Taunusschuld. Osvin Nöller

Taunusschuld - Osvin Nöller


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keine Hinweise darauf, dass von außen zugegriffen wurde. Das geschah wahrscheinlich direkt am Laptop.“

      Also tatsächlich ein Einbruch. Jemand war in ihre Wohnung eingedrungen und hatte den Dreck auf dem Rechner installiert. Ihre Ohren summten. Dabei hatte der Täter anscheinend vergessen, den Computer am Ende wieder auszuschalten!

      Sie atmete tief durch und fühlte eine unglaubliche Erleichterung. „Kann ich das der Polizei zukommen lassen?“

      „Klar. Ich habe Ihnen alles auf einen Stick ausgelesen, damit die Techniker der Kripo es für ihre Ermittlungen nachvollziehen können.“ Er grinste sie an. „Jetzt lachen Sie doch mal! Sie sind aus dem Schneider!“

      ­Melanie konnte ihr Glück noch gar nicht fassen. Es hörte sich zu gut an, um wahr zu sein!

      Sie lächelte. „Ganz herzlichen Dank. Sie haben mir sehr geholfen. Was bekommen Sie von mir?“

      „Ihr Dankeschön reicht mir völlig.“ ­Philipp schien einen Moment zu überlegen. Seine Augen leuchteten. „Obwohl, vielleicht habe ich mir ja ein Abendessen verdient!“

      18. November

      ­Melanie sah auf die Nachttischuhr. 4:43 Uhr. Im Traum war sie mit ­Philipp ­Bauscher an einem Strand entlang spaziert, sie war vor ihm weggelaufen, er hatte sie eingeholt. Lachend rollten sie sich im Sand. Plötzlich hielt er sie im Arm und küsste sie. Darüber war sie aufgewacht.

      Der Gedanke an ihn schickte ihr ein ganzes Ameisenvolk über die Haut und erzeugte eine angenehme Wärme. Was war mit ihr los?

      Der Abend hatte Emotionen geweckt, die sie vor langer Zeit weggeschlossen zu haben glaubte. ­Philipp hatte herzhaft gelacht, als sie ihm gestanden hatte, nur Almdudler und Leitungswasser im Haus zu haben, weil sie vergessen hatte, andere Getränke einzukaufen. Er trank tatsächlich die Kräuterlimonade und behauptete voller Inbrunst, sie schmecke ihm. Sie unterhielten sich, als ob sie sich seit einer Ewigkeit kannten.

      Verstohlen schielte sie auf seine Hände und stellte fest, dass er keinen Ehering trug. Überrascht spürte sie in diesem Augenblick ihr heftig schlagendes Herz.

      Kurz vor Mitternacht hatten sie verabredet, sich am kommenden Freitag zum Abendessen im Restaurant Momenti Italiani im Niederstedter Weg zu treffen. Schließlich war er aufgebrochen und hatte ihr schüchtern zwei Küsse auf die Wangen gedrückt.

      Sie war doch nicht etwa verliebt? Lächelnd schlang sie die Arme um ihren Körper und schlief wieder ein.

      ***

      ­Melanie betrat gegen 9 Uhr das Silberne Bein durch den Hintereingang. Wie sie erwartet hatte, saß Siggi an einem der Tische mit einer Tasse Kaffee vor sich und las Zeitung.

      „Hallo, Mel, im Taunusblick steht nach wie vor nichts zu deiner unschönen Geschichte. Hast du mit der Gissel gesprochen?“

      Sie strich ihm im Vorbeigehen über den Kopf und lächelte ihn an. Hinter dem Tresen bereitete sie sich einen schwarzen Tee zu. „Ja, ich hab mit ihr telefoniert. Wir haben uns anschließend kurz getroffen. Sie hat mir versprochen, die Füße stillzuhalten, solange es nicht mehr gibt. Dafür musste ich versprechen, ihr die Exklusivgeschichte zu geben, wenn ich mit Pascal ­Wolter fertig bin.“ Sie setzte sich zu ihm an den Tisch.

      „Du scheinst heute supergute Laune zu haben. Du strahlst förmlich.“

      Sollte sie ihm von ­Philipp erzählen? ­Philipp, wie sich das anhörte, denn im Geist nannte sie ihn längst beim Vornamen. Schließlich berichtete sie ganz sachlich über den Besuch und die Beweise, die ­Philipp gefunden hatte.

      „Okay, hört sich gut an.“ Er trank einen Schluck. „Der scheint ja richtig Ahnung zu haben. Wie willst du jetzt vorgehen?“

      „Ich war vorhin in der Saalburgstraße und hab ­Wolrich den Stick gebracht. Außerdem habe ich die Dateien an meinen Anwalt in Hamburg geschickt, damit der sie in der Klage gegen den Arsch verwenden kann. Es gibt aber noch etwas.“ Sie nahm den Teebeutel aus der Tasse und legte ihn auf den Unterteller. „Schuldt hat angerufen. Ich solle mir keine Sorgen machen. Er habe ein paar Gespräche geführt und er sei davon überzeugt, dass es ­Wolter bald leidtäte, mich zu diskreditieren.“

      Siggi hob die Augenbrauen. „Was heißt das?“

      ­Melanie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er wollte nicht mehr rauslassen. Ich würde es bald erfahren.“

      „Da bin ich gespannt. Was hast du in deinem neuen Fall vor? Kann ich dir helfen?“

      Sie hatte erwartet, dass er sich trotz des Stresses, den ihm die Wirtschaft bereitete, für ihren Auftrag interessieren und sich einzuschalten versuchen würde. Der ehemalige Staatsanwalt in ihm schlummerte zwar die meiste Zeit, wachte allerdings sofort auf, sobald es sich bei den Delikten der Klienten ihrer Detektei um echte Straftaten handelte.

      „Noch nicht. Ich komme gern darauf zurück.“ Sie lachte. „Ich werde doch meinen Assistenten und Sparringspartner nicht vergessen. Ich fahre jetzt zur Witwe ­Jühlich und statte ihr einen Kondolenzbesuch ab.“

      Die Eingangstür öffnete sich und Katja betrat die Gastwirtschaft. Auf ihrem Haar lagen Spuren von Schnee, ihr Anorak glänzte nass. Sie stellte zwei große Einkaufstaschen auf dem Fußboden ab.

      „Was für ein Sauwetter! Draußen schneit es. Überall Matsch!“ Sie schüttelte sich und nahm die Taschen wieder, die sie hinter den Tresen trug. „Schön, dass es euch so gut geht und ihr Zeit habt, so einträchtig im Warmen zu plaudern.“

      Siggi lachte. „Alles eine Frage der Arbeitseinteilung.“

      ­Melanie erhob sich. „Ich muss ohnehin.“

      Katja kam auf sie zu und umarmte sie. „Hi Mel, schön, dich zu sehen.“ Sie stutzte. „Sag mal, du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd. Bist du verliebt?“

      ***

      ­Melanie bog mit Siggis VW Polo in die Straße Am Wingertsberg ein. Die Fahrbahn wurde steil und enger. Sie war froh, dass die Einfahrt zum Anwesen der ­Jühlichs gleich in der ersten Kurve lag. Geradeaus mündete der Weg in einen Parkplatz, rechts führte eine Abzweigung hinauf zum Haus. Der Grundbesitz glich einem Park. Unterhalb lagen zwei Teiche, die man auf einem Schotterweg umrunden konnte. Dahinter schien ein Tor in einen weiteren Teil der Anlage zu führen. Selbst bei dem tristen Wetter war der herrschaftliche Besitz beeindruckend. ­Melanies Blick folgte einer schmalen Treppe, die am Wohnhaus endete. Irgendwie passte das zartrote Gebäude schon allein von der Größe nicht zu der weitläufigen Umgebung. Die weißen Klappläden verrieten, dass es älter sein musste.

      Sie stieg die Stufen langsam nach oben. Vor ihr tauchte eine Doppelgarage auf, die gegenüber des Hauseingangs stand. Dort parkte ein Mercedes Coupé mit einem Kennzeichen aus dem Hochtaunuskreis.

      Eine Frau um die fünfzig mit einem graublonden Fransenschnitt öffnete die Tür und schaute ­Melanie skeptisch an. Ihr Hausanzug und die silbernen Slipper wirkten extravagant. Eine kurze, goldene Kette, ein mit Edelsteinen besetztes Armband, die dazu passenden Ohrringe unterstrichen den ersten Eindruck. Eine aus ­Melanies Sicht etwas zu groß geratene Uhr rundete das Erscheinungsbild ab. Die Dame verstand es, Geld auszugeben.

      „Guten Tag, mein Name ist ­Gramberg und ich möchte Frau ­Jühlich sprechen.“

      Die Stimme klang kalt. „Aha, was wollen Sie von mir?“

      „Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen. Ich war beim Überfall auf das Juweliergeschäft …anwesend und musste …miterleben, wie Ihr Mann angeschossen wurde. Deshalb war ich sehr geschockt, als ich von seinem Tod erfuhr.“ ­Melanie merkte, wie unsinnig sich dieses Gestammel anhören musste, ihr war allerdings nichts Besseres eingefallen.

      Die Gesichtszüge der Witwe entspannten sich ein wenig, ihr Ton wurde verbindlicher. „Vielen Dank, das ist wirklich sehr nett von Ihnen. Ja, es ist nicht leicht für mich, Dirks Tod zu realisieren.“ Ihr Blick wurde traurig. „Es ist aber tröstlich, dass die Polizei bereits weiß, wer ihn erschossen hat. Seien Sie mir nicht böse. Ich


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