Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien. Markus Schäfer

Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien - Markus Schäfer


Скачать книгу
Lernumgebung. Die Filmentwicklung und der Produktionsprozess werden also mehr oder weniger intensiv durch das Lehrpersonal begleitet bzw. angeleitet und moderiert. Es handelt sich um Peer-Produktionen, die als betreute Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeiten organisiert sind.

      Es gibt zahlreiche Verfahren und Techniken, um einen Film entstehen zu lassen. Sie sind in der Vorbereitung (Requisiten, Auswahl der Schauspieler*innen, Beleuchtung etc.) und Nachbereitung (Filmschnitt, Effekte etc.) unterschiedlich aufwändig und verursachen in der Umsetzung über die benötigte Ausstattung, das Personal und die Produktionszeiten auch unterschiedliche Kosten. Außerdem eignet sich nicht jede Produktionstechnik für den jeweiligen Anwendungsfall. Agenturen der Werbewirtschaft, die das Medium Erklärfilm längst für sich entdeckt haben, sind auf das Matching von Produktionstechnik und Anwendungsfall spezialisiert. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Produktionstechnik bzw. ein Produktionsformat steht bei kommerziellen Produktionen die Wirkung des finalen Produkts auf die Rezipient*innen im Vordergrund. Das Filmprojekt wird ergebnisorientiert geplant, d. h. die Entscheidung für ein Produktionsformat ist maßgeblich davon anhängig, ob der fertige Film das Potential hat, die Rezipient*innen zu begeistern, zu überzeugen, zu beeinflussen etc. Entscheidend ist, dass der Film seine Wirkung in der Nachnutzung entfaltet, denn nur so kann er die eingesetzten Produktionsmittel wieder einspielen.

      Designprojekte wollen dagegen primär Kompetenzentwicklungsprozesse im Produktionsprozess auslösen. Nicht die Rezipient*innen, sondern die Produzent*innen stehen hierbei im Fokus. Die Frage, welche Produktionstechnik sich für einen Kompetenzentwicklungsprozess unter den semiprofessionellen Bedingungen von Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen eignet, ist entsprechend nicht ergebnisorientiert, sondern prozessorientiert zu stellen. Von zentraler Bedeutung ist, welchen Produktions- bzw. Implementierungsaufwand die jeweilige Technik im Kompetenzentwicklungsprozess verursacht, da Aufwand und Wirkung in einem nachvollziehbaren Verhältnis zueinander stehen müssen. Das Format muss [39] weiter so ausgewählt werden, dass die zeitlichen (Seminarzeit) und die sächlichen Ressourcen (Ausstattung mit Hard- und Software für die Produktion der Filme) und die rechtlichen Implikationen (Persönlichkeitsrechte, Nutzungsrechte am Bildmaterial etc.) für die Lehrkräfte in einem vertretbaren Rahmen kontrollierbar bleiben (vgl. Kapitel 6.1). Es geht hierbei um die Frage, ob der Gestaltungsaufwand für die Entwicklung der Filme gerechtfertigt ist und die Mehrwerte erzeugt werden können, die erwartet werden. In keinem Fall darf die Fachkompetenzentwicklung im Ausbildungsprozess zu stark hinter die Gestaltungskomponente zurücktreten. Dieser Aspekt steht in einem engen Zusammenhang mit der Frage, welche Anforderungen der Produktionsprozess an die Lerner*innen stellt. Es gilt sicherzustellen, dass die Lerner*innen durch das methodische Setting nicht überfordert sind. Im schlimmsten Fall kann es hier zu einer doppelten Überforderung kommen, wenn Lerner*innen gleichzeitig mit den Produktionstechniken und dem Thema selbst überfordert sind. (vgl. Kapitel 6.4).

      Auch wenn Designprojekt primär prozessorientiert geplant werden, spielt die Frage der Nutzer*innenakzeptanz auch bei der Auswahl eines Produktionsformats für Designprojekte eine Rolle. Schließlich ermöglicht die Aussicht auf einen möglichen Nachnutzungsprozess der finalen Filme, dass eine stabile Motivationslage für den Lern- bzw. Produktionsprozess erzeugt werden kann. Hierfür müssen sich die Lerner*innen beispielsweise in ihrer Doppelrolle als Lerner*innen und Produzenten*innen mit dem Filmformat identifizieren. Das Format muss auch sicherstellen, dass die resultierenden Handlungsprodukte eine gewisse Marktreife erzielen. Aus motivationspsychologischer Sicht ist zudem sicherzustellen, dass die finalen Handlungsprodukte nachhaltig und möglichst barriere-und kostenfrei genutzt werden können (vgl. Kapitel 4). Das hängt einerseits von den Inhalten und der didaktischen Qualität der Produktionen ab, ist aber andererseits auch eine Frage des Stils, der Auswahl und Aufbereitung des visuellen Materials, der mediendidaktischen und der technischen Qualität. Die Produktionstechnik muss hier sicherstellen, dass eine Auflösung erzeugt werden kann, die gängige Endgeräte (Smartphone, TV, Laptop etc.) benötigen, um einwandfrei erkennbare Bildabfolgen zu liefern. Zentral sind dabei die Formate, die Mobilgeräte bzw. Smartphones unterstützen, da die Statistiken von Youtube zeigen, dass mehr als 70 % der gesamten Wiedergabezeit auf der Nutzung von Mobilgeräten basiert (vgl. Google 2019). Von zentraler Bedeutung ist zudem eine Tonqualität, die das Konsumieren mittels In-Ear-Hörer möglich macht. Die Lautstärke bzw. das Audio an sich muss über die verwendete Technik nachgesteuert und Schwachstellen im Audio (Versprecher, laute Atemgeräusche) müssen über die Produktionstechnik korrigiert werden können. Eine ansprechende visuelle [40] und auditive Qualität stellt sicher, dass die Videos später störungsfrei nachgenutzt werden können (vgl. Kapitel 2).

      Analysiert man die verschiedenen Produktionstechniken bzw. Formate vor dem Hintergrund der geforderten Eigenschaften eines Erklärfilms für institutionalisierte Kontexte der Aus- und Weiterbildung, scheinen vier Formatgruppen von Bedeutung: Klassisches Realvideo, Iconfilm, Formate, die mit Lege- und Schiebtechniken arbeiten, und vertonte Dia- bzw. Slideshows. Diese Formate werden im Folgenden kurz vorgestellt. Erkenntnisleitend ist die Frage, welches Format sich für Designprojekte eignet.

      Film (Bewegtbild)

      Das vermeintlich naheliegendste Format ist das klassische Video. Mit videotauglichen Endgeräten (Mobilgeräte) werden praktisch alle Lebensbereiche gefilmt, die Demontage des Akkus beim Smartphone wird genauso wie der Wechsel des Aktivkohlefilters an der Klimaanlage des eigenen Fahrzeugs oder das Lösen einer speziellen Mathematikaufgabe filmisch dokumentiert. Genau diese ubiquitär verfügbaren Low-Budget-Produktionen zu beliebigen Themen und Problemstellungen tragen dazu bei, dass wir unser Informationsbedürfnis immer effizienter und individueller befrieden können. Die veröffentlichten Werke sind dabei mediendidaktisch (struktureller Aufbau, Dialektik etc.), inhaltlich (Fachlichkeit, Logik etc.) und gestalterisch (Auflösung, Farbgebung, Schnitt etc.) von sehr unterschiedlicher Qualität. Sie verbessern sich aber insbesondere in der Kategorie mediale bzw. technische Qualität (Auflösung etc.) mit jeder neue Gerätegeneration. Der Horrorfilm „Unsane“ von Steven Soderbergh zeigt, was hier möglich ist, wurde er doch mit Mobilgeräten in 4K-Qualität aufgenommen und lässt mit Blick auf die Qualität der Bilder keine Wünsche offen (vgl. Vahabzadeh 2018).

      Bei allen Vorteilen, die das Format personalisierter On- bzw. Off-Ton-Film mit Blick auf Unterhaltungswert, Empathieeffekte und die Authentizität der Darstellung bietet, verursacht die Produktion im klassischen Filmformat im Rahmen von institutionalisierten Lehrveranstaltungen in der Schule, Hochschule oder im Unternehmen Schwierigkeiten. Zwei Problembereiche sind dabei von besonderer Bedeutung:

      1. Die Rechtsfigur: Der Produzent eines Films setzt sich durch die Vergesellschaftung von Bildinhalten besonderen rechtlichen Risiken aus. Das Medium Realfilm ist dabei mit Blick auf mögliche Rechtsverstöße, z. B. Persönlichkeitsrechten der Akteur*innen oder Markenrechte, deutlich schlechter zu kontrollieren, als andere Formate, etwas das Format Dia- oder Slideshow, bei denen lediglich [41] einzelne Bilder kontrolliert werden müssen. Der Aufwand, der für den Schnitt notwendig ist, um die Rechtsfigur adäquat zu bedienen, ist erheblich. Der Umgang mit Persönlichkeitsrechten stellt im Rahmen von formalen Settings an den Lernorten Schule, Betrieb oder Bildungsstätte eine derart komplexe Herausforderung dar, dass dem Einsatz dieses Formats in Filmprojekten mit realen Akteur*innen sehr enge Grenzen gesetzt sind. Dies gilt besonders, wenn der fertige Film über eine Social-Media-Plattform veröffentlicht werden soll.

      Gleichwohl bietet das Medium Realfilm mit Bewegtbildern interessante Perspektiven für die Visualisierung von komplexen Zusammenhängen. Es hat sich daher bewährt, Bewegtbilder zu verwenden, die bestimmte Eigenschaften haben.

      •Bewegtbilder sollten nicht direkt lokalisierbar sein. Das bedeutet, dass das Bildmaterial idealerweise keine Rückschlüsse auf den Aufnahmeort zulassen sollte, also nicht identifizierbar sein sollte, in welcher Firma bzw. Institution das Material entstanden ist.

      •Das Material sollte visuell und auditiv entpersonalisiert sein. Es handelt sich dann um Stummfilme, in denen keine Personen zu sehen sind. Das Audio (personalisierter Erklärtext) kommt als Off-Ton hinzu. Die Praxis hat gezeigt, dass es erhebliche Nachteile mit sich bringen kann, wenn Lerner*innen als Akteur*innen fungieren. So konnte gezeigt werden, dass es dann häufig weniger um den Inhalt als vielmehr um die Befriedung der Wünsche einzelner Akteur*innen geht und der Erkärfilm schnell


Скачать книгу