Laborwerte verstehen. Kompakt-Ratgeber. Maria Lohmann
Das Blutbild
Die Bestimmung des Blutbildes ist eine der häufigsten Laboruntersuchungen. Dabei wird zwischen dem kleinen Blutbild (es umfasst die Untersuchung von roten und weißen Blutkörperchen, Blutplättchen, Hämoglobin und Hämatokrit, MCV, MCH, MCHC) und dem sogenannten Differenzialblutbild unterschieden.
Im Differenzialblutbild werden die verschiedenen Unterarten der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und deren Form genau bestimmt und differenziert – daher auch der Name Differenzialblutbild.
Kleines (»rotes«) Blutbild und (»weißes«) Differenzialblutbild zusammen ergeben das große Blutbild.
INFO
BESTANDTEILE DES BLUTES
Unser Blut enthält feste Bestandteile (ca. 45 %):
Das sind Blutkörperchen, also rote Blutkörperchen (Erythrozyten), weiße Blutkörperchen (Leukozyten) und die sogenannten Blutplättchen (Thrombozyten).
Zudem gibt es flüssige Bestandteile (ca. 55 %), das sogenannte Blutplasma: Es besteht aus 90 % Wasser, 8 % Eiweißen, aus Fetten, Zucker, Mineralstoffen und Spurenelementen, Enzymen, Vitaminen, Gerinnungsstoffen, Stoffwechselabbauprodukten und Hormonen.
Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
Normalwerte:
Männer 4,5–5,9 Millionen/µl
Frauen 4,1–5,1 Millionen/µl
Die roten Blutkörperchen stellen mit 99 Prozent die größte Gruppe der Blutzellen dar. Ihr wichtigster Bestandteil ist das eisenhaltige Hämoglobin, das dem Blut die rote Farbe gibt. Die roten, scheibchenförmigen und kernlosen Blutkörperchen sind für den Transport von Sauerstoff zu den Zellen und den Abtransport von Kohlendioxid zuständig. Nach einer Lebenszeit von etwa vier Monaten werden die roten Blutkörperchen in Leber und Milz abgebaut.
INFO
WUNDERWERK MENSCH
Es ist kaum vorstellbar, dass im Blut insgesamt etwa 30 Billionen rote Blutkörperchen fließen. Ihre Lebensdauer beträgt nicht mal ein halbes Jahr. Jede Sekunde gehen durch einen natürlichen Alterungsprozess mehr als zwei Millionen davon zugrunde, die im Knochenmark neu gebildet werden müssen. In einem kleinen Würfel mit einer Kantenlänge von einem Millimeter haben etwa fünf Millionen rote Blutkörperchen Platz. Wenn die roten Blutkörperchen vermehrt auftreten, bezeichnet man dies als Polyglobulie. Eine Verminderung bezeichnet man als Anämie.
Ursachen für Vermehrung der Erythrozyten (Polyglobulie):
➧ Flüssigkeitsmangel
➧ chronische Herz- und Lungenerkrankungen ➧ Höhentraining bei Sportlern, Hochleistungssport ➧ Knochenmarkerkrankungen ➧ chronische Kohlenmonoxidvergiftung ➧ Schwangerschaft
Ursachen für Verminderung der Erythrozyten (Anämie):
➧ Eisenmangel
➧ verlängerte oder zu häufige Menstruation
➧ erhöhter Bedarf, während des Wachstums und in der Schwangerschaft
➧ einseitige Ernährung, Fehlernährung
➧ verminderte Eisenresorption (z. B. Zöliakie)
➧ Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure
➧ chronische Blutverluste (im Magen-Darm-Bereich)
➧ gestörte Produktion der Erythrozyten
Hämoglobin (Hb)
Normalwerte:
Männer 13,6–18,0 g/dl (8,44–11,2 mmol/l)
Frauen 12,0–16,0 g/dl (7,45–9,9 mmol/l)
Hauptbestandteil der Erythrozyten ist der rote Blutfarbstoff Hämoglobin (Hb). Er bindet Sauerstoff und transportiert ihn zu den einzelnen Organen und Zellen, wo er im Austausch Kohlendioxid aufnimmt. Eine Senkung des Hb-Gehaltes weist auf eine Anämie hin. In der Regel entsprechen Veränderungen des Hämoglobinwertes denen der roten Blutkörperchen. Hämoglobin ist ein wichtiger Wert zur Feststellung einer Anämie.
Ursachen für erhöhte Hämoglobin-Werte:
➧ Höhentraining (Sportler)
➧ Polyglobulie (zu viele Erythrozyten im Blut)
➧ starkes Rauchen
➧ Austrocknung
➧ Eigenblutdoping
Ursachen für erniedrigte Hämoglobin-Werte:
➧ alle Formen der Blutarmut (Anämie)
➧ Blutverlust
➧ Schwangerschaft
➧ Überwässerung
MCV, MCH und MCHC
Hinter diesen drei Abkürzungen verbergen sich die Erythrozyten-Indizes. Sie dienen der Klassifizierung von Form und Größe der roten Blutkörperchen und werden beim kleinen Blutbild mitbestimmt. Zu ihrer Berechnung werden Hämoglobin- und Erythrozytengehalt sowie der Hämatokritwert herangezogen. Damit lassen sich Störungen der Blutbildung und Mangelerscheinungen erkennen sowie verschiedene Formen der Anämie unterscheiden.
MCV (Mittleres Zellvolumen der Erythrozyten, Normalwert: 81–96 fl (81–96 µm3), die mittlere Größe eines einzelnen roten Blutkörperchens, dient der Unterscheidung von Anämieformen. Erhöhte Werte weisen hin auf Folsäure- und Vitamin-B12-Mangel, chronische Lebererkrankungen, chronischen Alkoholmissbrauch (bei zwei Dritteln der Betroffenen erhöht) und starkes Rauchen. Erniedrigte Werte deuten auf Eisenmangel, Infektionen, Tumoren, Anämie durch chronischen Blutverlust oder Kupfermangel hin.
MCH (Mittlerer zellulärer Hämoglobingehalt, Normalwert: 27–34 pg (1,67–2,11 fmol/Zelle) gibt Auskunft über den mittleren Hämoglobingehalt eines einzigen roten Blutkörperchens und die Fließfähigkeit des Blutes. Der mittlere zelluläre Hämoglobingehalt dient der Unterscheidung von verschiedenen Anämieformen. Erhöhte Werte weisen hin auf Vitamin-B12- oder Folsäuremangel, erniedrigte Werte auf Eisenmangel, Vitamin-B6-Mangel oder Kupfermangel.
MCHC (Mittlere zelluläre Hämoglobinkonzentration, Normalwert: 32–36 g/dl (19,85–22,34 mmol/l) gibt Auskunft über die mittlere Hämoglobinkonzentration eines einzigen roten Blutkörperchens. Erhöhte Werte weisen hin auf eine spezielle Anämieform, erniedrigte Werte auf Eisenmangel, Vitamin-B6-Mangel, Mittelmeeranämie oder Kupfermangel.
Retikulozyten
Normalwert: 0,5–2,0 % (Anteil an den Erythrozyten)
Retikulozyten sind junge rote Blutkörperchen, die vom Knochenmark ins Blut ausgeschwemmt werden. Mit dem Retikulozytenwert gewinnt der Arzt genaue Erkenntnisse über die blutbildende Aktivität des Knochenmarks und kann auf diese Weise verschiedene Anämiearten differenzieren.
Der exakt bestimmte Wert wird auch zur Therapiekontrolle, z. B. bei Eisenzufuhr im Rahmen einer Mangelanämie, eingesetzt.
Ursachen für Vermehrung der Retikulozyten:
➧ nach akutem Blutverlust ➧ Behandlung von Eisen, Vitamin B6, B12 oder Folsäure bei Anämien
➧ Leberzirrhose
➧ längerer Aufenthalt im Hochgebirge
➧ bei Neugeborenen ist die Vermehrung physiologisch bedingt
Ursachen für Verminderung der Retikulozyten:
➧ gestörte Bildung der roten