How Not To Die. Gene Stone
die Massen an neuen Informationen zu kämpfen. Dieses Buch ist nicht nur eine weitere Möglichkeit, meine Erkenntnisse zu teilen, sondern auch eine langerwartete Gelegenheit, praktischen Rat dafür zu geben, wie sich diese lebensverändernde und lebensrettende Wissenschaft erfolgreich in unseren Alltag integrieren lässt.
Ich denke, meine Großmutter wäre stolz.
Über den Autor
Dr. Michael Greger ist Allgemeinarzt, Autor und ein international anerkannter Experte auf den Gebieten Ernährungswissenschaft, Lebensmittelsicherheit und öffentliche Gesundheit. Er betreibt die populäre Webseite NutritionFacts.org, ein gemeinnütziges, auf wissenschaftlichen Fakten beruhendes und öffentlich zugängliches Forum, in dem täglich kostenfrei die neuesten Erkenntnisse über ernährungsbezogene Fragen in Form von kurzen Videos veröffentlicht werden. Dr. Greger war bereits als Vortragender bei den National Institutes of Health zu Gast, hat als Experte vor dem US-Kongress gesprochen und war als Sachverständiger für die Verteidigung im aufsehenerregenden Prozess der Fleischindustrie gegen Oprah Winfrey in Texas geladen. Dr. Greger ist als Allgemeinarzt mit Spezialisierung in Ernährungswissenschaft zugelassen und zurzeit als Director of Public Health and Animal Agriculture bei der Tierschutzorganisation Humane Society of the United States tätig. Dr. Greger ist Absolvent der Cornell University School of Agriculture und der Tufts University School of Medicine.
Einführung
DIE HÄUFIGSTEN TODESURSACHEN VERMEIDEN,
AUFHALTEN UND UMKEHREN
Vermutlich stirbt niemand an Altersschwäche. Die Ergebnisse einer Auswertung von über zweiundvierzigtausend konsekutiven Autopsien ergab, dass über Hundertjährige in 100 Prozent aller untersuchten Fälle an Krankheiten gestorben waren. Obwohl die meisten unter ihnen sogar von ihren Ärzten bis kurz vor ihrem Tod als gesund eingeschätzt worden waren, starb keiner von ihnen an „Altersschwäche“.1 Bis vor Kurzem wurde ein sehr fortgeschrittenes Alter als eigene Krankheit angesehen,2 aber Menschen sterben nicht am Altwerden, sondern an Krankheiten, in der Regel Herzinfarkten.3
Die meisten Todesfälle in den USA sind vermeidbar und hängen damit zusammen, was wir essen.4 Unsere Ernährung ist die Hauptursache für all die frühzeitigen Tode und ebenso für Invalidität.5 Demzufolge müsste Ernährung auch das Top-Thema an den medizinischen Ausbildungsstätten sein, richtig?
Leider ist das nicht der Fall. Der aktuellsten Umfrage zufolge bietet nur ein Viertel aller medizinischen Fakultäten in den USA auch nur einen einzigen Kurs in Ernährungswissenschaft an, im Vergleich zu 37 Prozent vor noch dreißig Jahren.6 Während der Großteil der Öffentlichkeit Ärzte als „sehr glaubhafte“ Quellen für ernährungsbezogene Informationen hält,7 gaben sechs von sieben befragten Medizinabsolventen an, sie hielten Ärzte für nicht ausreichend ausgebildet, um Patienten zu Ernährungsfragen zu beraten.8 Eine weitere Untersuchung ergab, dass Passanten auf der Straße zum Teil mehr über Ernährungsgrundlagen wussten als ihre Ärzte, und schloss mit dem Fazit, dass „Ärzte mehr Kenntnisse über Ernährungsfragen als ihre Patienten haben sollten, die Ergebnisse aber nahelegen, dass dies nicht unbedingt der Fall ist.“9
Um diese Situation zu verbessern, wurde in Kalifornien ein Gesetzentwurf eingereicht, um Ärzte in den folgenden vier Jahren zum Absolvieren von mindestens zwölf Weiterbildungsstunden im Bereich Ernährung zu verpflichten. Es wird Sie überraschen zu lesen, dass sich die California Medical Association so wie auch andere traditionelle medizinische Verbände wie die California Academy of Family Physicians vehement gegen diesen Entwurf aussprachen.10
Der Gesetzesentwurf wurde im Verlauf von über vier Jahren von einer verpflichtenden Mindeststundenzahl von zwölf auf sieben Stunden abgeändert und schließlich, könnte man sagen, bis auf null herunter„gedoktert“.
Die kalifornische Ärztekammer besteht allerdings auf einem Pflichtkurs: zwölf Stunden Schmerztherapie und Sterbebegleitung für Todkranke.11 Dieser eklatante Gegensatz zwischen der Prävention und einem bloßen Abmildern des Leidens könnte als Metapher für die moderne Medizin dienen. Ein Doktor am Tag scheint die Äpfel fernzuhalten.
Im Jahr 1903 prophezeite Thomas Edison, dass „der Arzt der Zukunft keine Medikamente mehr verschreibt, sondern seine Patienten über die richtige Fürsorge für den menschlichen Körper in Sachen Ernährung und der Vorbeugung von Krankheiten aufklärt.“12 Leider reicht es schon aus, wenige Minuten die Medikamentenwerbung im TV anzuschauen, die die Zuschauer auffordert, „ihren Arzt oder Apotheker“ nach bestimmten Mitteln zu fragen, um festzustellen, dass Edisons Prophezeiung nicht wahr geworden ist. Eine Untersuchung Tausender Besuche von Patienten bei ihren Ärzten fand heraus, dass die durchschnittliche Zeit, die Hausärzte über Ernährung sprechen, bei etwa 10 Sekunden liegt.13
Was soll’s, das ist das einundzwanzigste Jahrhundert! Können wir nicht essen, was immer wir wollen, und einfach Medikamente nehmen, wenn wir gesundheitliche Probleme bekommen? Bei zu vielen Patienten und sogar meinen Berufskollegen scheint dies die vorherrschende Denkweise zu sein. Die globalen Ausgaben für verschriebene Medikamente überschreiten jährlich 1 Trillion US-Dollar, wobei die USA allein ein ganzes Drittel dieses Marktes ausmachen.14
Warum geben wir so viel für Tabletten aus? Viele Menschen glauben, dass die Art unseres Todes genetisch vorprogrammiert ist. Bluthochdruck mit fünfundfünfzig, Herzinfarkte mit sechzig, vielleicht Krebs mit siebzig, usw. usf. … Was die häufigsten Todesursachen anbelangt, hat die Wissenschaft aber nachgewiesen, dass unsere Gene dabei lediglich ein Risiko von höchstens 10 bis 20 Prozent darstellen. 15 So werden Sie in diesem Buch u. a. lesen, dass die Todesraten für z. B. Herzerkrankungen und häufige Krebsarten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen der ganzen Welt bis zu hundertfach voneinander abweichen. Wenn aber Menschen aus einem risikoarmen in ein risikohohes Land ziehen, passen sich auch die Todesraten denen der neuen Umgebung an.16 Neue Ernährung, neue Krankheiten. Während ein sechzigjähriger Amerikaner in San Francisco mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 5 Prozent in den nächsten fünf Jahren einen Herzinfarkt erleiden wird, würde dieses Risiko, wenn er nach Japan zöge und so wie die Japaner lebte und äße, auf nur 1 Prozent sinken. Japanischstämmige Amerikaner ab vierzig allerdings haben dasselbe Herzinfarktrisiko wie Japaner ab sechzig. Der Wechsel zur amerikanischen Lebensweise hat ihre Herzen ganze zwanzig Jahre altern lassen.17
Die Mayo Clinic schätzt, dass fast 70 Prozent aller US-Amerikaner mindestens ein verschriebenes Medikament nehmen.18 Trotz der Tatsache, dass mehr Menschen in diesem Land Medikamente einnehmen als die, die es nicht tun, ganz zu schweigen vom ständigen Zustrom an immer neuen und immer teureren Medikamenten auf dem Markt, leben wir nicht länger als andere. Was die Lebenserwartung angeht, rangieren die USA auf Platz sieben- oder achtundzwanzig unter den vierunddreißig Spitzenplätzen der Demokratien mit freier Marktwirtschaft. Menschen in Slowenien leben länger als wir.19 Und die Extrajahre, die wir leben, sind nicht unbedingt gesund oder vital. Im Jahr 2011 wurde eine verstörende Analyse der Sterblichkeit und Morbidität im Journal of Gerontology veröffentlicht. Leben die US-Amerikaner länger als noch vor einer Generation? Theoretisch ja. Aber sind diese Extrajahre auch zwangsläufig gesund verlebte? Nein. Und es kommt noch schlimmer. Wir verleben weniger gesunde Jahre als früher.20
Zur Erklärung: Ein Zwanzigjähriger konnte 1998 noch achtundfünfzig weitere Lebensjahre erwarten, während ein Zwanzigjähriger im Jahr 2006 bereits eine Lebenserwartung von weiteren neunundfünfzig Jahren hatte. Doch würde der Zwanzigjährige aus den 90er-Jahren vermutlich nur zehn von diesen Jahren mit einer chronischen Erkrankung verbringen, während der andere mittlerweile schon mit etwa dreizehn Jahren rechnen müsste. Es gleicht einem Schritt vorwärts und dreien zurück. Die Forscher fanden auch heraus, dass wir weniger funktionale Jahre verleben, d. h. dass wir im Schnitt zwei Jahre unseres gesamten Lebens nicht länger einfache Aktivitäten ausführen können, wie etwa 400 Meter laufen, zwei Stunden lang stehen oder sitzen ohne uns hinzulegen oder ohne