How Not To Die. Gene Stone
haben, das buchstäblich Fett in die mitochondrischen Verbrennungsöfen ihrer Zellen schaufelt.77 Wenn es um Fleisch geht, scheint Kalorie also nicht gleich Kalorie zu sein. Eine gewaltige Untersuchung mit einem gewaltigen Namen, die European Prospective Investigation into Cancer-Physical Activity, Nutrition, Alcohol, Cessation of Smoking, Eating Out of Home, and Obesity, kurz auch als EPIC-PANACEA bekannt, bestand aus Hunderttausenden Männern und Frauen, die über mehrere Jahre hinweg begleitet wurden. Dies ist die größte Untersuchung, die je zu Fleischverzehr und Körpergewicht durchgeführt wurde. Dabei wurde herausgefunden, dass der Verzehr von Fleisch sogar nach der Bereinigung um Kalorien mit einer deutlichen Gewichtszunahme in Zusammenhang steht. Das heißt, dass bspw. von zwei Personen mit derselben Kalorienaufnahme diejenige, die mehr Fleisch isst, durchschnittlich deutlich mehr zunehmen würde.78
DIABETES UMKEHREN
Mit Medikamenten und Operationen?
Wie bereits besprochen haben Menschen mit Typ-2-Diabetes ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten, einen frühzeitigen Tod zu erleiden, Erblindung, Nierenversagen, Amputationen, Knochenbrüche sowie Depressionen und Demenz. Je höher der Blutzuckerspiegel dieser Menschen ist, umso wahrscheinlicher sind Herzinfarkte und Schlaganfälle, umso kürzer ist ihre Lebenserwartung, und umso höher ist das Risiko weiterer Komplikationen. Um zu untersuchen, ob diese Folgen sich vermeiden lassen, wurde eine Studie mit zehntausend Diabetikern durchgeführt, die in zwei randomisierte Gruppen aufgeteilt wurden: die Standardtherapie-Gruppe, bei der das Ziel nur darin bestand, den Blutzuckerspiegel zu senken, und eine Gruppe, bei der der Blutzuckerspiegel intensiv gesenkt wurde und die Probanden gleichzeitig bis zu fünf verschiedene Arten von oral verabreichten Medikamenten bekamen, mit oder ohne Insulininjektionen. Das Ziel bestand nicht nur darin, wie bei der Standardtherapie den Blutzuckerspiegel zu senken, sondern ihn langfristig in einen normalen Bereich zu bringen.79 Da es sich bei Typ-2-Diabetes um eine Insulinresistenz handelt, ist ein hoher Blutzuckerwert nur ein Symptom der Krankheit, nicht aber die Krankheit selbst. Auch durch das künstliche Senken des Blutzuckers mit sprichwörtlich allen Mitteln wird daher nicht die Ursache behandelt – genau wie blutdrucksenkende Medikamente ebenfalls nicht die Ursache des Problems beseitigen. Durch das Verringern einer der Auswirkungen der Krankheit aber erhofften sich die Wissenschaftler, einige ihrer verheerenden Folgekomplikationen verhindern zu können.
Die Ergebnisse dieser Studie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden, lösten in der medizinischen Fachwelt eine Schockwelle aus. Die intensive blutzuckersenkende Therapie erhöhte die Sterblichkeit der Probanden sogar und führte dazu, dass die Wissenschaftler die Studie aus Sicherheitsgründen frühzeitig abbrechen mussten.80 Die Kombination der Medikamente schien gefährlicher zu sein als die hohen Blutzuckerwerte, die damit unter Kontrolle gebracht werden sollten.81 Die Behandlung mit Insulin kann zudem das Altern beschleunigen, den diabetischen Sehkraftverlust verschärfen und Krebs, Fettleibigkeit und Atherosklerose fördern.82 Insulin kann Entzündungen in den Arterien auslösen, was die erhöhte Todesrate unter den Probanden der intensiv behandelten Gruppe erklären könnte.83 Anstatt einer Insulinresistenz also mit brachialer Gewalt beikommen zu wollen und immer mehr Insulin in den Körper zu pumpen, ist es nicht einfach besser, die Krankheit zu behandeln, indem die ungesunde Ernährungsweise gestoppt wird, die sie erst verursacht hat? Diese Brachialmethode lässt mich an die Menschen denken, die sich wegen verstopfter Arterien einer Bypass-Operation unterziehen. Wenn sie sich trotzdem weiter ungesund ernähren, wird irgendwann auch der Bypass verstopft sein. Es ist immer besser, die Ursachen und nicht nur die Symptome zu behandeln.
Wie sieht es mit Operationen bei Diabetes aus? Eine Magen-Bypass-Operation, die den Magen tatsächlich um 90 Prozent oder mehr verkleinert, ist eine der erfolgreichsten Behandlungsmethoden bei Typ-2-Diabetes, mit bestätigten Langzeit-Remissionsraten von bis zu 83 Prozent. Diese Ergebnisse haben zu der Annahme geführt, dass Magen-Bypass-Operationen Diabetes lindern, indem sie in irgendeiner Weise die Verdauungshormone beeinflussen. Diese Interpretation ignoriert allerdings die Tatsache, dass die Patienten bis zu zwei Wochen nach der Operation eine strengstens eingeschränkte Diät befolgen, um sich von der Operation zu erholen. Eine extreme Kalorienbegrenzung kann dazu führen, dass sich Diabetes zurückentwickelt. Ist der Erfolg der Operation nun der Operation selbst oder der darauffolgenden Diät zuzuschreiben?
Und wieder erstellten Wissenschaftler ein neues Untersuchungsdesign, um diese Frage zu beantworten.84 Sie verglichen Diabetiker, die dieselbe postoperative Diät befolgten, vor und nach dem Eingriff. Überraschenderweise fanden sie heraus, dass die Diät allein wesentlich besser wirkte als die Operation, und zwar sogar bei derselben Patientengruppe. Die Blutzuckerkontrolle bei den Patienten ohne Eingriff war besser. Das bedeutet, dass die Vorteile eines großen chirurgischen Eingriffs auch dann erzielt werden können, wenn Sie sich gar nicht erst unters Messer legen und Ihre inneren Organe neu arrangiert bekommen.85
Unterm Strich heißt das, dass sich die Blutzuckerwerte innerhalb von einer Woche bei einer Aufnahme von nur sechshundert Kalorien am Tag normalisieren können, da dadurch Fett aus den Muskeln, der Leber und der Bauchspeicheldrüse gezogen wird und diese dadurch wieder normal funktionieren können.86
Diese Heilung von Diabetes kann entweder freiwillig durch Einschränkungen87 oder unfreiwillig geschehen, indem der Großteil des Magens entfernt wird, was einer erzwungenen Begrenzung der Essenszufuhr gleichkommt. Eine Operation mag einfacher sein als zu hungern, birgt aber auch hohe Risiken, die sowohl während als auch nach dem Eingriff auftreten können. Dazu zählen innere Blutungen, die Entstehung von Lecks, Infektionen, Erosionen, Hernienbildung und eine ernst zu nehmende Mangelernährung.88
Operation oder Hungern? Es muss einen besseren Weg geben, und den gibt es tatsächlich. Statt die Quantität Ihres Essens einzuschränken, ist es möglich, Diabetes durch die Verbesserung der Qualität Ihres Essens rückgängig zu machen.
Führt der Verzehr fettleibiger Tiere zu Fettleibigkeit?
Die EPIC-PANACEA-Studie, die herausfand, dass Fleischkonsum sogar unabhängig von der Kalorienaufnahme mit einer Gewichtszunahme in Zusammenhang steht, identifizierte Geflügelfleisch als das potenziell am stärksten fett machende Fleisch,89 ein Ergebnis, das von einer weiteren Untersuchung bestätigt wird. Männer und Frauen, die täglich etwa nur knapp 30 Gramm Hühnerfleisch essen (etwa 2 Chicken Nuggets), hatten in einer vierzehnjährigen Nachbeobachtungszeit eine deutlich höhere BMI-Steigerung als solche Personen, die gar kein Hühnerfleisch verzehrten.90 Wahrscheinlich sollte uns diese Nachricht nicht überraschen, wenn wir daran denken, wie fett Hühner dank genetischer Manipulation heutzutage werden können.
Gemäß dem US-Landwirtschaftsministerium enthielt eine Portion Hühnerfleisch vor etwa einhundert Jahren vermutlich nur sechzehn Fettkalorien. Heutzutage kann diese Portion über zweihundert Fettkalorien enthalten. Der Fettanteil in Geflügel hat sich innerhalb eines Jahrhunderts von weniger als zwei Gramm pro Portion damals auf sagenhafte dreiundzwanzig Gramm pro Portion heute erhöht. Das ist zehnmal so viel Fett. Hühnerfleisch enthält mittlerweile zwei- bis dreimal so viele Kalorien aus Fett wie aus Eiweiß. Das wiederum lässt bei Wissenschaftlern folgende Frage aufkommen: „Führt der Verzehr fettleibiger Tiere zu Fettleibigkeit beim Konsumenten?“91 Mittlerweile verweist sogar die Rinderindustrie stolz darauf, dass sogar Hühnchen ohne Haut mehr Fett und vor allem mehr arterienverstopfende gesättigte Fette enthalten als ein Dutzend verschiedene Rindersteakschnitte.92
Diabetes mit Essen umkehren
Wir wissen seit der Belagerung von Paris 1870, dass sich Typ-2-Diabetes durch eine extreme Reduzierung der Nahrungsaufnahme umkehren lässt. Pariser Ärzte dokumentierten, wie Glukose aus dem Urin ihrer Patienten verschwand, nachdem diese wochenlang hungerten.93 Diabetesspezialisten wissen seit Langem, dass Patienten mit einem eisernen Willen, die in der Lage sind, bis zu einem Fünftel ihres Körpergewichts zu verlieren, ihre Diabetes rückgängig machen und ihre Stoffwechselfunktion wieder normalisieren können.94
Was aber würde passieren, wenn Diabetiker, anstatt zu hungern, indem sie kaum noch etwas essen, besser essen würden,