Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett

Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga - Pete Hackett


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Bekanntgaben und Steckbriefe. Der Bursche studierte sie. Er war ungefähr eins fünfundachtzig groß, hager, um die vierzig und sah ziemlich verwegen aus. Einen der Steckbriefe riss er kurzerhand vom Brett und kehrte zu seinen Gefährten zurück. »Tausend Dollar für die Ergreifung Victorios. Er soll sich in den Mimbres Mountains herumtreiben.«

      »Also nicht weit von hier«, sagte einer. »Etwa sechzig, siebzig Meilen.«

      »Das Problem ist, dass er mit fast achtzig Kriegern unterwegs ist«, sagte der Hagere. Sein Name war Scott Wilburn.

      »Wer hat die Prämie ausgesetzt?«

      »Die Regierung.«

      Ein Mann kam näher. Er trug einen Stern. Ihm gefielen diese Kerle nicht. Sie sahen aus wie eine Horde Banditen. Der Sheriff schaute nicht begeistert drein.

      Er erregte die Aufmerksamkeit der Kerle und sie wandten sich ihm zu. Leise klirrten ihre Sporen, Stiefelleder knarrte. »Sie sind auf dem Durchritt?«, fragte der Sheriff, als er das Rudel erreicht hatte und stehen geblieben war.

      Wilburn nickte und erwiderte: »Ich habe den Steckbrief von Victorio abgenommen, Sheriff. Er ist tausend Dollar wert. Ist die Meldung, dass er sich in den Mimbres Mountains aufhalten soll, noch aktuell?«

      Der Gesetzeshüter nickte. »Er hat eine Blutspur von Ojo Caliente bis hier in den Süden gezogen. Erst vor wenigen Tagen haben die Apachen die Hellman-Farm überfallen. Der Farmer, seine Frau und zwei Helfer wurden getötet, das Vieh wurde abgetrieben, die Farm haben diese elenden Mörder niedergebrannt. Möchten Sie sich die Prämie verdienen?«

      »Warum nicht.«

      »Wann werden Sie weiterreiten?«

      »Das hört sich ja gerade so an, als wollten Sie uns hier nicht haben, Sheriff.«

      »Das ist eine friedliche Stadt, und sie soll es auch bleiben.«

      »Keine Sorge. Wir bringen keine Unruhe in dieses Nest. Sobald wir gegessen und getrunken haben, verlassen wir es wieder.«

      »Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt«, knurrte der Sheriff ohne die Spur einer Freundlichkeit im Tonfall, schwang herum und stiefelte davon.

      Er ging in sein Büro, zog den Schreibtischschub auf und holte ein Bündel teilweise vergilbter Steckbriefe hervor. Nach und nach schaute er den Packen durch, zwei Steckbriefe sortierte er aus. Sie waren auf zwei Männer namens Glenn Farley und Dexter Morgan ausgestellt. Der Sheriff glaubte die beiden in dem Rudel erkannt zu haben.

      Er schätzte sie richtig ein. Es waren Sattelstrolche, deren Heimat dort war, wo sie gerade vom Pferd stiegen. Abenteurer, die immer wissen wollten, was sich hinter dem nächsten Hügel abspielte. Und zumindest zwei von ihnen waren Banditen.

      Der Sheriff faltete die beiden Steckbriefe zusammen, schob sie in die Innentasche seiner Jacke, holte entschlossen eine Schrotflinte aus dem Gewehrschrank und lud beide Läufe. Dann verließ er das Office.

      Die sieben Männer hatten ihre Pferde zum Holm beim Saloon geführt und banden sie an. Dann gingen sie in den Schankraum. Ihre Absätze weckten ein dumpfes Echo auf den Bohlen des Vorbaus und den Dielen des Fußbodens im Gastraum. Sie setzten sich an zwei der runden Tische und riefen nach Bier. Der Keeper beeilte sich, sieben Krüge vollzuschenken.

      Da kam Sheriff Matt Baxter in den Gastraum. Knarrend und quietschend schlugen die Türpendel hinter ihm aus. Er machte zwei Schritte, hielt an, richtete das Gewehr auf die Kerle und sagte mit klarer, präziser Stimme: »Unter euch sind zwei Männer, die gesucht werden. Glenn Farley und Dexter Morgan. Steht auf. Ich verhafte euch im Namen des Gesetzes.«

      Zwei der Kerle stemmten sich am Tisch in die Höhe. Einer sagte gedehnt: »Ich bin Glenn Farley. Was wirft man mir denn vor?« In seinen Augen war ein heimtückisches Glimmen wahrzunehmen.

      »Das müssen Sie selbst am Besten wissen, Farley«, antwortete der Sheriff. »Aber ich will Ihnen gern auf die Sprünge helfen. Postkutschenüberfall und Bankraub. Na, fällt der Groschen bei Ihnen?«

      Die Kiefer Farleys mahlten. Es sah aus, als kaute er einen Priem. Seine Hand stahl sich zum Knauf des Revolvers an seinem rechten Oberschenkel.

      »Das ist Unsinn«, knurrte Farley. »Man beschuldigt mich zu Unrecht.«

      »Das festzustellen wird Sache des Gerichts sein«, erklärte der Sheriff, und die Schroffheit seiner Worte ließ erkennen, dass er keine Lust hatte, groß zu debattieren. »Legen Sie Ihren Revolver auf den Tisch, heben Sie die Hände und kommen Sie her. Dasselbe gilt für Sie, Morgan. Und keine krummen Gedanken. Ich würde nicht zögern.«

      »Wir werden hier essen und trinken«, sagte Morgan, »und dann reiten wir weiter. Sie sollten nicht versuchen, den Helden zu spielen, Sheriff. Wenn doch, reißen wir Ihnen den Blechstern von der Weste und spucken drauf.«

      Die Atmosphäre im Saloon war plötzlich angespannt und explosiv, die Luft schien vor Spannung zu knistern wie vor einem schweren Gewitter. Das Rudel vermittelte einen erschreckenden Eindruck von Wucht und Stärke, von kompromissloser Härte und von kalter Entschlossenheit.

      Auch Scott Wilburn erhob sich, trat einen Schritt vor und rief halblaut: »Lassen Sie die Männer in Ruhe, Sheriff. Wir haben uns entschlossen, Victorio zu jagen und zu stellen. Das muss wichtiger sein als die kleinen Gesetzesverstöße, die man meinen Freunden vorwirft.« Wilburn grinste schief.

      »Gehen Sie aus der Schusslinie!«, presste der Sheriff hervor, da donnerte auch schon ein Revolver. Die Detonation drohte den Raum aus allen Fugen zu sprengen. Der Sheriff bekam die Kugel in die Schulter und wurde halb herumgerissen.

      Einer der Kerle hatte gezogen und geschossen. Pulverdampf wolkte vor seinem Gesicht, aus der Mündung seines Colts kräuselte ein feiner Rauchfaden.

      Der Sheriff hatte die Schrotflinte fallen lassen und presste die linke Hand gegen die zerschossene Schulter. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Der Schmerz verzerrte sein bleiches Gesicht und wühlte in seinen Zügen.

      Die Kerle starrten ihn an wie ein Rudel Wölfe, das eine Beute gestellt hatte und jeden Moment über sie herfallen würde. Ohne die Spur einer Gemütsregung, mitleidlos und feindselig.

      Der Sheriff wandte sich ruckartig um und verließ auf unsicheren Beinen den Schankraum. Wieder schlugen die Türpendel. Die Anspannung fiel von den Strolchen ab. Bill Latimer, der geschossen hatte, ließ den Revolver einmal um den Finger rotieren, dann stieß er ihn ins Holster. »Dieser Narr«, murmelte er. »Hat der wirklich gedacht, dass wir uns von ihm ans Bein pinkeln lassen?«

      »Besitzt die Stadt eine Bürgerwehr?«, so wandte sich Wilburn an den Keeper, der wie zur Salzsäule erstarrt hinter dem Tresen stand.

      Er schüttelte den Kopf. Seine Stimmbänder versagten ihm den Dienst.

      Wilburn setzte sich in Bewegung, verließ den Saloon, trat draußen an das Vorbaugeländer heran und schwenkte seinen Blick die Straße hinauf und hinunter. Der Sheriff ging mitten in der Fahrbahn. Sein Blut tropfte in den Staub. Auf den Gehsteigen waren einige Passanten stehen geblieben. Wilburn schaute teilnahmslos hinter dem Gesetzeshüter her, der des Öfteren stolperte und Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Von Wilburns Gesicht war nicht abzulesen, was hinter seiner Stirn vorging. Ebenso wenig verrieten seine Augen.

      Plötzlich wandte Wilburn sich um und kehrte in den Schankraum zurück. Der Keeper trug gerade die Bierkrüge zu den Tischen. Einige der Kerle hatten sich Zigaretten gedreht und rauchten. Schlieren von Tabakqualm zogen unter der Decke dahin. »Trinkt aus!«, stieß Wilburn hervor. »Wir verschwinden. Ich traue dem Frieden in diesem Nest nicht. Auch wenn es angeblich keine Bürgerwehr gibt. Es finden sich immer ein paar Narren ...«

      Er verstummte viel sagend.

      Die Kerle schütteten das Bier in sich hinein, und ohne zu bezahlen verließen sie den Saloon. Der Keeper wagte nicht aufzubegehren. Er war froh, das Rudel wieder los zu sein. Die Kerle banden die Pferde los, saßen auf und ritten. Niemand hinderte sie daran. Die Stadt schien den Atem anzuhalten und sich zu ducken.

      *


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