Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller
Bildung, gleichgültig, um welche inhaltlichen Schwerpunkte oder Ziele es sich im Einzelnen handelt, sich generell an folgenden Kriterien auszurichten, die im Ansatz auch den kurz skizzierten ausgewählten zeitgemäßen Bildungskonzepten zugrunde lagen:
Ganzheitliches und integriertes Konzept
Der ganzheitliche und integrierte Ansatz ist in einem doppelten Sinn erforderlich: inhaltlich und methodisch-didaktisch. Inhaltlich bedeutet dies, folgende Dimensionen in ausgewogener Weise zu berücksichtigen:
■ Zukunftskonzepte und Strategien des Unternehmens;
■ die betroffenen Personen(gruppen) in ihren konkreten Situationen, ihren Befindlichkeiten, Bedürfnissen und Qualifikationen;
■ die Geschäftsprozesse und die dazu notwendigen Strukturen, unter Berücksichtigung der neuen Möglichkeiten der Informatik und Telekommunikation, die Unternehmenskultur, speziell die ungeschriebenen Spielregeln, die einen wesentlichen Teil des traditionellen Selbstverständnisses, wie man sich in dem jeweiligen Unternehmen (nicht) zu verhalten hat, ausmachen und die gegebenenfalls schnellen Entwicklungen, die der aktuellen Kultur nicht entsprechen, nachhaltig im Weg stehen können.
Was die Pädagogik, Methoden und Didaktik betrifft, reicht es nicht aus, beim Teilnehmer einzelne Aspekte isoliert zu fokussieren. Gefragt ist, sowohl bei der Konzeption als auch in der Durchführung verschiedene Dimensionen immer gleichzeitig im Blick zu haben, sie in ausgewogener Form zu berücksichtigen, – d.h. weder zu gering, noch zu stark – und dabei zu bedenken, dass sich alle diese Dimensionen gegenseitig beeinflussen:
■ Mentale Einstellung (Jede Veränderung beginnt im Kopf! )
■ Wissen
■ Fertigkeiten
■ Emotionale Befindlichkeiten
■ Unterstützende und hindernde Faktoren im direkten Arbeitsumfeld
Im Kern geht es immer darum, zunächst einmal gemeinsam mit den Betroffenen ihre erlebte Ausgangsituation in allen diesen Dimensionen herauszuarbeiten, um auf der Basis der daraus gewonnenen Erkenntnisse maßgeschneiderte Konzepte zu entwickeln.
Betroffene zu Beteiligten machen – Selbstverantwortung, Selbstverpflichtung und Ownership der Teilnehmer
Der Teilnehmer trainiert, so wie der Schüler lernt oder jemand sich ändert. Trainer, Lehrer und sonstige an der Erziehung oder Entwicklung Beteiligte können zwar Rahmenbedingungen schaffen, aber das eigentliche Geschehen liegt in den Händen der Betroffenen selbst. Gerade Bildungs- und Trainingsmaßnahmen könnten einerseits Dozenten und Trainer verführen, zum Zwecke der Eigenprofilierung eine zu dominante Rolle zu spielen und die Teilnehmer dadurch zu folgsamen Adressaten von Belehrungen und Übungen zu machen – und könnten andererseits Teilnehmer verlocken, eine derartige verantwortungsfreie Entmündigung, wie im Kino oder im Krankenbett, auch noch zu genießen. Und genau diese Rollenaufteilung wäre die sichere Garantie dafür, dass das nicht erreicht werden kann, was eigentlich das Hauptanliegen solcher Maßnahmen ist: der mündige Mensch, der die Verantwortung für sich und die Umstände, in denen er sich bewegen muss, ohne Einschränkung übernimmt – und der bei allem, was er tut, an sich und an sein Handeln glaubt.
Die Menschen dort abholen, wo sie sind
Menschen sind unterschiedlich und haben deshalb folgerichtig unterschiedliche individuelle Ausgangspunkte, was ihre Erwartungen, Ziele, Fertigkeiten, Einstellungen und Befindlichkeiten betrifft. Wer maßgeschneidert trainieren will, muss diese Verschiedenheit der Ausgangspunkte in seinem Konzept ernst nehmen. Er muss sozusagen die Menschen erst einmal bei ihrer Unterschiedlichkeit abholen, muss verstehen, was sie bewegt auch im Hinblick auf ihre unbewussten Erfahrungen und verdrängten Energien. Nur so wird er entscheiden können, welche Aspekte als Antrieb genutzt werden können und was zu verlernen ist, um Boden für Neues zu bereiten.
Ausgeprägter Praxis-Bezug
Eine Bildungs- oder Trainingsmaßnahme ist ein ganz spezielles, zeitlich begrenztes Geschehen mit ganz speziellen Voraussetzungen, das nicht dem entspricht, womit es der Teilnehmer in seinem normalen Arbeitsalltag zu tun hat. Insofern bezeichnen und erleben Teilnehmer solche Situationen immer auch als theoretisch und nicht real. Der Teilnehmer soll aber Dinge verstehen lernen und einüben, die sich im Endeffekt in seiner realen Lebens- und Arbeitspraxis auswirken. Dadurch existiert in jeder Maßnahme zur (Weiter-)Bildung oder Training das so genannte Transferproblem: Wie kann es gelingen, das im Training Gelernte in die reale Praxis zu übertragen? Um dieses Problem von vornherein nicht zu groß werden zu lassen, hat es sich bewährt, relevante Situationen aus der Arbeitssituation in das Training hineinzuholen (Wo fehlt was oder/und wo und warum klemmt es tatsächlich? Worin bestehen die neuen Herausforderungen? Inwieweit sind die Probleme eine Sache fehlenden Wissens, fehlenden Verstehens, zu geringer Akzeptanz, mangelnden Könnens, zu dürftiger Unterstützung im direkten Arbeitsumfeld?), um diese Fragestellungen dann so praxisnah wie möglich zu bearbeiten. Sonst besteht die Gefahr, dass zwar theoretisch gelernt, das Gelernte aber nicht in die Realität umgesetzt wird.
Prinzip des eingebauten Transfers in die Praxis
Es geht darum, die Verantwortung dafür zu übernehmen, nicht nur die eigene persönliche Kompetenz auszubauen, sondern das Umfeld auf die damit verbundene Veränderung einzustellen und dafür zu erschließen. Es nützt nichts, einen Schlüssel zu verändern, ohne gleichzeitig auch das Schloss entsprechend anzupassen. Denn nicht jede neue Kompetenz wird ohne Weiteres vom Umfeld freudig begrüßt. Je nach Lage der Dinge kann dadurch so manches bisherige (faule) Arrangement kräftig durcheinandergebracht werden. Deshalb ist es klug, von Anfang an die Umsetzung mit zu bedenken, z.B. anhand folgender Fragen:
■ Wie könnte die neue Kompetenz von anderen erlebt werden, welche Reaktionen sind zu erwarten und wie stelle ich mich selbst und die anderen darauf ein?
■ Wie passt die neue Kompetenz in das bestehende Kräftefeld der Interessen der Menschen, die mein Umfeld bilden? Welche Verschiebungen könnte sie mit sich bringen? Welche Widerstände sind zu erwarten?
■ Welche Verlockungen könnte ich mir selbst und könnten andere mir bieten, das Neue in der Praxis nicht anzuwenden?
An der Umsetzung orientiert qualifizieren
Insgesamt sollten alle Beteiligten auf ihre Weise dazu beitragen, dass die Bildungs- und Entwicklungsprogramme nicht reduziert werden auf Maßnahmen zur Verbesserung der persönlichen Kompetenz im engeren Sinn, sondern dass immer auch der Kontext mitbedacht wird, innerhalb dessen die neu erworbene Kompetenz angewandt werden soll – und somit auch immer mitbedacht wird, wie diese Kompetenz umgesetzt werden kann.
Nur wenn persönliche Entwicklungsmaßnahmen mit Aspekten der Organisationsentwicklung beziehungsweise des Change Managements verknüpft werden, besteht die Chance, eine breitere Qualifikation zu ermöglichen. Ziel: Die Teilnehmer verstehen sich vor Ort wirklich als verantwortliche Unternehmer ihres Aufgabengebiets, übernehmen entsprechende Verantwortung und entfalten passende Initiativen. Um dieser Rolle gerecht zu werden, müssen allerdings im Bildungsprogramm auch die relevanten Themen mit bearbeitet werden, die es ermöglichen, das eigene Handeln im Kontext größerer Zusammenhänge zu begreifen und zu gestalten, z.B.
■ Beschäftigung mit dem relevanten Umfeld, den sichtbaren aktuellen Trends und ihren (potentiellen) Auswirkungen, in dem die neue Kompetenz eine Rolle spielen soll,
■ Kernelemente des Change Managements,
■ „Politische“ Kompetenz, d.h. unter anderem Umgang mit Macht und Mikropolitik innerhalb der für die Umsetzung relevanten Interessengruppen.
Rolle und Feldkompetenz der Dozenten bzw. Trainer
Zu diesem an der Praxis und Umsetzung orientierten Vorgehen ist nur ein Trainer bzw. Dozent in der Lage, der sich eine halbwegs konkrete Vorstellung davonmachen kann und auch machen will, in welchen Rahmenbedingungen die Teilnehmer leben und arbeiten, der Interesse hat, sich in diesen Rahmen wirklich hineinzudenken, der seine Konzepte entsprechend maßschneidert und der sich in diesem Milieu auch sprachlich so bewegen kann, dass die Teilnehmer ihn verstehen können und akzeptieren. Er muss beileibe kein