Der Deutsche. Jens Jessen

Der Deutsche - Jens Jessen


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die das »freie Zehenspiel« ermöglicht, wie eine seinerzeit populäre Werbeaussage lautete.

      Das freie Zehenspiel ist geradezu der Inbegriff eines spezifisch deutschen Kalküls, das kaum sonstwo in der Welt und schon gar nicht in romanisch geprägten Kulturkreisen verstanden wird. Wie hätte die einst legendäre Schuhsammlung der philippinischen Staatspräsidentengattin Imelda Marcos zustande kommen können1, wenn sie sich am freien Zehenspiel orientiert hätte? An natürlich gegerbten Ledersandalen, weit geschnitten genug, um Platz für eine schweißabsorbierende Frotteesocke zu haben? Es sind gerade Länder der Dritten Welt, die nicht verstehen, wie der märchenhafte Wohlstand der Deutschen so versessen aufs Praktische, Bequeme oder technisch Befriedigende sein kann, unter Hintanstellung von Eleganz, Schönheit und Stolz. Warum strebt so viel Geld ins Verschrobene?

      Die Menschen ärmerer Länder blicken auf deutsche Gewohnheiten mit etwa der Verwunderung, mit der wir einen Mistkäfer seine Mistkugel rollen sehen oder einen Leoparden dabei beobachten, wie er eine Antilope, die sein eigenes Körpergewicht weit übersteigt, auf einen Baum hinaufwuchtet. Was soll die Anstrengung? Muss eine Mistkugel erst perfekt rund sein, um der Nachkommenschaft Schutz und Nahrung zu bieten? Aber wie der Deutsche hat auch der Käfer für alles seine Gründe. Die Kugelform bietet ein Maximum an Rauminhalt bei einem Minimum an Oberfläche, das muss von anderen Lebewesen, die andere Probleme zu lösen haben, nicht verstanden werden. Ebenso wenig wird der Leopard das exklusive Erfahrungswissen erläutern, das ihm sagt, eine mühsam erjagte Antilope sei nur auf dem Baum vor den Hyänen sicher, die sonst alles rauben, was sie selbst nicht erbeuten können.

      Und so ist es auch mit den deutschen Seltsamkeiten. Sie gehorchen geheimen Notwendigkeiten, und was man braucht, um sie zu verstehen, ist meistens unsichtbar, eine Gedankenkette, voraussetzungsreich und kompliziert, aber nicht weniger gebieterisch als das angeborene Verhalten der Tiere, im Grunde etwas Vergeistigtes – so sonderbar es angesichts der plump praktischen Resultate klingen mag.

      Das freie Zehenspiel beruht auf Metaphysik. Und diese, wie jede Metaphysik, beruht auf einer Reihe ererbter, nicht näher befragter Annahmen, über die Natur des Kosmos, die Bestimmung des Menschen, die innere Balance der Schöpfung – oder was weiß ich. Eine unbequeme, womöglich ungesunde Schönheit hat darin gar keinen Platz. Schönheit muss natürlich und praktisch sein. Leider hält der Deutsche oft auch den Umkehrschluss für wahr: dass Natürliches und Praktisches notwendig schön seien.

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