Taunusschuld. Osvin Nöller

Taunusschuld - Osvin Nöller


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Verfügungen gegen ­Wolter sowie den BLITZ beantragen, damit die nicht mehr behaupten können, dass ich was mit dem Arsch habe.“

      Katja lächelte. „Das hört sich doch super an! Warum schaut ihr dann so miesepetrig?“

      Siggi sprach mit einem Mal leise. „Weil du noch nicht alles weißt!“

      ­Melanies Stimme klang belegt. „Auf meinem E-Mail-Account befinden sich die Mails, die der BLITZ auszugsweise veröffentlicht hat. Sie wurden von meinem Konto abgeschickt. Und ­Wolters Liebesgesülze ist ebenfalls in meinem Speicher!“

      Katja schlug sich die Hand vor den Mund. „Wie geht denn das?“

      „Keine Ahnung!“, antwortete ­Melanie und schloss die Augen. In ihrem Kopf schien sich ein Vakuum gebildet zu haben.

      ***

      Justus ­Spärlich schaute ­Melanie mit ernster Miene an. „Das hört sich nicht trivial an, Frau ­Gramberg.“

      Sie mochte den Leiter des St.-Laurentius-Hauses. Der Endvierziger verhielt sich stets freundlich und schien das Pflegeheim im Griff zu haben. Er kannte Anjas Geschichte bis ins Detail und vermittelte den Eindruck, dass ihm das Wohl ihrer Schwester am Herzen lag, wobei sie vermutete, dass das bei ihm für alle Patienten galt.

      „Ja, deshalb ist es mir so wichtig, dass sich wenigstens Anja in Sicherheit befindet. Die Polizei ist nicht in der Lage, Personenschutz zu stellen, weil keine akute Gefährdungslage vorliegt, was ich verstehen kann. Ich müsste einen privaten Sicherheitsdienst beauftragen.“

      „Lassen Sie mal“, beruhigte sie der Leiter. „In unser Haus kommt man nicht so leicht.“

      Er griff zum Telefon. „Nils, kommen Sie doch bitte in mein Büro.“ ­Spärlich wandte sich ihr wieder zu. „Den neuen Stationspfleger ­Haubner haben Sie doch schon kennengelernt, oder?“

      Sie nickte. „Er hat sich mir vorgestellt, als ich letztens meine Schwester besucht habe. Vermittelt einen guten Eindruck.“

      „Er hat einen erstklassigen Werdegang“, bestätigte der Leiter, als es klopfte und ein Mann in weißer Arbeitskleidung den Raum betrat. Sie schätzte ihn auf Anfang vierzig. Der gepflegte Haarzopf passte zu ihm.

      Er grüßte freundlich und setzte sich neben sie. ­Spärlich erläuterte ihm kurz die aktuelle Situation, ohne auf die Einzelheiten einzugehen. „Wir müssen in den kommenden Tagen noch wachsamer als sonst sein. Wir verschließen die Tür zu Ihrer Station und lassen Besucher nur nach vorheriger Kontrolle auf das Stockwerk.“

      ­Haubner verzog keine Miene. „Okay.“ Er wandte sich ­Melanie zu. „Seien Sie unbesorgt. Ich kümmere mich um Ihre Schwester.“

      Sie entspannte erst ein wenig, als sie sich auf den Weg zu Anja machte. Nun hatte sie das Gefühl, alles Notwendige veranlasst zu haben, um dem Albtraum ein Ende zu setzen. Aber war das genug? Welche Pfeile hatte ­Wolter noch im Köcher? Sie traute ihm jegliche Schlechtigkeit zu und nahm sich vor, Wolfgang Schuldt beim Landeskriminalamt in Hamburg anzurufen. Vielleicht hatte ihr früherer Chef eine Idee.

      „Guten Tag, Frau ­Gramberg.“

      Sie erschrak. In der Tür zu einem Patientenzimmer stand ein großgewachsener Mann Ende dreißig mit dunkelblonden, gewellten Haaren, der sie mit leuchtend blauen Augen anlächelte. Er trug einen dünnen Oberlippenbart und einen Kinnflaum.

      „Hallo, Herr ­Bauscher, das ist ja eine Überraschung.“ Sie gab ihm die Hand. „Was machen Sie denn hier?“

      Der Vater von Emily, einer von ­Melanies Kickboxschülerinnen, lehnte an der Wand. „Meine Mutter liegt nach einem Schlaganfall hier zur Pflege.“

      „Das tut mir leid.“ Er war ein interessanter Typ und hatte bereits einige Male versucht, mit ihr zu flirten, wenn er seine Tochter vom Training in der HTG-Sporthalle abgeholt hatte. Sie hatte sich jedoch nie darauf eingelassen.

      Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Sagen Sie, Herr ­Bauscher, Sie sind doch IT-Manager und kennen sich mit Computern aus.“

      Er runzelte die Stirn. „Ja, klar. Das ist mein Job. Warum?“

      „Ich habe da ein riesiges Problem, bei dem Sie mir vielleicht helfen könnten.“

      ***

      ­Sandro sah von seinen Unterlagen auf, als ­Martin das Büro mit einem griesgrämigen Gesicht betrat.

      „Puh, hier ist es ja nicht auszuhalten! Ihr müsstet eigentlich ohnmächtig sein.“ ­Martin eilte zum Fenster, riss beide Flügel sperrangelweit auf.

      Wenn sie nicht bald weiterkamen, würde die Stimmung endgültig kippen, befürchtete ­Sandro. Er hatte ­Martin schon lange nicht mehr so permanent übellaunig erlebt. Dieser hatte sich völlig verändert, seitdem Pränger hier aufgetaucht war.

      „Gibt es was Neues?“, erkundigte sich Martin.

      Sandro beobachtete erleichtert, dass die jungen Kollegen anscheinend unbeeindruckt blieben. Um sie herum stapelten sich die beschlagnahmten Unterlagen aus dem Juwelierbüro und der ­Dörling-Wohnung.

      Felix starrte auf den Bildschirm vor ihm. „Dörling ist wie vom Erdboden verschluckt! Nach Angaben seiner Mutter besitzt er keine Kreditkarte und seine Geldkarte wurde seit dem Überfall nicht benutzt. Außerdem herrscht auf dem Konto totale Ebbe.“

      „Vielleicht hatte er ein paar gute Nebengeschäfte am Laufen und verfügt über genügend Barmittel“, spekulierte ­Martin.

      „Laut der Mutter dürfte das nicht der Fall sein. Er bekommt Hartz IV. Angeblich war er die letzten Wochen dauerklamm und hat sie ständig um Geld angebettelt.“

      ­Sandro überlegte. „Wie sieht es mit einer Freundin oder Freunden aus? Könnte er da irgendwo untergetaucht sein?“ Er wandte sich Sarah zu. „Was hat die Handyortung und der Verbindungsnachweis erbracht?“

      „Nichts“, kam die ernüchternde Antwort. „Das Telefon lässt sich nicht orten. Es war zuletzt direkt nach dem Überfall im Bereich der Innenstadt eingewählt, seitdem ist es ausgeschaltet. Laut dem Verbindungsnachweis hat er auch vorher kaum telefoniert. Es gibt so was wie einen Freund. Den haben wir überprüft. Negativ! Er macht sich ebenfalls Sorgen. Wir sollten ihn trotzdem überwachen.“

      ­Martin ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Ich kümmere mich darum.“ Er wirkte ruhiger. „Irgendwo muss er sein und wir werden ihn finden.“

      Hoffentlich bald, dachte ­Sandro. Er schloss die Fenster, denn es war im Raum bedenklich kalt geworden.

      „Dafür kann ich euch sagen, dass das Juweliergeschäft ­Jühlich ebenfalls ziemlich mau dasteht.“ Sarah hielt einen Ordner hoch. „Ich habe mich mit den Kollegen von der Wirtschaftskriminalität zusammengesetzt. Die haben sich die Unterlagen angesehen. Nach deren Meinung hätte ­Jühlich bei der aktuellen Umsatzlage noch maximal ein halbes Jahr durchgehalten.“

      ­Martin runzelte die Stirn. „Wenn dem so ist, wie konnte er dann die Diamanten bezahlen, die im Tresor lagen?“

      Die Kollegin grinste. „Das ist die Preisfrage! Wir fanden bisher weder eine Bestellung noch eine Rechnung, auch keine Zahlung. Es sieht so aus, als ob jemand die Steine ohne jeglichen Vertrag geschickt hätte. Felix und ich wollen die beiden Angestellten fragen, ob die uns Angaben zu ­Jühlichs Lieferanten machen können.“

      ­Martin nickte. „Macht das. Passt aber auf, dass ihr ­Pränger nicht in die Quere kommt. Alle Informationen kommen zuerst auf meinen Tisch!“ Plötzlich riss er die Augen auf. „Felix, was ist mit dir?“

      Der Angesprochene saß kreidebleich vor dem Computer und stierte an die Wand. Das Display vor ihm wurde schwarz. Er sprang auf und würgte. „Mir ist kotzübel. Ich muss mal raus.“ Er presste die Hand vor den Mund und rannte aus dem Raum.

      ­Martin schaute ihm nach. „Was war das denn?“

      ­Sandro zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hat er was Falsches gegessen.“

      ***


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