How Not To Die. Gene Stone

How Not To Die - Gene  Stone


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derart steigenden Erkrankungsraten könnten unsere Kinder sogar wieder früher sterben.

      Ein spezieller Bericht, der im New England Journal of Medicine mit dem Titel „A Potential Decline in Life Expectancy in the United States in the 21st Century“ („Ein potenzieller Rückgang der Lebenserwartung in den USA im 21. Jahrhundert“) veröffentlicht wurde, zog die Schlussfolgerung, dass „der ständige Anstieg der Lebenserwartung, der in der modernen Zeit beobachtet wurde, schnell zu einem Ende kommen könnte, und die heutige Jugend im Durchschnitt ein ungesünderes und sogar kürzeres Leben führen könnte als ihre Eltern.“22

      An den gesundheitswissenschaftlichen Bildungseinrichtungen lernen die Studenten, dass es bei der Präventivmedizin drei Stufen gibt. Die erste ist die Primärprävention, die z. B. versucht, Patienten mit Herzinfarktrisiko davor zu bewahren, einen solchen zu erleiden. Ein praktisches Beispiel dafür wäre, dass Ihr Arzt Ihnen ein Statinmedikament gegen hohes Cholesterin verschreibt. Die Sekundärprävention kommt ins Spiel, wenn Sie die Erkrankung bereits haben und versuchen, deren Fortschreiten aufzuhalten, um z. B. keinen zweiten Herzinfarkt zu erleiden. Zu diesem Zweck könnte Ihr Arzt Ihnen zusätzlich zu dem Statin Aspirin oder andere Medikamente verschreiben. Die dritte Stufe der Präventivmedizin legt den Fokus darauf, den Menschen mit der Bewältigung langfristiger Gesundheitsprobleme zu helfen. Ihr Arzt könnte Ihnen dafür ein kardiales Rehabilitationsprogramm verschreiben, das den weiteren körperlichen Abbau und zusätzliche Schmerzen vermeiden helfen soll.23 Im Jahr 2000 wurde eine vierte Stufe vorgeschlagen. Was könnte wohl die Aufgabe dieser „Quartärprävention“ sein? Die Nebenwirkungen und negativen Begleiterscheinungen all der Medikamente und Operationen der ersten drei Stufen abzumildern.24 Die Leute scheinen aber ein fünftes Konzept namens primordiale Prävention zu vergessen, das bereits 1978 von der Weltgesundheitsorganisation eingeführt wurde. Jahrzehnte später steht nun endlich auch die American Heart Association dahinter.25

      Die primordiale Prävention wurde als Strategie dafür entwickelt, ganze Gesellschaften vor den Epidemien zunehmender Risikofaktoren chronischer Volkskrankheiten zu bewahren. Dies beinhaltet nicht nur das Verhindern chronischer Erkrankungen selbst, sondern auch das Beseitigen der Risikofaktoren, die diese chronischen Krankheiten erst auslösen.26 Warum sollte man bspw., anstatt jemanden mit einem hohen Cholesterinspiegel vor dem Erleiden eines Herzinfarkts zu bewahren, diese Person zuallererst nicht dabei unterstützen, gar nicht erst so einen hohen Cholesterinspiegel (der zum Herzinfarkt führt) zu erreichen?

      Mit diesem Gedanken im Hinterkopf entwickelte die American Heart Association (AHA) die „Einfachen 7“-Empfehlungen, die zu einem gesünderen Leben führen: nicht rauchen, keine Fettleibigkeit, „sehr aktiv“ sein (d. h. z. B. mindestens 22 Minuten am Tag laufen), gesünder essen (z. B. viel Obst und Gemüse), ein Cholesterinspiegel unter dem Durchschnitt, normaler Blutdruck und normale Blutzuckerwerte.27 Das Ziel der AHA ist es, die durch Herzkrankheiten verursachten Tode bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu senken.28 Wenn sich mehr als 90 Prozent aller Herzinfarkte durch eine veränderte Lebensweise verhindern lassen,29 warum ist das Ziel dann so niedrig gesteckt? Sogar 25 Prozent wurden als „unrealistisch erachtet“.30 Der Pessimismus der AHA mag mit der beängstigenden Realität der durchschnittlichen US-amerikanischen bzw. westlichen Ernährungsweise zusammenhängen.

      In der Fachzeitschrift der AHA wurde eine Analyse des Gesundheitsverhaltens von fünfunddreißigtausend Erwachsenen aus den gesamten USA veröffentlicht. Die meisten der Teilnehmer rauchten nicht, ungefähr die Hälfte erreichte ihre wöchentlich gesteckten Trainingsziele, und etwa ein Drittel erfüllte einen der weiteren Punkte – außer bei der Ernährung. Die Ernährungsweisen der Teilnehmer wurden auf einer Skala von null bis fünf eingeordnet, um herauszufinden, ob sie das Minimum eines gesunden Essverhaltens erfüllten und z. B. die empfohlenen Mengen an Obst, Gemüse und Vollkornprodukten verzehrten oder pro Woche weniger als drei Dosen Erfrischungsgetränke tranken. Wie viele der Probanden erreichten wohl vier von fünf Punkten auf der Skala? Etwa 1 Prozent.31 Sollte die AHA bis zum Jahr 2020 ihr Ziel von „ambitionierten“32 20 Prozent Verbesserung erreichen, schaffen wir es vielleicht bis auf 1,2 Prozent.

      Medizinische Anthropologen haben verschiedene Epochen menschlicher Krankheiten bestimmt, beginnend mit der Epoche von Pest und Hungersnöten, die weitgehend mit der industriellen Revolution endete, oder die Epoche, in der wir uns jetzt befinden, das Zeitalter degenerativer und von den Menschen selbst verursachter Krankheiten.33 Dieser Wandel wird durch die veränderten Todesursachen im Laufe des letzten Jahrhunderts widergespiegelt. Im Jahr 1900 waren die drei häufigsten Todesursachen in den USA Infektionskrankheiten: Lungenentzündung, Tuberkulose und Durchfallerkrankungen.34 Heute sterben wir größtenteils an Krankheiten, die durch unsere Lebensweise hervorgerufen werden: Herzerkrankungen, Krebs und chronische Lungenerkrankungen.35 Liegt das vielleicht nur daran, dass wir dank Antibiotika jetzt lang genug leben, um chronische Krankheiten zu bekommen? Nein. Das Aufkommen dieser Epidemien chronischer Krankheiten ging mit einem dramatischen Wechsel unserer Ernährungsgewohnheiten einher. Das lässt sich am besten anhand der Erkrankungsraten von Menschen in Entwicklungsländern veranschaulichen, die schnell eine westliche Ernährungsweise übernommen haben.

      Noch im Jahr 1990 fielen weltweit die meisten gesunden Lebensjahre der Mangelernährung zum Opfer, z. B. durch Durchfallerkrankungen bei mangelernährten Kindern. Heute aber werden die größte Menge tödlich verlaufender Erkrankungen mit Bluthochdruck in Verbindung gebracht, der durch Überernährung entsteht.36 Die Pandemie chronischer Krankheiten wird zum Teil einem fast universellen Wechsel zu einer Ernährung zugeschrieben, die von tierischen Produkten und industriell weiterverarbeiteten Lebensmitteln dominiert wird, sprich mehr Fleisch, mehr Milchprodukten, mehr Eiern, Ölen, Erfrischungsgetränken, Zucker und raffiniertem Getreide.37 China ist vermutlich das am besten erforschte Beispiel. Der Wechsel von der traditionellen pflanzenbasierten Ernährungsweise hin zum westlichen Modell wurde von einem deutlichen Anstieg ernährungsbedingter chronischer Krankheiten begleitet, wie bspw. Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.38

      Warum glauben wir, dass eine veränderte Ernährung mit Krankheiten zusammenhängt? Schließlich sind sich schnell entwickelnde Gesellschaften einer Vielzahl von Veränderungen unterworfen. Wie können Wissenschaftler nur die Wirkung bestimmter Lebensmittel ermitteln? Um den Effekt verschiedener Ernährungskomponenten zu isolieren, können Wissenschaftler über einen gewissen Zeitraum hinweg die Ernährung und die Krankheiten großer Probandengruppen überwachen, die aus festgelegten Einzelpersonen bestehen. Nehmen wir z. B. Fleisch. Um festzustellen, welchen Einfluss ein erhöhter Fleischkonsum auf die Erkrankungsraten hat, haben Wissenschaftler frühere Vegetarier untersucht. Bei Menschen, die sich früher vegetarisch ernährten, dann aber begannen, mindestens einmal pro Woche Fleisch zu essen, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts um 146 Prozent, die eines Schlaganfalls um 152 Prozent, die von Diabetes um 166 Prozent und die von Übergewicht um 231 Prozent. 12 Jahre nach dem Wechsel von einer vegetarischen zu einer omnivoren Ernährungsweise wird das Essen von Fleisch mit einer um 3,6 Jahre verringerten Lebenserwartung in Verbindung gebracht.39

      Sogar Vegetarier können an hohen Erkrankungsraten leiden, wenn sie viele industriell verarbeitete Produkte essen. Nehmen wir z. B. Indien. Die Erkrankungsraten für Diabetes, Herzkrankheiten, Fettleibigkeit und Schlaganfälle sind schneller gestiegen als aufgrund des nur wenig gestiegenen Fleischkonsums pro Kopf zu erwarten war. Dies wurde auf das Sinken des „Anteils vollwertiger Lebensmittel bei der Ernährung“ zurückgeführt, was u. a. den Wechsel von braunem zu raffiniertem weißem Reis und den erhöhten Verzehr anderer raffinierter Kohlenhydrate, abgepackter Snacks und Fast Food anstelle der traditionell in Indien verzehrten Grundnahrungsmittel Linsen, Obst, Gemüse, Vollkorn, Nüsse und Samen zugeschrieben wurde.40 Generell liegt die Trennlinie zwischen gesundheitsförderlichen und gesundheitsschädlichen Lebensmitteln weniger zwischen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln sondern eher zwischen vollwertigen Lebensmitteln und dem gesamten Rest.

      Zu diesem Zweck wurde ein Ernährungsqualitätsindex entwickelt, der einfach auf einer Skala von eins bis hundert den Kalorienanteil prozentual widerspiegelt, den nährstoffreiche, unverarbeitete Lebensmitteln41 bei der menschlichen Ernährung ausmachen. Je höher der Wert ist,


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