bergen können. Schließlich wollten Milo und ich weder das Risiko eingehen, selbst zu kentern, noch dem Verhafteten doch noch eine Chance zum Widerstand geben.
Nur die Fernbedienung für das Modellflugzeug hatten wir aus dem Wasser gefischt. Der Killer hatte sie an dem Schlauchboot sicherheitshalber festgebunden.
Per Handy baten wir um Amtshilfe des zuständigen County Sheriffs, dessen Beamten nun die Umgebung nach einem Fahrzeug absuchten, das irgendwo in Küstennähe abgestellt sein musste.
Vielleicht würden wir dort nähere Hinweise auf die Identität des Killers haben.
Der Grauhaarige sagte nicht ein einziges Wort.
Er verzog nur das dünnlippige Gesicht zu einer zynischen Grimasse.
"Es wird sich zeigen, wie lange er sein Schweigen durchhält", meinte Milo. "Er hat eigentlich nichts mehr zu verlieren..."
"Leider heißt das noch lange nicht, dass er uns seinen Auftraggeber nennt...", gab ich zu bedenken.
Etwas später sprach ich Mrs. Parisi noch einmal an. Sie stand auf der Terrasse, sah sich die Folgen der Explosion an.
"Fassen Sie bitte nichts an, Mrs. Parisi. Einige unserer Agenten sind auf dem Weg hier her, darunter auch Spezialisten der Spurensicherung. Jedes Detail kann wichtig sein."
Mrs. Parisi lachte heiser.
"Haben Sie eine Ahnung", murmelte sie.
Einer ihrer Leibwächter stand in unmittelbarer Nähe.