Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane. Alfred Bekker

Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane - Alfred Bekker


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sah ihn am geöffneten Fenster stehen. Vielleicht konnte er nicht schlafen oder war durch die polternde Art des Krainacher-Toni geweckt worden.

      Jedenfalls stand er da und sah dem Davonziehenden verwundert nach.

      Die Marianne war indessen auch herausgetreten.

      "Ich wollt' ihn nicht verletzen, den Toni", hörte die Bernmayerin ihre Tochter sagen. "Aber anders ging es doch net! Ich musste ihm doch deutlich sagen, was ich denke, oder net?"

      "Sicher, Madel! Aber ich glaub, dass du dich irrst!"

      "Du wirst sehen, ich irre mich net!", beharrte Marianne und ihre Mutter wusste, dass es keinen Sinn hatte, darüber zu streiten. Die Marianne würde doch nicht nachgeben, ganz gleich, was man ihr sagte.

      "Ist schon gut, Madel!", sagte die Bernmayerin also.

      "Trotzdem - ich mach mir Sorgen um meine Tochter. Das ist doch net ungewöhnlich, dass sich eine Mutter Sorgen macht, wenn ihre Tochter net sieht, wo ihr Glück ist!"

      "Ach Mutter!"

      "Ist schon gut, Marianne! Geh schon ins Haus, ich komm gleich nach!"

      Als Marianne ins Haus gegangen war ging die Bernmayerin noch ein Stück in Richtung von Sepps Fenster.

      "Schläfst noch net, Sepp?", fragte die Bäuerin. "Morgen wird's sicher wieder ein anstrengender Tag!"

      "Mei, den werd' ich auch hinter mich bringen!", gab der Sepp leichthin zurück. "Jedenfalls kann mir der Bauer net nachsagen, dass ich schon je bei der Arbeit eingeschlafen wäre!"

      "Sagt ja auch niemand, Sepp!", beschwichtigte die Bernmayerin eilig.

      Jetzt beugte sich der Großknecht etwas aus dem Fenster heraus.

      "Sag einmal, Bäuerin, war das net der Toni, der da gerade gegangen ist?"

      Die Bernmayerin nickte.

      "Freilich war es der Toni!", bestätigte sie.

      "So spät noch?", fragte da der Großknecht mit gerunzelter Stirn.

      Die Bäuerin zuckte mit den Schultern.

      "Mei, warum denn net? Es hat ihn halt zur Marianne hingezogen. Auch spät noch!"

      Der Sepp schüttelte den Kopf.

      "Der Depp scheint's net begreifen zu wollen, dass das Madel ihn net will", murmelte er. "Die Marianne wird ihm sicher wieder einen Korb gegeben haben, was?"

      Die Bernmayerin überlegte einen Moment und dann kam ihr plötzlich ein Gedanke.

      Vielleicht war die Sache ja doch noch nicht so hoffnungslos, wie sie schon geglaubt hatte!

      "Aber, nix da!", verneinte sie. "Das Madel war sehr freundlich zu ihm!", und dachte bei sich: Vielleicht muss ich dem Glück ein bisserl nachhelfen, was den Toni und die Marianne angeht!

      "Und ich dachte, das Madel ginge mit dem Max!"

      "Ich weiß net", sagte die Bernmayerin dann vieldeutig und sah genau, was im Kopf des Großknechts vor sich ging. Der würde zwei und zwei zusammenzählen und zu seinem alten Schulfreund, dem Krainacher Max, gehen, um ihm brühwarm aufzutischen, was er gehört und gesehen hatte. "Ich weiß ja net, was sich der Max dabei denkt, aber wie ich die Sach sehe, hat sich das Madel noch net entschieden, welchen von den beiden Krainacher-Buben es nehmen soll!"

      Der Sepp nickte.

      "Mei, wenn man so verliebt ist, dann kann man schonmal den Blick für die Wirklichkeit verlieren, net wahr?"

      Die Bernmayerin hob die Hände.

      "Ich will nix gesagt haben! Die Marianne muss selbst wissen, was sie tut!"

      "Freilich", nickte der Sepp und kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr. "Aber vielleicht sagst deiner Tochter, dass sie das doppelte Spiel net mehr allzulang treiben sollte. Die beiden Krainacher-Brüder sind jetzt schon wie Katz und Hund zueinander - und sicher liegt das zu einem Gutteil daran, dass sie sich für dasselbe Madel interessieren!"

      Die Bäuerin nickte und wandte sich dann zum Gehen. "Ich werd tun, was ich kann, Sepp. Aber du weißt doch auch, wie die Marianne so ist, und was für einen Dickkopf sie hat! Glaubst du, sie ließe sich von mir da viel sagen?"

      6

      Es war am folgenden Abend, als Max Krainacher ins Wirtshaus unten im Dorf ging. Die Stimmung war schon recht ausgelassen, als er eintraf.

      Sein Blick ging kurz die Reihe der anwesenden Männer entlang. Einige von grüßte er. Dann bestellte er sich beim Wirt ein Glas Rotwein.

      "Na, was führt dich denn nach so langer Zeit mal wieder in die gute Stube?", fragte der Wirt, nachdem er den Jäger bedient hatte. "Hast dich ja wochenlang net mehr hier blicken lassen!"

      "Ist halt immer viel zu tun", entschuldigte sich der Krainacher-Max. "Jedenfalls steht eins fest: An deinem Wein hat's bestimmt net gelegen! Der ist nämlich ganz vorzüglich!"

      "So wie immer, hoffe ich", gab der Wirt zurück.

      Max lächelte.

      "Mei, da hast du recht, Wirt." Dann beugte sich der Grünrock etwas vor und raunte: "Um ganz ehrlich zu sein, ich bin net nur zum reinen Vergnügen gekommen!"

      Der Wirt lachte.

      "Das ist mir wirklich neu, dass einer net um des Vergnügens willen kommt, Max! Und ein Kompliment für mein Wirtshaus ist es auch net gerad'!"

      "Ich mein's ganz ernst", erwiderte der Jäger und legte dann das Taschenmesser mit dem Perlmuttgriff auf den Tresen.

      Der Wirt runzelte die Stirn und meinte dann: "Ein schönes Stück. Woher hast du das?"

      "Oben im Hochwald auf einer Lichtung gefunden. Und denk mal an, wenige Augenblicke zuvor hatte sich dort noch der Wildschütz befunden, hinter dem ich jetzt schon so lange her bin!"

      "Und nun willst du von mir wissen, ob ich net jemanden kenne, der so ein Messer vermisst, net wahr?", erriet der Wirt die Absicht des Jägers.

      Max nickte.

      "So ist es", bestätigte er, während der Wirt das Messer nahm und genau betrachtete. Schließlich murmelte er: "Ich habe so ein Messer schon einmal gesehen. Ist noch gar net lang her!"

      "Bei wem!", forderte der Jäger. "Ich muss es wissen!"

      "Net so schnell, Max!", versuchte der Wirt ihn zu beruhigen, während er ihm das Messer wieder zuschob. "Das Messer, dass ich gesehen hab, lag beim alten Surbacher im Laden. Und es zeigte auf dem Griff auch keinen Hirsch sondern eine Berglandschaft. Aber von derselben Art war's. Vielleicht schaust mal bei ihm vorbei und fragst ihn, ob er noch mehr Messer von der Sorte hatte!"

      Max nickte.

      "Das tu ich!", meinte er. "Und ansonsten - falls einer so ein Messer vermisst, sagst mir Bescheid, net wahr?"

      "Ehrenwort, Grünrock! Kannst dich auf mich verlassen!"

      Indessen wurde der Wirt von ein paar anderen Gästen herbeigerufen. Die Tür ging auf und als Max sich umdrehte, sah er, dass sein Freund, der Sepp eingetreten war.

      Der Sepp winkte dem Jäger gleich zu und gesellte sich einen Augenblick später


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