Gesund älter werden mit den besten Heilpflanzen. Aruna M. Siewert
die Erfahrung des Alterns für uns schmerzlich ist, hängt sicher von vielen persönlichen Faktoren ab. Ein ganz wichtiger ist die Frage, über was wir uns in unserem bisherigen Leben definiert haben.
JAHRE LEHREN MEHR ALS BÜCHER.
Aristoteles
GOLDENE JAHRE, AKTIV GESTALTET
Laut Angaben des statistischen Bundesamtes lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland zu Beginn des letzten Jahrtausends für Männer bei 46,4 und für Frauen bei 52,5 Jahren. Unsere Lebenszeit hat sich in nur etwas mehr als hundert Jahren um 50 Prozent verlängert, Tendenz steigend: Während 2006 das durchschnittliche Sterbealter bei Männern bei 72,2 Jahren und bei Frauen bei 80,4 Jahren lag, waren es 2014 bereits bei Männern 74,7 und bei Frauen 81,4 Jahre. Wir werden also immer älter und haben im Durchschnitt noch ein Viertel unseres Lebens vor uns, wenn wir unseren Sechzigsten feiern. Vielen von uns stehen noch jede Menge Möglichkeiten der Lebensgestaltung offen, wir sind fitter, gesünder, unternehmungslustiger und neugieriger denn je.
Es ist noch nicht so lange her, da waren Menschen mit 60 Jahren uralt. Müde, abgearbeitet und vom Leben gezeichnet, verrichteten sie zwar immer noch die nötige Arbeit, soweit es möglich war. Die Lebensgeister liefen aber oft auf Sparflamme, Lachen und Freude am Leben waren häufig erloschen. Für einige galt allerdings: Sie wurden nach wie vor auf Haus und Hof gebraucht, nachfolgende Generationen zählten auf sie. Sie schauten nach den Tieren und den Kindern, kochten und flickten, stritten und herrschten, mischten sich ein und gaben ihre Erfahrung weiter. Sie wurden gebraucht bis zum Schluss.
Heute gibt es diese familiäre, generationenübergreifende Lebensform nur noch selten. Die meisten Menschen leben in Städten und wohnen in späteren Jahren allein beziehungsweise mit dem Partner, aber nicht mit Kindern und Kindeskindern zusammen. Nach dem Arbeitsleben stellt sich daher die große Frage: Was nun anfangen mit meiner Zeit? Wenn wir ein einigermaßen gutes Auskommen haben und bei guter Gesundheit sind, stehen uns alle Türen offen und es liegt an uns zu entscheiden, wie wir den Rest unseres Lebens verbringen wollen.
Zwei Omas, zwei Welten
Während ich dieses Kapitel schreibe, erinnere ich mich an meine beiden Omas. Die eine war damals, Mitte der 1970er-Jahre, Anfang 60, arbeitete als städtische Angestellte und fuhr einen grünen VW Käfer. Ihre langen dunklen Haare steckte sie zu einem Dutt hoch, und ihre Lippen schminkte sie mit einem schönen roten Lippenstift, der mich als Kind sehr beeindruckte. Sie trug schmale Röcke, der damaligen Mode entsprechend. Sie war aktiv, attraktiv und manch älterer Herr schaute sich nach ihr um, wenn sie durch die Einkaufsstraße der kleinen Stadt lief. Sie war nicht unbedingt die Oma, die wir Kinder uns wünschten. Bei ihr roch es nicht nach Pflaumenkuchen, sie las uns auch nichts vor, saß nicht im Schaukelstuhl und strickte uns keine Pullover. Der Vanillepudding zum Nachtisch, wenn wir am Wochenende einmal bei ihr schliefen, war das Einzige, das so richtig »wie bei Oma« war. Aber ich war stolz auf meine Oma, sie war so schön und so unternehmungslustig. Keine meiner Freundinnen hatte eine solche Oma.
Meine andere Oma war vier Jahre älter und durchaus eine »richtige« Oma. Sie war rundlich und hatte immer Kuchen im Haus. Ihre Wohnung war wie die von einer Oma, sie fuhr weder Auto, noch arbeitete sie, sie hatte keine Hobbys und ihr Zeitvertreib waren der Plausch mit der Nachbarin und die Pflege ihres Wellensittichs. Sie saß immer sonntags am Fenster und wartete darauf, dass meine Eltern mit uns Kindern unseren Pflichtbesuch absolvierten, der weder uns noch ihr sonderlich Spaß machte. Später dann hat meine Großmutter meine Kinder so gut wie nie gesehen. Sie wusste – obwohl sie geistig fit war – nicht einmal, ob ich Jungen oder Mädchen habe, und es interessierte sie auch nicht besonders. Sie war zwar irgendwie unkompliziert und hatte immer ausreichend Zeit, aber sie hatte keine Interessen, keine Freunde, hat die Verantwortung für ihr Leben irgendwann in ihrem Leben aufgegeben. Ich war als Kind nicht gerne bei ihr, und obwohl sie »richtig« Oma hätte sein können, war sie es für mich nicht. Heute glaube ich, sie wartete einfach darauf, dass das Leben wieder durch ihre Tür trat. Aber sie machte keinerlei erkennbare Anstalten, es zu sich einzuladen. Es steht mir nicht zu, ihre Lebensweise zu bewerten, vielleicht waren ihre jungen Jahre so von Elend und Not geprägt, dass sie einfach keine Kraft mehr hatte, aktiv ihr Leben in die Hand zu nehmen, vielleicht hatte sie dies auch nie lernen können.
Wie will ich später sein?
Ich selbst habe zwar noch so einige Jahre bis zum »Oma-Alter«, aber ich frage mich natürlich manchmal: Wie werde ich sein, wenn ich alt bin? Richtiger müsste die Frage eigentlich lauten: Wie möchte ich sein, wenn ich alt bin? Ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen großen Teil der Art und Weise, wie wir altern, in den eigenen Händen haben und dass wir die Möglichkeit haben, unser Alter und unsere Zufriedenheit, unser Glück zu gestalten. Ich glaube und hoffe, dass es nicht nur davon abhängt, wie es uns körperlich geht, sondern auch davon, wie es unserer Seele geht. Deshalb ist die Beschäftigung mit natürlichen Heilmitteln eine so große Bereicherung, denn wir kümmern uns dabei um uns selbst, lauschen in uns hinein, übernehmen Verantwortung für unser Wohlergehen, statt missliebige Beschwerden mit chemischen Mitteln quasi auszuknipsen.
LEBENSENTWÜRFE ENTWICKELN
Möchte ich mich im Alter aus aller Verantwortung herausziehen und ein möglichst unabhängiges – und vielleicht gerade deswegen auch ein bisschen oberflächliches – Leben führen? Ohne Verpflichtungen tun und lassen, was ich will? Ziehe ich mich vielleicht zurück in meine vier Wände, lebe mit meinem Mann, den Tieren und dem großen Garten und führe ein Selbstversorgerdasein – lasse ich die Welt also einfach draußen und bin jeden Morgen froh über meine Entscheidung, wenn ich die Zeitung aufschlage? Oder möchte ich Neues beginnen und offen bleiben für den Austausch mit anderen? Werde ich mich weiterhin einlassen und Verantwortung für die Welt übernehmen, die ich hinterlasse?
Werde ich also eher den Rückzug und die Loslösung suchen und mir meine Welt so machen, wie sie mir gefällt? Oder werde ich nach dem Motto leben »Solange ich da bin, mische ich mich ein und mische mit, sage meine Meinung und bin unbequem«? Jeder Lebensentwurf hat seine Berechtigung. Welchen Weg man einschlägt, ist eine ganz individuelle Sache. Dennoch finde ich Überlegungen wie die folgenden manchmal ziemlich hilfreich:
Werde ich mich auch im Alter immer noch an Neues herantrauen?
Werde ich offen sein, statt allem Neuen misstrauisch gegenüberzustehen?
Werde ich im Heute leben, statt das Damals als perfekt zu verklären?
Werde ich versuchen, die Welt zu verstehen, und die Veränderungen in ihr noch nachvollziehen können und wollen?
Werde ich in meinem Alltag die vielen technischen Errungenschaften nutzen können und wollen?
Was wird mir wichtig sein und was unwichtig? Wird mir ein guter Umgang mit meiner Zeit und meiner Kraft gelingen?
Es ist natürlich müßig, diese Fragen schon mit 50 abschließend beantworten zu wollen. Ich will sie als roten Faden für die kommenden Jahrzehnte nutzen. Sie machen mir überdies in der Rückschau deutlich, an welchen Abzweigungen in meinem Leben ich vielleicht schon einmal den ungünstigeren Weg gewählt habe. Ich finde, es ist nie zu spät, sich diese Fragen zu stellen. Wir können in jeder Sekunde unseres Lebens entscheiden, wie wir die Dinge in unserem Leben sehen möchten.
AB WANN BIN ICH ALT?
Wann bin ich eigentlich alt? Wenn ich Zahlungen von der Rentenversicherung bekomme? Wenn ich mich morgens »knackig« fühle – weil ich meine schmerzenden Knochen erst einmal sortieren muss, bevor ich aus dem Bett krieche?
Ich habe das große Glück, meine Uroma noch kennengelernt zu haben. Eine beeindruckende Frau, die ich immer bewundert habe und die ich liebte, weil sie war, wie sie war: ein junggebliebener alter Mensch, lustig, wach und wehrhaft. Sie zog mit Mitte 80 um, weil ihr das Haus, in dem sie viele Jahre ihres Lebens verbracht hatte, nicht mehr gefiel. Als ihre Enkelin – meine Mutter – und der Arzt ihr mit