Verschollen in der Höllenschlucht. Sandy Palmer

Verschollen in der Höllenschlucht - Sandy Palmer


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hast recht“, stimmte Monika der Mutter schnell zu, „ich zieh das weinrote Dirndl mit der weißen Bluse und der Spitzenschürze an, was meinst?“

      „Darin schaust fesch aus, nimm's nur“, stimmte die Mutter ihr zu. Dann trat sie hinaus auf den Balkon und schaute hinüber zum Berghang, wo sich die jungen Männer schon seit Stunden damit abplagten, einen riesigen Holzstoß zu errichten.

      Überall in der Gegend zog an diesem Tag die Dorfjugend aus, um einen Holzstoß aufzurichten. Am Abend dann, wenn es dunkelte, würde man von allen Berghängen die Johannisfeuer leuchten sehen.

      „Mit wem gehst denn?“, erkundigte sich die Bürgermeisterin bei ihrer Tochter und kam wieder ins Zimmer zurück.

      „Ach, ich weiß noch net genau“, antwortete die Monika vage. „Die Gernhofer Resi hat gesagt, sie wollt' mich abholen. Wahrscheinlich treffen wir uns mit den anderen Mädels.“

      „Das ist recht so“, stimmte ihr die Mutter bei und unterdrückte ein erleichtertes Aufatmen. Sie hatte schon befürchtet, die Monika hätte sich mit dem Toni verabredet. Und sie wollte wenigstens an diesem Festtag keinen Ärger im Haus haben. Diesen hätte es jedoch mit Sicherheit gegeben, wenn ihr Mann spitzgekriegt hätte, dass die Monika sich mit dem Bergführer traf.

      Was die Anzenbergerin freilich nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass sich ihre Tochter mit der Resi abgesprochen hatte. Die Freundin wollte sie zwar abholen, und sie würden auch gemeinsam hinauf auf den Berg steigen, doch an der Rosenalm würden sie sich trennen, dort würde der Toni auf seine Liebste warten, und gemeinsam würden sie den Weg zum Feuer zurücklegen.

      Jetzt hatte sich die Monika frisch gemacht und zog das Dirndl an.

      „Na, ist's gut?“, erkundigte sie sich bei ihrer Mutter.

      „Freilich, wirst die Schönste sein heut auf d‘ Nacht“, sagte die Bürgermeisterin voller Stolz.

      Diesen Ehrgeiz hatte die Monika gar nicht. Sie wollte nur für einen schön sein: für ihren Toni. Und dem gefiel sie auch in ihren Arbeitsdirndln.

      Aber wenn sie nachher, nach dem Sprung über den glühenden Holzstoß, sich heimlich versprachen, wollte sie doch ein Feiertagskleid anhaben. Dies war schließlich kein Tag wie jeder andere.

      „Ich werd' mal ‘nuntergehen und den Vater aus seiner Schreibstube holen“, sagte die Mutter. „Wenn er sich net ein wengerl beeilt, kommen wir noch zu spät zum Wirt. Und ich möcht' doch einen guten Platz kriegen, damit wir alles überblicken können.“

      „Dann schau nur zu, dass du den Vater von seinen Akten weglocken kannst“, lachte die Monika.

      Dann ging sie zum Spiegel, um sich die langen blonden Haare zu einer festlichen Frisur aufzustecken. Dann noch ein Griff in die Schmuckschatulle, die recht gut gefüllt war, und nachdem sie sich die herrlichen Granatohrringe angelegt und die dazu passende Kette umgehängt hatte, war sie endlich mit ihrem Aussehen zufrieden.

      2

      „Schatzerl, fesch schaust aus! Schöner wirst mit jedem Tag!“ Voller Liebe zog der Toni seine schöne Freundin in die Arme und busselte sie herzhaft ab.

      „Geh, du alter Schmeichler, das sagst mir jedes Mal, wenn wir uns sehen“, lachte die Monika, doch sie konnte nicht verhehlen, dass sie sich über dieses Kompliment freute. Zärtlich lehnte sie dann den Kopf an seine Schulter, und eng umschlungen gingen sie den Weg zu dem großen Sonnwendfeuer hinüber, dessen Flammenschein die ganze Umgebung erhellte. Eine große Menschenmenge stand drumherum, meist waren es jüngere Leute, die älteren hatten es vorgezogen, im Wirtsgarten zu sitzen und sich von dort anzusehen, wie in der ganzen Umgebung die Feuer angezündet wurden.

      Als sich Monika und Toni dem brennenden Holzstoß näherten, wurden sie von ihren Altersgenossen herzlich begrüßt.

      „Na, Monika, hat die Mutter nix gespannt?“, erkundigte sich die Tannhofer Bärbel bei der Monika.

      Bärbel wusste um die Probleme, die einen Schatten auf die Liebe von Moni und Toni warfen.

      „Zum Glück nix“, antwortete das Mädchen lachend. „Die Gernhofer Resi hat mich daheim abgeholt, die Mutter denkt, ich bin mit euch zusammen.“

      „Das ist ja net einmal gelogen“, lachte die Bärbel und hängte sich bei dem Oberberger Fritz ein, einem armen Knecht, der auf dem Hof ihres Vaters schaffte, mit dem sie aber befreundet sein durfte. Ihre Eltern waren da toleranter als der Bürgermeister und seine Frau. Sie hatten allerdings auch kein so großes Anwesen zu vererben, und so genügte es ihnen, dass ihre Einzige glücklich war.

      Der Toni ließ sein Mädchen in den nächsten Minuten nicht los. Es schien, als habe er Angst davor, dass sie ihm im letzten Moment entwischen könnte. Doch nichts lag Monika ferner als das. Sie war froh und glücklich, seinen starken Arm um ihre Schultern zu fühlen, die Wärme seines Lodenjankers zu spüren und seine Haut zu riechen, die ein wenig nach Tabak und einem guten Rasierwasser duftete.

      So arm der Toni auch war, er pflegte sich sehr, und immer, wenn er mit Monika ausging, hatte er ein frisches weißes Hemd an, das die Bräune seiner Haut vorteilhaft unterstrich.

      „Wie ist es, Schatzerl“, erkundigte er sich jetzt und zog sie von der Freundin fort. „Hast es dir überlegt? Sollen wir springen? Oder scheust dich vor den Folgen?“

      „Bei dir hab‘ ich keine Angst“, erwiderte das Mädchen mit strahlenden Augen. „Bei dir wird's mir immer gutgehen, dessen bin ich gewiss.“

      „Gut zu dir sein und dich lieben werd‘ ich mein Leben lang, das kann ich dir versprechen“, sagte der Toni und küsste seine Liebste noch einmal. „Aber ob es dir bei mir jemals so gutgehen wird wie in der Bürgermeisterei, das weiß ich net. Du weißt doch, Reichtümer wirft der Beruf eines Bergsteigers net ab, und auch als Skilehrer werd‘ ich es nie zum Millionär bringen. Mein Häusl ist nur klein, aber wenn du dort einzögst, würde das Glück drin wohnen.“

      Innig schmiegte sich die Monika in seine Arme.

      „Ich hab‘ dich lieb, so, wie du bist“, sagte sie.

      „Dann werden wir‘s wagen“, bestimmte der Toni, und seine Augen strahlten die Monika dabei so voller Liebe an, dass sie sicher war: Einen besseren Mann als ihn konnte sie nicht bekommen. Was zählten da Reichtum und Besitz, was ein großer Hof und ein Stall voller wertvoller Milchkühe? Wichtiger war, dass sie geliebt wurde und ihren Mann wiederliebte.

      Flüchtig ging ihr der Peter Huber durch den Kopf, der junge Sägewerkbesitzer, dessen Vater vor einem halben Jahr verstorben war und der nun das große Werk schon in jungen Jahren leitete. Der Peter war schon seit zwei Jahren hinter ihr her, aber sie konnte ihn nicht leiden. Getan hatte er ihr nie etwas, er war ihr auch noch nie zu nahe getreten, doch seine verbindliche Art, die er wohl den Städtern abgeschaut hatte, stieß sie ab.

      Was sollte sie mit fadenscheinigen Komplimenten anfangen, was mit gedrechselten Reden, wenn ihr das Mannsbild, das ihr solche Artigkeiten sagte, nicht gefiel? Da half es auch nicht, dass der alte Anzenberger den Peter bei jeder Gelegenheit in den höchsten Tönen lobte und ihn seiner Tochter als Hochzeiter schmackhaft machen wollte. Die Monika interessierte es nicht, ob Besitz zu Besitz kam und ob sie nach der Hochzeit eine der reichsten Frauen im Tal sein würde. Sie liebte den Peter Huber nun mal nicht, und damit war die Sache für sie abgetan.

      Sie wurde aus ihren Gedanken aufgeschreckt, als die ersten jungen Burschen über das Feuer sprangen, das noch recht hoch loderte. Aber so war es der Brauch: Zunächst sprang die Dorfjugend, und dann, wenn der Holzstoß schon etwas herabgebrannt war, die Pärchen, die sich versprochen hatten.

      Fest umklammerte der Toni Monikas Hand, so, als wolle er sie nie wieder loslassen. Und sie erwiderte seinen kräftigen Druck sacht. Dabei blickte sie sich um in der Gegend, und sie sagte leise: „Schau doch nur, Toni, wie viele Feuer in diesem Jahr brennen! Es scheint fast so, als hätten die Burschen der Umgebung in jedem Dorf mehrere Feuer entzündet.“

      „Ich glaub's auch fast“, antwortete der Bursch. „So


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