Die Blaue Revolution. Peter Staub

Die Blaue Revolution - Peter Staub


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für sozialen und ökologischen Fortschritt einsetzen.

      Am Schluss des Kommunistischen Manifestes aus dem Jahr 1848 heisst es: «Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.» Die Ketten beziehen sich auf ein Zitat des schweizerisch-französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau, der bereits im Jahr 1762 im «Gesellschaftsvertrag» analysierte: «Der Mensch ist frei geboren, und überall ist er in Ketten.»

      Diese Ketten will die Blaue Revolution sprengen. Aber nicht «durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung», wie das die Parteikommunisten beabsichtigten. Nicht nur, weil es im Zeitalter der Atombomben fahrlässig wäre, mit dem Feuer zu spielen. Zu viele emanzipatorische Revolutionen, die sich mit Gewalt durchsetzten, vernichteten nicht nur ihre Gegner, sondern frassen am Ende auch die eigenen Kinder.

      Deshalb ist es nicht mehr als bloss vernünftig, klar zu sagen: Die Blaue Revolution muss gewaltfrei sein, wenn sie eine gewaltfreie Gesellschaft etablieren will.

      Mit dem Erfolg der Blauen Revolution werden wir die Fahne der Französischen Revolution von halbmast ganz nach oben ziehen. Die universell gültigen allgemeinen Menschenrechte werden nicht mehr bloss für die Angehörigen einer bestimmten Nation, sondern für alle Menschen gelten: Egal, wo sie geboren wurden, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe sie haben.

      Wie kann das gelingen?

      Die Blaue Revolution wird dafür sorgen, dass die Menschheit den Nationalismus überwindet und sich in einer globalen, grenzenlosen Demokratie organisiert, die ihre Wurzeln in demokratischen Kommunen hat. Die Armut und Ausbeutung weltweit zu überwinden, gelingt nur, wenn wir einen entsprechenden politischen Rahmen bauen. Dafür braucht es den entsprechenden politischen Willen. Es ist ein Ziel von «Die Blaue Revolution» aufzuzeigen, wie dieser Willen organisiert werden kann, damit er eine Mehrheit erreicht. Dazu braucht es keine Einheitspartei. Aber es braucht Menschen, die sich in vielen verschiedenen demokratisch organisierten Gruppen und Gremien dafür einsetzen.

      Eine globale Demokratie zu erreichen, welche die Macht der bisherigen Herrscher*innen einschränkt und die Weltbevölkerung zum Souverän macht, wird nicht einfach sein. Nicht wenige, die von der bisherigen politischen und wirtschaftlichen Unordnung profitieren, werden sich gegen den politischen Wandel zu mehr Gerechtigkeit wehren. Obwohl sie praktisch uneingeschränkte Machtmittel verfügen, werden sie uns höchstens bremsen können: Nichts kann eine Idee aufhalten, deren Zeit gekommen ist.

      Die Blaue Revolution nimmt die Ideen dieser Schriftsteller auf und konkretisiert sie für die Umsetzung im 21. Jahrhundert: eine globale Demokratie in Form der Vereinigten Staaten der Welt mit einer globalen Verfassung, die auf jener der Schweizerischen Eidgenossenschaft basiert.

      Die Verfassung der Confoederatio Helvetica ist in der aktuellen Variante allerdings nicht zukunftsfähig. Die Schweiz ist auch keine Musterdemokratie. Darüber kann ich selbst ein Liedchen singen, wurde ich doch in den 1980er-Jahren vom Schweizer Staatsschutz überwacht und registriert, bloss weil ich meine verfassungsmässigen Rechte wahrgenommen hatte.

      Trotzdem hat die Verfassung der Schweiz gegenüber anderen Demokratie-Modellen einige bemerkenswerte Vorteile, sodass sie geeignet ist, um für die globale Demokratie Pate zu stehen. Dazu gehören vor allem das Rätesystem und die direktdemokratischen Instrumente.

      Das Rätesystem gilt für die Regierungen von den Gemeinden über die Kantone bis hin zum Bund. Es ist für eine demokratische Weltregierung viel praktischer als ein Präsidialsystem, wie es etwa die USA oder Frankreich kennen. In einem siebenköpfigen Weltbundesrat könnten so beispielsweise alle Weltregionen, alle Geschlechter und die relevanten Weltanschauungen angemessen vertreten sein. Und weil im Weltbundesrat wie im Schweizer Original das Präsidium jedes Jahr wechseln würde, gäbe es statt eines Personenkults immer wieder Abwechslung an der Spitze der Weltregierung.

      Mit Mitwirkungsmöglichkeiten à la mode helvétique könnte die Weltbevölkerung beispielsweise via Volksinitiativen und Volksabstimmungen über Verfassungsänderungen direkt politisch Einfluss nehmen.

      Eine demokratische Weltordnung kann aber nicht nur die Projektion eines nationalen Demokratiemodells sein, sie muss die liberale Demokratie gleichzeitig modernisieren. Deshalb schlägt «Die Blaue Revolution» ein paar ganz neue Verfassungsartikel vor.

      Zu den Grundübeln bürgerlicher, demokratischer Gesellschaften gehört beispielsweise die äusserst ungleiche Verteilung der Vermögen. Wenn das reichste Prozent der Gesellschaft gleich viel Vermögen besitzt wie die gesamte ärmere Hälfte der Gemeinschaft, kann von Gleichheit und Demokratie höchstens in Anführungszeichen gesprochen werden.

      In der Weltwirtschaft sorgen zudem die für den globalen Süden höchst unvorteilhaften Terms of Trade dafür, dass die industrialisierten Staaten den globalen Reichtum unter sich verteilen. Auch die Unart, allgemeine Güter wie Wasser und Grund und Boden als Privateigentum zu betrachten, ist bis heute für Ungleichheiten verantwortlich, welche die Demokratie ad absurdum führen.

      Deshalb nehme ich beim Entwurf für eine globale demokratische Verfassung im Anhang dieses Buches gegenüber dem schweizerischen Original ein paar wichtige Änderungen vor, die in den vorhergehenden Kapiteln von «Die Blaue Revolution» ausführlich begründet werden.

      Auf den folgenden Seiten lege ich dar, wie wir der Hoffnung auf ein besseres Leben wieder Nahrung geben können. Wie wir es noch rechtzeitig schaffen, das Ruder herumzureissen und unser gemeinsames Boot in eine neue Richtung lenken können, sodass wir gemeinsam das Ufer einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft erreichen werden.

      Weil ich weder durch Funk noch durch Fernsehen oder Film bekannt bin, erzähle ich zwischen den einzelnen Kapiteln ein wenig aus meinem Leben.

      1 «NZZ am Sonntag», Zürich, 30. September 2018

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