Einäugige Killer: 5 klassische Krimis. Cedric Balmore

Einäugige Killer: 5 klassische Krimis - Cedric Balmore


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waren Zwillinge. Schwestern. Sie müssen sich doch in- und auswendig gekannt haben!«

      »Äußere Gleichheit muß nicht innere Harmonie voraussetzen«, widersprach Corinna. »Wir haben uns nicht verstanden. Wir gingen uns aus dem Weg.«

      »Die Wohnung ist sicherlich groß genug, um das möglich zu machen«, sagte ich.

      »Sonst hätten wir es nicht zusammen ausgehalten. Wir teilten nur dieses Wohnzimmer — aber wir betraten es nur einzeln«, sagte sie. »Wenn Lala hier war, blieb ich draußen, und wenn ich mich in diesem Raum aufhielt, kam Lala nicht herein. Jede von uns hat ein paar eigene Räume, jede ein eigenes Bad.«

      »Wie groß ist der Scheck, den Sie von Ihrem Vater erhalten?« fragte ich.

      »Für jede von uns sechzehnhundert im Monat«, antwortete das Girl. »Keine Miete. Das Apartment ist auf unseren Namen eingetragen. Papa hat es uns geschenkt.«

      »Jetzt gehört es Ihnen«, stellte ich fest. »Es muß rund hunderttausend wert sein.«

      »Etwas mehr«, meinte Corinna Price. »Vielleicht ziehe ich jetzt aus. Die Wohnung ist zu groß für mich. Sie birgt Erinnerungen, die ich nicht mag. Lassen Sie uns offen miteinander sprechen. Ich weine um Lalas Schicksal, aber ich werde meine Schwester nicht vermissen. Im Gegenteil, Lalas Gegenwart war für mich zuweilen unerträglich, ein Alpdruck. Ich weine, weil ich eine Schwester hatte, die mir niemals nahestand.«

      »Sie waren mit ihr zerstritten?«

      »Wir haben kaum miteinander gesprochen, nur das Notwendigste«, sagte Corinna Price.

      »Empfing sie oft Besuch?« fragte ich. »Kannten Sie Lalas Freunde?«

      »Nein, sie verbrachte die meisten Nächte außer Haus. Sie war beständig unterwegs.«

      »War das Ihrem Vater recht?«

      »Nein, aber gegen Lalas Dickkopf kam er nicht an.«

      »Ken Price ist ein mächtiger, auf seine Sicherheit bedachter Mann«, stellte ich fest. »Wie erklärt es sich, daß er seine Töchter nicht beschützen läßt?«

      »Oh, wir haben unsere Leibwache«, meinte das Mädchen bitter. »Das ist das Schlimmste an meinem Leben — nie wirklich allein zu sein.«

      »Lala war allein, als sie der tödliche Schuß traf. Ich habe jedenfalls keinen Wächter bemerkt, der sie zu schützen versuchte.«

      »Wahrscheinlich ist sie ihm entwischt. Dafür hatte sie eine besondere Begabung.«

      »Würden Sie mir bitte erlauben, einen Blick in das Zimmer Ihrer Schwester zu werfen?«

      Corinna Price drückte ihre Zigarette in einem Ascher aus. »Nein«, sagte sie nach kurzem Nachdenken. »Papa würde mich schelten, wenn ich das zuließe. Wer und wie Lala auch gewesen sein mag — sie war meine Schwester. Es ist meine Pflicht, alles zu tun, um ihren Tod nicht zur Ursache dunkler Skandalgeschichten werden zu lassen.«

      Es war klar, was Corinna Price meinte. Sie wollte Lalas Briefe und andere persönliche Dinge aus dem Zimmer der Schwester entfernen, um der Öffentlichkeit keinen Einblick in die Intimsphäre der Ermordeten zu geben. Corinna Price wünschte, daß diese Öffentlichkeit Lala als das unschuldige Opfer eines brutalen Killers sehen sollte. Ich wußte, daß dieses Bild nur zur Hälfte stimmte und daß Corinna Price kein Recht hatte, die Tatsachen zu unterdrücken oder zu verfälschen. Ich sagte ihr das mit ein paar passenden Worten.

      Das Mädchen blieb davon unbeeindruckt. »Ich bleibe bei meinem Nein«, sagte sie.

      Ich wies mit dem Kopf auf das Telefon. »Wollen Sie nicht Ihren Vater anrufen?«

      »Später«, sagte sie. »Wenn Sie gegangen sind.«

      »Haben Sie ihn oft besucht?«

      »Zwei-, dreimal im Monat«, sagte Corinna Price. »Lala war noch häufiger bei ihm. Sie'verstand es, ihren Vorteil zu wahren.«

      »Ich werde im Haus herumfragen müssen, um mehr über Ihre Schwester zu erfahren«, sagte ich und stand auf.

      »Muß das sein?« fragte Corinna Price pikiert. Sie begleitete mich in die Diele.

      »Sie ziehen ja sowieso aus«, sagte ich obenhin. »Ich muß versuchen, die Informationen, die Sie mir vorenthalten, auf andere Weise zu bekommen.«

      »Was für Informationen?«

      »Ich weiß, daß Ihre Schwester ermordet wurde, als sie mich umbringen wollte. Ich weiß, daß sie die Tochter eines Syndikatsbosses war, und ich weiß, daß Sie sich mit ihr nicht verstanden. Das ist nicht genug. Ich muß herausfinden, wer dieser Les ist und in welchen Kreisen Ihre Schwester verkehrte. Ich muß erfahren, warum sie mich töten wollte und dabei selbst erschossen wurde.«

      »Wenn ich etwas erfahre… Ich kann Sie ja anrufen«, murmelte Corinna Price. Es klang nicht sehr überzeugend.

      »Wie kommt es, daß Lala Ihren Ausweis benutzte?«

      »Vielleicht hat sie die Tasche verwechselt. Das ist schon oft passiert.«

      »Woher hatte sie die Waffe?«

      »Ich weiß es nicht.«

      In diesem Moment hörte ich die Paukenschläge. Jedenfalls hörten sich die Geräusche so an, dumpf und laut, ein alarmierender Resonanzwirbel.

      Ich fragte nicht, woher sie kamen und was sie zu bedeuten hatten. Ich ging einfach auf die Tür zu, hinter der die Laute erzeugt wurden.

      »Bitte nicht!« rief mir das Girl scharf hinterher. »Bleiben Sie hier!«

      Corinna Price’ Aufforderung erzielte das Gegenteil des gewünschten Effektes. Meine Neugierde war geweckt. Ich riß die Tür auf. Vor mir lag ein teppichbelegter kurzer Korridor. An seinen elfenbeinfarbig tapezierten Wänden hingen kostbare alte Stiche. Ich eilte bis zum Ende des Ganges und öffnete eine weißlackierte Tür.

      Ich stoppte auf der Schwelle. Als erstes sah ich die beiden Männer. Einer lag rücklings auf dem Boden, der andere kniete auf ihm und hielt seinem Gegner mit beiden Händen den Mund zu, um ihn am Schreien zu hindern.

      Der auf seinem Rücken liegende Mann hatte sich trotzdem verständlich gemacht. Er hatte mit seinen beschuhten Füßen gegen einen Schrank getrommelt.

      Das weißgelackte Holz, die duftigen Voilegardinen, die dicken Teppiche und die betont feminin wirkende Einrichtung machten deutlich, daß dies das Schlafzimmer von Lala oder Corinna war.

      »Lassen Sie ihn los!« sagte ich scharf.

      Der kniende Mann starrte mich an. Er nahm seine Hände vom Mund seines Gegners und erhob sich. Der Mann, der unter ihm gelegen hatte, rührte sich nicht. Er lag da wie tot, mit geschlossenen Augen.

      »Wer, zum Teufel, sind Sie?« stieß der Mann hervor. Er rückte sich das Jackett und seine Krawatte zurecht. Jedenfalls schien es so, als ob das seine Absicht sei. Im nächsten Moment hatte er einen Revolver aus der Schulterhalfter gerissen. Die Geschwindigkeit, mit der er das zustande brachte, ließ auf langjährige Routine schließen.

      Ich schätzte das Alter des Mannes auf Dreißig. Er hatte ein schmales hartes Gesicht mit dunklen tiefliegenden Augen und war modisch gekleidet. Sein Haarschnitt paßte sich dieser Linie an. Er zog sich bis tief in den Nacken und glänzte durch auffallend lange Koteletten.

      »Ich bin Jesse Trevellian vom FBI«, sagte ich. »Und wer sind Sie?«

      Die dunklen Augen des Mannes wurden schmal. Unter seiner glatten Gesichtshaut spannten sich die Wangenmuskeln. Sicherlich war mein plötzliches Auftauchen für ihn eine böse Überraschung. Umgekehrt fand ich es wenig erbaulich, in den Lauf seines Revolvers starren zu müssen.

      »Ich bin der Botschafter des Satans«, höhnte er.

      »Den wollte ich schon immer mal kennenlernen«, sagte ich und streckte meine Hand aus. »Her mit der Kanone!«


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