Verschollen in der Höllenschlucht. Sandy Palmer

Verschollen in der Höllenschlucht - Sandy Palmer


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brauchen! Und wenn Sie es sich nicht leihen können, dann kaufen Sie alles, was Sie brauchen. Für alle Unkosten komme ich auf.“

      Der scheint Geld wie Heu zu haben, fuhr es dem Toni durch den Kopf, doch er nickte nur zustimmend. „Mache ich“, erklärte er.

      „Dann lasse ich Sie jetzt allein.“ Professor Steinhaus erhob sich ein wenig schwerfällig, sammelte alle seine Unterlagen ein und verschloss sie wieder in seinem Aktenkoffer. Dann reichte er Toni verabschiedend die Hand. „Wir sehen uns also in drei Tagen, kurz bevor Sie sich auf den Weg machen“, sagte er.

      „Geht in Ordnung, Herr Professor.“ Toni drückte die Hand des Gelehrten recht vorsichtig, weil er Angst hatte, dem dünnen Männchen die Knochen brechen zu können.

      Es ist schon ein merkwürdiges Ding, unser Gehirn, sinnierte er dann, als er wieder allein war und sich eine Brotzeit richtete. Da wohnt in einem kleinen spindeldürren Körper ein Gehirn, das so ausgefallene Dinge ausklüngelt. Man muss den Professor wirklich bewundern. Mir könnte die Idee, in der Höllenschlucht nach Uran oder einem anderen Erz zu suchen, nicht kommen.

      Dennoch war er höchst zufrieden, dass der Herrgott auch solche Menschen wie den Professor aus Preußen erschaffen hatte, denn auch er, der Bergführer Toni Tanner, hatte ja seinen Nutzen davon.

      4

      Zwei Tage lang bekam die Monika ihren Liebsten kaum zu Gesicht. Sie litt darunter, denn die Sehnsucht nach seinen Küssen und seiner zärtlichen Stimme wurde von Stunde zu Stunde größer.

      Endlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie glaubte, in der großen Bürgermeisterei ersticken zu müssen. Also warf sie am Abend des zweiten Tages ein warmes Schultertuch um, denn die Bergnächte waren kühl, und machte sich auf den Weg zu Tonis kleinem Haus. Gerade wollte sie aufatmen, da sie dachte, es sei ihr gelungen, ungesehen aus dem Haus zu gelangen, da trat ihr Vater aus dem Stall, der links vom großen Hauptgebäude lag.

      „Willst noch fort?“, rief der Anzenberger seiner schönen Tochter schon von weitem entgegen und machte etwas größere Schritte, um schneller in ihrer Nähe zu sein. „Weiß die Mutter, dass du noch ausgehst?“, erkundigte er sich dann weiter.

      „Ich habe ihr nix gesagt“, gestand Monika. „Aber ich bleibe ja auch net lange“, fügte sie schnell hinzu, als sie bemerkte, dass sich die Stirn ihres Vaters gefährlich rötete, was bei ihm ein Alarmsignal war.

      „Willst dich vielleicht heimlich mit diesem Hungerleider, diesem Bergführer, treffen?“, fragte er misstrauisch.

      „Spazierengehen wollte ich“, sagte die Moni nur, und das war ja nicht einmal gelogen.

      „Warst doch den ganzen Tag an der frischen Luft“, wunderte sich der Bürgermeister, der dem Braten immer noch nicht so recht traute. „Hast noch immer net genug davon?“

      „Mich hält nix im Haus“, presste die Monika hervor. „Vielleicht schaue ich auch einmal bei der Resi vorbei. Sie hat mir kürzlich erzählt, sie hätte ein schickes Schnittmuster für ein Dirndl.“

      „Da gehe nur hin“, nickte der Bürgermeister, gleich wieder versöhnt. „Bei der Resi triffst nur nette Leute.“

      Im Stillen jedoch nahm er sich vor, die Resi bei Gelegenheit zu fragen, ob sich die Monika wirklich das Schnittmuster geholt hatte.

      „Ich muss noch einen Moment in die Amtstub“, erklärte der Bürgermeister seiner Tochter jetzt. „Es gibt noch was vorzubereiten, denn morgen ist Gemeinderatssitzung.“

      „Dann will ich dich net aufhalten, Vaterl.“ Monika stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihrem Vater einen schnellen Kuss auf die schon ein wenig stoppelige Wange, dann ging sie davon.

      Der Anzenberger sah ihr mit stolzem Blick nach. Seine Einzige! Sein ein und alles! Er liebte sein Kind abgöttisch, doch er hütete sich davor, dies allzu deutlich zu zeigen.

      Und während er ins Haus hineinging und unverzüglich sein Büro aufsuchte, nahm er sich vor, in Zukunft noch mehr auf die Monika achtzugeben. Es wäre wirklich zu schade gewesen, wenn sie sich an einen Habenichts wie den Tanner Toni verschwendet hätte, wo sie mit dem Huber Peter eine so glänzende Partie machen konnte.

      Unterdessen schritt die Monika rüstig weiter. Sobald sie außer Sichtweite des Hofes war, beschleunigte sie ihre Schritte noch mehr. Sie musste unbedingt, bevor sie zum Toni ging, noch bei der Resi vorbeihuschen und ihr sagen, wie die sich dem Bürgermeister gegenüber zu verhalten hätte, falls er sie jemals fragen sollte, ob Monika sich ein Schnittmuster von ihr geliehen hätte.

      Die Moni kannte ihren Vater ganz genau, und sie wusste, dass sie ihm ruhig zutrauen konnte, dass er hinter ihr her spionierte. Zum Glück war die Resi zu Hause, und sie versprach auch sofort, das gewünschte Alibi zu liefern.

      Mit einer Sorge weniger im Herzen verließ die Monika die Freundin und suchte nun endlich den Toni auf. Allerdings war sie etwas befremdet, dass er sie nicht mit der gewohnten Begeisterung begrüßte, sondern ein wenig verstört wirkte.

      „Was hast denn du heute?“, erkundigte sie sich misstrauisch. „Komm ich etwa ungelegen?“

      „Aber geh, Schatzerl!“ Der Toni riss sich energisch zusammen und bemühte sich, möglichst unbefangen dreinzusehen. Die Monika durfte auf keinen Fall Verdacht schöpfen.

      Doch schon hatte sie die Seile und die Hacke entdeckt, die in einer Ecke des Zimmers lagen.

      „Gehst wieder auf eine Tour?“, fragte sie sofort.

      „Ja, übermorgen“, antwortete der Toni. „Beim Wirt ist ein spinniger Preuß‘ abgestiegen, der will von mir geführt werden.“

      Die Lüge ging ihm nicht ganz leicht über die Lippen, doch sie musste sein, wenn er seine Liebe nicht unnötig beunruhigen wollte. Hätte er ihr die Wahrheit gesagt, hätte die Monika bestimmt nie im Leben zugelassen, dass er eine solch gefährliche Tour im Alleingang anging.

      „Wozu brauchst denn all die Sachen?“, fragte sie da auch schon weiter. „Ich kann mir net denken, dass ein Preuß' in der Lage ist, unsere höchsten Gipfel zu erklettern.“

      „Ist er auch net“, entfuhr es dem Toni unbedacht.

      „Und warum hast denn dann das ganze Zeugs hier herumliegen?“ Die Monika ließ nicht locker. Die Sache kam ihr irgendwie verdächtig vor, und sie war gewillt, ihr auf den Grund zu gehen, mochten ihre Fragen dem Toni noch so unangenehm sein.

      „Der Fremde will es so“, fiel dem jungen Bergführer im letzten Moment eine Ausrede ein. „Er will wahrscheinlich daheim in Preußen damit angeben, dass er eine gefährliche Kletterpartie unternommen hat, bei der er sogar angeseilt werden musste. — Man weiß doch, wie die Preußen sind“, setzte er noch der Sicherheit halber hinzu.

      Das war freilich ein Argument, das der Moni einleuchtete, und so fragte sie nicht weiter, sondern lächelte ihren Liebsten besonders verheißungsvoll an und meinte: „Waren die Vorbereitungen denn so umfangreich, dass du net einmal die Zeit gefunden hast, bei mir vorbeizuschauen?“

      „Ich hatt‘ wirklich viel zu tun“, entschuldigte sich der Toni. „Schau nur mal hinters Haus, da liegt eine Unmenge von Baumaterial, das ich gestern Abend noch geholt habe. Du weißt doch, dass ich noch vor dem Winter mit dem Stadl anfangen will.“

      Wohlweislich verschwieg er ihr, dass er auch Baumaterial gekauft hatte, das für einen kleinen Anbau ans Häuschen gedacht war. Das konnte er sich ja jetzt, da er einen blanken Tausendmarkschein zu erwarten hatte, leisten. Allerdings durfte die Monika davon ja noch nichts wissen, und da es schon recht dunkel war, konnte er sicher sein, dass sie nicht den Wunsch äußerte, sich das Baumaterial für den Stadl einmal anzusehen.

      „Woher hast denn das Geld?“, erkundigte sie sich nun aber doch.

      „Der Preuß‘ hat mir einen Vorschuss gegeben.“

      „Ja, seit wann gibt's denn so was?“, fragte das Madl erstaunt. „Das sind ja ganz neue Sitten!“


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