Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
Chance ...«
»Selbst in einem solchen Gebiet sind die Apachen noch in der Lage, ihr Leben zu fristen«, versetzte Sergeant Burmester.
»Victorio ist ein Stratege«, fuhr Whitlock fort. »Ich denke, dass er zunächst keinen Feindkontakt sucht, sondern dass er uns ausweicht und an der Nase herumführt, bis sich ihm eine günstige Gelegenheit bietet.«
»Sie haben eine hohe Meinung von der Kriegskunst dieses Wilden, Lieutenant, wie?«, schnarrte der Major.
»Er ist gefährlich«, versetzte Whitlock. »Wir dürfen ihn auf keinen Fall unterschätzen...«
»Sie meinen, ihm ist jeder Ehrenkodex fremd!«, stieß der Major hervor. »Die Apachen sind wie die wilden Tiere.« Er verbesserte sich. »Nein. Wilde Tiere töten um zu überleben. Die Apachen töten um des Tötens Willen.«
Sekundenlang herrschte betroffenes Schweigen. Doch dann ergriff Whitlock wieder das Wort. »Wenn sich ein Apache bereit erklärt, zu kämpfen, dann ist das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.«
»Ich wünsche, dass er uns angreift«, knurrte der Major. »Dann werden wir ihm die heilige Mannesfurcht beibringen. Wie Sie richtig bemerkten, Lieutenant, sind die Apachen nur unzureichend bewaffnet. Aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit jedoch denke ich, dass sie uns attackieren werden. Und dann ...«
Der Major brach ab und schnippte mit Daumen und Mittelfinger. Eine Geste, viel sagend genug, um weitere Worte überflüssig zu machen - und erschreckend war in ihrer Unmissverständlichkeit.
Einer der Scouts kam zurück. Er meldete, dass das Land nach Süden bis zu den Lava Beds frei sei, dass also kein Hinterhalt zu befürchten war.
Nach einer Stunde Rast brach die Patrouille wieder auf.
*
Es war Nacht. Der Himmel war bewölkt. Mond und Sterne waren hinter einer dicken Wolkendecke verschwunden. Die kleine Farm lag in Finsternis. Kein Licht brannte. Die Zikaden zirpten im Gras. Vom Rio Grande her war das leise Rauschen und Gurgeln des Wassers zu vernehmen. Ein schraler Wind erfüllte die Nacht mit einem feinen Säuseln und ließ die Blätter im Ufergebüsch rascheln.
Eine Gruppe Reiter hielt zwischen den Hügeln die Pferde an. In der Finsternis wirkten die Gebäude der Farm wie viereckige, schwarze Kleckse. Dumpf pochten die Hufe, als die Tiere auf der Stelle traten.
Ein Hund schoss aus seiner Hütte, bis ihn die Kette bremste, und kläffte wie von Sinnen. Die Kette rasselte. Das Bellen trieb in die Nacht hinaus und wurde von den Echos wiederholt. Es klang wie eine Warnung vor Unheil und Tod.
Es dauerte nicht lange, dann wurde die Tür des Farmhauses geöffnet. Ein Mann, der eine Laterne in der Hand hielt, trat in den Hof. »Was ist denn, Odin? Still! Du weckst alle auf!« Die Stimme wurde schärfer. »Ruhe, Odin! Sei still, verdammt!«
Der Hund beruhigte sich nicht. Der Farmer ging in den Hof. Die Laterne schaukelte am Drahtbügel und quietschte leise. Licht- und Schattenreflexe huschten über den Boden. Der Mann erreichte den Hund, hob die Hand mit der Laterne und der Lichtkreis, der ihn umgab, vergrößerte sich etwas. »Still jetzt!«, fauchte der Farmer. »Da ist nichts!«
Jetzt hörte der Hund zu bellen auf. Er knurrte leise.
»So ist's brav«, grollte der Farmer und schickte sich an, ins Haus zurückzukehren.
Da kam trommelnder Hufschlag auf. Die Erde schien zu erbeben. Einen Augenblick lang war der Farmer wie gelähmt, zu keiner Reaktion fähig. Als er schließlich die Reiterschemen in einer weit auseinander gezogenen Linie näherdonnern sah, kam Leben in seine Gestalt.
»Alarm!«, brüllte er mit sich überschlagender Stimme. »Wir werden angegriffen!« Er rannte los und verschwand im Haus, warf die Tür hinter sich zu. Der Hund begann wieder wie von Sinnen zu bellen.
Es waren zwei Dutzend Reiter, die auf die Farm zustoben. Erste Schüsse krachten. Die Blendläden vor den Fenstern des Farmhauses wurden aufgestoßen. Mündungsfeuer leckten durch die Nacht, die Detonationen vermischten sich zu einem einzigen, lauten Knall, der auseinander rollte und über den Hügeln zerflatterte. Aufbrüllend antworteten die Echos.
Mit einem kläglichen Winseln verstummte der Hund. Die Apachen ritten im Kreis um die Gebäude der Farm herum. Heißes Blei fegte den einen oder anderen Pferderücken leer. Staub wirbelte nebelhaft, Pulverdampf vermischte sich damit. Immer wieder peitschten Schüsse. Einige Indianer sprangen von den Pferden und stürmten, Tomahawks und Kriegskeulen schwingend, in das Farmhaus.
Sehr schnell war alles vorbei. Der Farmer, seine Frau und zwei Farmhelfer wurden niedergemacht. Die Indianer trieben Schafe, Ziegen, eine Milchkuh und zwei schwere Kaltblüter aus den Stallungen. Dann holten sie aus dem Haus, was sie brauchen konnten, vor allen Dingen Kleidung für den Winter, und dann zündeten sie die Farm an. Bald schlugen die Flammen aus den Fenstern und Türen und leckten an den Außenwänden in die Höhe. Das alte, ausgetrocknete Holz brannte wie Zunder. Funken stoben, Aschefetzen wirbelten, das Feuer machte bald die Nacht zum Tage. Die Gebäude brannten wie Scheiterhaufen. Dichter Rauch quoll in die Höhe, wurde vom sanften Westwind über den Fluss getrieben und zerpflückt. Brenzliger Geruch breitete sich aus.
Die Apachen ritten fort und trieben die erbeuteten Tiere mit sich. Ihre Toten und Verwundeten nahmen sie mit.
Zurück blieb ein Werk der Zerstörung. Krachend und berstend brachen die ersten Dächer ein. Hoch schlugen die Flammen. Sie kündeten vom Irrsinn brutaler Gewalt. Wie ein mahnend erhobener Zeigefinger ragte bald nur noch der gemauerte Kamin des Farmhauses aus den kreuz- und querliegenden, verkohlten Brettern und Balken, wie ein Mahnmal an die Vergänglichkeit ...
*
Las Cruses, September 1878. Die Stadt am Rio Grande war eine Ansammlung von Häusern und Hütten und nur vierzig Meilen von El Paso entfernt. Am Ortsrand gab es Pferche und Corrals, in denen sich Schafe, Ziegen und Kühe tummelten. Der Geruch von Tierkot und Urin hing in der Luft. Die Hauptstraße des Ortes war breit und staubig. Die Häuser waren ohne besondere Ordnung errichtet worden. Aber es gab alles, was eine Stadt ausmachte; einen Store, einen Saloon, eine City Hall, ein Hotel, einen Mietstall und eine Kirche. Sie war im spanischen Stil erbaut worden, wie überhaupt die ganze Stadt einen mexikanischen Einschlag aufwies. Viele Häuser waren aus Adobeziegeln gemauert, an Stelle von Gartenzäunen hatte man hüfthohe Mauern errichtet, in der Ortsmitte gab es einen Brunnen inmitten einer Gruppe von Bäumen.
Der Ort vermittelte Ruhe und Frieden. Kinder spielten am Straßenrand, Hunde lagen in den Schatten, einige Frauen standen beim Store zusammen und unterhielten sich. Beschaulichkeit - das war der Eindruck, den die Stadt vermittelte.
Ein Rudel Reiter kam in die Stadt. Es waren sieben Männer. Die Hufe ihrer Pferde rissen kleine Staubfahnen in die warme Luft. Die Kerle waren stoppelbärtig, Staub und Schweiß verklebte die Gesichter und das Fell der Pferde, sie trugen die Hüte tief in der Stirn und waren allesamt bewaffnet. In den Holstern steckten schwere Revolver, in den Scabbards moderne Gewehre.
Sie lenkten ihre Pferde zum Brunnen und saßen ab. Sattelleder knarrte, ein Pferd wieherte, einer der Männer sagte staubheiser: »Verdammtes Land. Es muss der Satan persönlich geschaffen haben.«
Die Winde quietschte, als einer der Kerle einen Eimer voll Wasser in die Höhe hievte. Er stellte ihn auf den Brunnenrand. Am Balken des Gewindes hing an einem rostigen Nagel eine Schöpfkelle. Die Reiter tranken. Ihre Augen waren entzündet, die Lider gerötet. Staub rieselte von den Krempen ihrer Hüte und ihren Schultern. Sie trugen lange, zerschlissene Mäntel.
Dann wuschen sich die Kerle die Gesichter und zuletzt tränkten sie die Pferde. Einer von ihnen löste sich aus dem Pulk und ging hinüber zur City Hall, die eigentlich nur ein flacher Bau mit einer falschen Fassade war, in der sich das Büro des Bürgermeisters und des Sheriffs befand, und in der es kleinen Saal für