Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane. Alfred Bekker
"Grüß dich! Komm, ich lad dich zu einem Glasl ein!", meinte der Jäger freundlich.
Aber der Großknecht vom Bernmayer-Hof blieb ernst.
"Max, ich halte es für meine Pflicht, dir etwas mitzuteilen."
Max runzelte die Stirn.
"Mei, warum so feierlich?", fragte er und schüttelte verständnislos den Kopf. "Was gibt's denn so besonderes?"
Sepp druckste ein bisschen herum.
Er schien irgendwie nicht so recht zu wissen, wie er anfangen sollte.
"Es geht um die Marianne", brachte der Großknecht schließlich heraus.
Max' Gesicht veränderte sich ein wenig.
"Um mein Madel?", fragte er ahnungslos. "Was soll mit der Marianne denn sein, Sepp?"
"Ich will mich net in deine Sachen mischen, Max, aber bist du dir auch sicher, dass es sich net längst entschieden hat, das Dirndl?"
"Natürlich hat das Madel sich entschieden! Für mich! Im Frühjahr gehts vor den Altar!"
"Und dein Bruder?"
Max machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Der Toni ist aus dem Spiel!", erklärte der Jäger dann vollmundig. Dann musterte er den Freund misstrauisch. "Nun komm schon, heraus mit der Sprache! Willst mir net endlich sagen, was los ist?"
"Wenn der Toni wirklich aus dem Spiel ist, dann frage ich mich doch, was er dann mitten in der Nacht bei der Marianne will?"
"Hinausgeworfen haben wird sie ihn!", meinte der Max, der noch keinerlei Grund sah, der Marianne irgendwie zu misstrauen.
Doch der Sepp schüttelte den Kopf.
"Nix da!", erklärte er. "Sie war sehr freundlich zu ihm und die Bernmayerin machte einen zufriedenen Eindruck!" Der Großknecht zuckte die Achseln und fuhr dann fort: "Glaubst net, die Marianne könnt sich die Sach' vielleicht doch überlegt haben?"
"Das ist net wahr!", erwiderte der Jäger.
Der Sepp legte seinem Freund indessen eine Hand auf die Schulter und sagte: "Ich habe ihn doch schließlich selbst gesehen, den Toni!"
"Narrisch bist, Sepp!"
"Meine Augen sind so gut wie deine, Max! Das wirst doch wohl kaum abstreiten, oder?"
"Das net..."
"Na, also! Du musst dich wohl oder übel mit der Realität abfinden, Max! Die Marianne mag dich vielleicht für den besseren Mann halten, aber sie scheint sich noch ein Hintertürchen offenhalten zu wollen..."
Der Krainacher-Max runzelte die Stirn. "Ein Hintertürchen?
Wozu?"
"Mei, begreifst du es wirklich net? Um vielleicht doch noch Bäuerin auf dem größten Hof in der Gegend werden zu können, das meine ich!"
Max trank sein Glas aus und schüttelte energisch den Kopf.
"Ich will so etwas net glauben", sagte er. Aber der Zweifel nagte bereits in seinem Herzen.
"Ich tät dem Madel ein bisserl mehr auf die Finger sehen", meinte der Sepp.
"Ich werd' mit ihr reden müssen!", kündigte der Jäger indessen an.
Sepp nickte.
"Tu das nur. Aber allzu blind solltest du ihr net trauen, hörst du?"
Max nickte.
Bevor er sich dann zum Gehen wandte, meinte er noch: "Bist ein echter Freund, Sepp!"
"Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich's dir sagen soll", erklärte der Großknecht. "Schließlich liegt es net in meiner Absicht, zwischen der Marianne und dir Zwietracht zu säen."
"Ist schon, recht, Sepp!"
Und damit ging der Krainacher-Max hinaus in die Dunkelheit.
Er atmete tief durch und sog die kühle Nachtluft in sich auf. Ein leichter Wind wehte von den Berggipfeln her, die sich wie drohende Schatten gegen den Nachthimmel abhoben.
Und dann sah er sah er seinen Bruder daherkommen.
Toni hatte die Hände in den Hosentaschen und hielt den Blick gesenkt, während er ein Lied pfiff.
Max war ihm heute noch nicht begegnet. Als der Jäger am Morgen losgegangen war, war sein Bruder schon mit dem Vater bei den Tieren gewesen und als der Jäger zum Krainacher-Hof am Abend zurückgekehrt war, da hatte er seinen Bruder ebenfalls nicht angetroffen.
Jetzt wollte der Toni offenbar nach einem anstrengenden Tag noch auf ein Glas ins Wirtshaus gehen.
Toni blickte blickte plötzlich auf und war wie erstarrt, als er seinen Bruder sah.
Er nickte dem Max nur leicht zu. Aber sein Gesicht wirkte finster.
"Du kannst es net lassen, was?", zischte Max und schüttelte dabei fassungslos den Kopf.
"Ich weiß net, wovon du sprichst, Max!", erwiderte Toni schulterzuckend.
Max fühlte, wie das Blut in seinen Adern pochte.
"Ich glaub, du weißt ganz genau, worum es geht! Oder willst vielleicht bestreiten, dich letzte Nacht auf den Bernmayer-Hof geschlichen zu haben?"
Der Toni sah seinen Bruder giftig an. "Ich bestreite gar nix!", schimpfte er. "Und von schleichen kann gar keine Rede sein, hörst?"
"Jedenfalls gratuliere ich dir. Scheinst ja jetzt endlich am Ziel zu sein, was die Marianne angeht!"
"Wovon redest du, Max!"
"Tu net so! Du weißt es und ich weiß es!"
Toni stemmte die Hände in die Hüften.
"Das Madel wird schon noch zur Vernunft kommen und erkennen, das es mit mir die weitaus bessere Partie macht!", meinte er dann. "Kann sein, dass du dich kurzfristig vor ihr wichtigtun kannst! Aber glaub' mir, Max, das wird keinen Bestand haben!"
"Was weißt du schon!"
So gab ein Wort das andere und einen Augenblick später wälzten sie sich schon raufend auf der Straße. Der Sepp und ein paar andere Männer kamen aus dem Wirtshaus heraus, weil sie den Krach gehört hatten. Sie packten die beiden Brüder und zerrten sie schließlich nach einigem Hin und Her auseinander.
"Mei, schämen sollt's euch!", meinte einer. "Gehen zwei Brüder so miteinander um?"
Indessen riss sich der Max aus der Umklammerung, in der er gehalten wurde und zog sich den grünen Rock wieder glatt.
"Fragt doch den Toni, wie es dazu gekommen ist!", murrte er und atmete tief durch.
"Pah!", machte der Toni, riss sich ebenfalls los und ging dann stampfend zur Wirtshaustür hinein.
Die spontane Versammlung löste sich danach ziemlich rasch wieder auf und Max hörte noch, wie einer zum anderen sagte: "Jesus, hat man so etwas schon gesehen? Und dabei haben sie sich doch früher immer so gut verstanden, die Söhne vom Krainacher-Bauern!"
Insgeheim wusste Max, dass er - genau wie sein Bruder - im Unrecht war.
So hätte ich mich net ihm gegenüber verhalten dürfen!, gestand er sich ein.
Aber er war halt so aufgebracht gewesen, durch das, was ihm der Sepp erzählt hatte, dass es einfach mit ihm durchgegangen war. Und dem Toni war es offenbar ähnlich gegangen.
Am nächsten Tag war der Krainacher Bauer sehr aufgebracht, als er von dem Vorfall hörte.
"Nun habt ihr's schon weit gebracht, ihr zwei!", schimpfte er. "Dorfgespräch seid ihr geworden mit eurem Händel!"
Aber von seinen Söhnen sagte dazu keiner ein Wort. Sie saßen da und schwiegen.
"Ich