Laborwerte verstehen. Kompakt-Ratgeber. Maria Lohmann
Laborwerte geben Aufschluss oder zumindest erste Hinweise über die verschiedensten körperlichen Störungen. Informieren Sie sich über Hintergründe, Messwerte und deren Deutungen und lernen Sie Ihren Körper besser verstehen!
Das Blut
Dass Blut ein »ganz besonderer Saft« ist, wusste schon Goethe. Das Blut besteht aus festen Blutkörperchen und flüssigen Bestandteilen (Plasma). Es gibt rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen. Das Plasma ist eine klare, gelbliche Flüssigkeit, die zu 90 Prozent aus Wasser besteht und lebensnotwendige Substanzen enthält. Heute spielen Laboruntersuchungen in der Medizin eine zentrale Rolle bei der Diagnose und Überwachung von Therapien. Da das Blut bei nahezu jeder Krankheit seine Zusammensetzung verändert, lässt sich aus seinen Werten viel über den Zustand der meisten Organe schließen.
Die Blutentnahme
Wenn eine Blutanalyse im Labor durchgeführt werden soll, muss der Arzt dazu eine ausreichende Menge an Blut entnehmen, das in Kunststoffröhrchen abgefüllt wird. Diese sind mit einem Stoff präpariert, der die Blutgerinnung verhindert. Im Labor wird das Blut zentrifugiert, d. h. es wird mit hoher Geschwindigkeit geschleudert, wodurch seine festen und flüssigen Bestandteile voneinander getrennt werden. Für viele Bluttests wird Serum benötigt, das im Gegensatz zum Plasma kaum Gerinnungsfaktoren und auch keine Blutzellen enthält und deshalb besser untersucht werden kann. Die Bestimmung von Blutkörperchen und vielen weiteren Werten erfolgt in den Labors vollautomatisch.
Blutentnahme aus der Kapillare erfolgt an der Fingerkuppe oder am Ohrläppchen und ist für die Untersuchung von Blutzucker und Hämoglobin geeignet. Das Kapillarblut stammt aus den kleinsten Blutgefäßen und ist mit etwas Zellflüssigkeit vermischt. Das erklärt, warum die Laborergebnisse von Kapillarblut und von Blut aus der Armvene nicht völlig übereinstimmen; gewisse Abweichungen sind dabei normal. So ist die Glukosekonzentration im Kapillarblut etwas höher als im Venenblut.
Blut aus der Vene ist sauerstoffarm und wird am Arm bzw. in der Ellenbeuge mit einer Nadel abgenommen. Dies ist die häufigste Art der Blutentnahme, vor allem, wenn größere Mengen benötigt werden.
INFO
AUFBEREITUNG DES BLUTES
Vollblut = Blutzellen plus flüssige Bestandteile plus Gerinnungsstoffe
Plasma = Flüssige Blutbestandteile plus Gerinnungsstoffe
Serum = Plasma ohne Gerinnungsstoffe
Blut aus der Arterie ist sehr sauerstoff reich. Es wird für eine spezielle Untersuchung zur Bestimmung von Sauerstoff und Kohlendioxid sowie zur Festlegung des pH-Wertes entnommen. Diese Untersuchung wird in aller Regel im Krankenhaus und bei Spezialisten, wie z. B. Lungenfachärzten, durchgeführt.
INFO
WARUM NÜCHTERN ?
Nahrungsmittel können die Blutwerte erheblich beeinflussen, dies gilt besonders für die Blutzucker- und Fettwerte. Die letzte Nahrungsaufnahme sollte also zwölf Stunden zurückliegen. Das gilt auch für die morgendlichen Medikamente; ein kleiner Schluck Wasser ist erlaubt. Alle in diesem Buch angegebenen Normalwerte beziehen sich auf die Nüchtern-Blutentnahme.
Was sind Normalwerte?
In einigen Büchern werden auch die Begriffe »Referenzbereich« oder »Referenzwerte« verwendet, die nahezu die gleiche Bedeutung wie der Begriff »Normalwertbereich« haben, also einen bestimmten Bereich definieren, in dem alle Werte als normal gelten. Wer sich näher mit Laborwerten beschäftigt, wird feststellen, dass die in diesem Buch genannten Normalwerte von anderen Angaben häufig leicht nach oben oder unten abweichen. Das liegt daran, dass von Labor zu Labor die Werte methodenabhängig geringfügig unterschiedlich sein können, z. B. aufgrund einer etwas anderen Labor- und Messtechnik oder unterschiedlicher Laborgeräte und Testsubstanzen. Deshalb werden auf dem Laborbefundblatt hinter jedem Wert die Referenzbereiche (mit oberen und unteren Grenzwerten) des jeweiligen Labors angegeben.
Falls also Ihr Arzt etwas andere Normalwerte als die hier Genannten benutzt, ist das kein Grund zur Verunsicherung, solange Ihre Werte nicht übermäßig von den Normwerten abweichen.
Alte und neue Maßeinheiten
Bei Laborwerten wird noch immer mit zweierlei Maß gemessen. Die »alten« konventionellen Werte werden bevorzugt in der Maßeinheit Milligramm oder Gramm angegeben.
Um aber Messwerte international verwerten zu können, ist in den Naturwissenschaften ein standardisiertes System eingeführt worden: die sogenannten SI-Einheiten (Système international d’unités). Für die Labormedizin bedeutet das: Bei allen Substanzen, deren Molekulargewicht bekannt ist, soll die Angabe in Mol erfolgen anstelle der bisherigen Einheiten Gramm und Milligramm. Nur wenn die Molekülmasse nicht bekannt ist, verzichtet man auf die SI-Einheiten und verwendet weiterhin g/mg/µg. Soweit möglich, sind in diesem Buch beide Angaben genannt.
Welche Faktoren beeinflussen die Blutwerte?
➧ Geschlecht: Bei vielen Laborwerten werden für Männer und Frauen unterschiedliche Normalwerte angegeben. Diese Werte stehen im Zusammenhang mit Unterschieden in der Körpergröße, im Gewicht, in der Muskelmasse und beim Hormonstatus.
➧ Alter: Eine ganze Reihe von Blutwerten steigt ab dem 50. Lebensjahr an. Hierzu gehören vor allem: Rheumafaktoren, Cholesterin, Triglyzeride, Homocystein, Harnstoff, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG), Zuckerbelastungstest und die Kreatinin-Clearance.
➧ Ernährung: Abhängig von Zusammensetzung und Menge einer Mahlzeit und dem zeitlichen Abstand zur Blutentnahme steigen die Blutspiegel von Blutzucker, Triglyzeriden und Fettsäuren an. Deshalb sollte die Blutentnahme in nüchternem Zustand (nach zwölfstündiger Nahrungspause) erfolgen. Zwei Tage vor der Blutabnahme jegliche Vitaminpräparate absetzen!
➧ Alkohol: Der Konsum von Alkohol hat sowohl kurzfristig als auch langfristig Einfluss auf die Laborwerte, besonders auf die Leberwerte.
➧ Medikamente: Zahlreiche Medikamente beeinflussen die Laborwerte, daher sollten dem Arzt alle Arzneimittel bekannt sein, die Sie einnehmen.
➧ Körperliche Anstrengung und Stress: Körperliche Anstrengung, die weniger als drei Stunden zurückliegt, sogar längeres Stehen, führt zu einer Verfälschung der Messwerte z. B. von Hämatokrit, Hämoglobin, Cholesterol sowie Muskelenzymen. Vor der Blutentnahme ist es daher ratsam, sich auszuruhen.
➧ Körperlage: Die Körperlage bei der Blutentnahme beeinflusst die Konzentration einzelner Stoffe erheblich. Deshalb sollte das Blut immer in derselben Körperlage – entweder im Sitzen oder im Liegen – entnommen werden.
➧ Tageszeit: Der Hormonspiegel ist mehr oder weniger großen tageszeitlichen Schwankungen unterworfen, so ist z. B. der Kortisonwert morgens am höchsten. Daher ist bei Kontrollen die Blutentnahme zur gleichen Tageszeit wichtig.
Die Aufgaben des Blutes
Der Körper eines erwachsenen Menschen enthält zwischen vier und sechs Liter Blut (etwa acht Prozent des Körpergewichts), das über das weit verzweigte Netz der Blutgefäße jeden Winkel des Körpers erreicht und versorgt. Das »flüssige Organ« Blut wird im Knochenmark gebildet und hat eine ganze Reihe von wichtigen Aufgaben zu erfüllen:
➧ Transportfunktion (Sauerstoff, Kohlendioxid, Nährstoffe, Hormone, Enzyme, Abfallstoffe)
➧ Abwehrfunktion (Bekämpfung von Krankheitserregern, Abbau degenerierter körpereigener Zellen)
➧ Pufferfunktion (pH-Wert des Blutes liegt im engen Bereich von 7,35–7,45 (leicht alkalisch):
Puffer für ein stabiles Säure-Basen-Gleichgewicht)
➧ Blutgerinnung (Fibrinogen, Schutz vor übermäßigen Blutverlusten)
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