Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller
euch vorgeschlagene Vorgehen die notwendige Unterstützung – Ressourcen (Zeit, Geld, sonstige Mittel), Beratung, einen mikropolitischen Machtschirm beziehungsweise Promotoren, die dieses Projekt euerer Meinung nach benötigt. Macht fünftens mit dem Vorgehen und dem erreichten Ergebnis im Unternehmen in einer Weise auf euch aufmerksam, wie es der Kultur des Unternehmens entspricht und euerer Weiterentwicklung dient. Auf diese Weise kann Weiterbildung lustvoll, wirksam und Erfolg versprechend angelegt werden.
e) Qualifizierungskonzepte mit integrierter Projektarbeit und eingebautem Transfer
Mehr und mehr Unternehmen bieten für mittlere und obere Führungskräfte mehrstufige, in Module aufgeteilte, an der Unternehmenspraxis ausgerichtete Lehrgänge zum Thema Change Management oder General Management an. Gemeinsam mit den Teilnehmern werden einerseits die relevanten Themen festgelegt. Gleichzeitig werden für das Unternehmen relevante Projekte definiert, die, in die Module integriert, parallel zu den Wissensthemen bearbeitet werden. Prinzip: unmittelbarer Theorie-Praxis-Bezug einerseits und ausgeglichene Balance von Nutzen für das Unternehmen und Nutzen für den Teilnehmer andererseits.
f) Outdoortraining zur Teambildung – Abenteuerspielplatz für Erwachsene?
Ob Outdoortraining, Höhlenworkshop, Überleben in der Wildnis, Wildwasserrafting – eine ganze Branche hat sich mittlerweile darauf spezialisiert, Menschen – mit Vorliebe Teams, die im Unternehmen zusammenarbeiten müssen – dem Abenteuer in der Natur auszusetzen. Ziel: Den Zusammenhalt und die Rollenverteilung in der Gruppe zu erproben und die Mitglieder für ihr Zusammenspiel am Arbeitsplatz fit zu machen. Die physischen und emotionalen Erlebnisse sind sicher eindrücklich. Aber inwieweit eine Übertragung der Erfahrungen in den Arbeitsalltag gelingt, ob diese überhaupt möglich ist, darf in Frage gestellt werden. Zusammenarbeit und Rollenverteilung haben nicht unmaßgeblich damit zu tun, was man miteinander zu tun hat, welche Kompetenzen dazu erforderlich sind, welche Erfahrungen bislang miteinander gemacht wurden, in welchem Rahmen diese Zusammenarbeit zurzeit geschieht und in welchem sie in Zukunft geschehen soll. Und dies alles unterscheidet sich in aller Regel mehr oder weniger drastisch von den körperlichen Herausforderungen in der freien Natur, die es zu bewältigen gilt – und was dabei alles eine Rolle spielt.
Darüber hinaus bedarf es einer nicht zu unterschätzenden psychologischen Kunst, das „Outdoor“-Erleben auf dem Hintergrund der betrieblichen Situation und der individuellen Blickwinkel der beteiligten Personen professionell zu beobachten, sie zu deuten und sie schließlich gemeinsam mit den Betroffenen auszuwerten und zu versuchen, sie in generalisierbare Lernprozesse für die Alltagssituation im Unternehmen umzumünzen.
g) Gruppendynamisches Training zur Verhaltensänderung
Manager sind in Bezug auf ihre emotionalen Defizite in ihrem geschäftlichen Umfeld oft sprachlos. Hauptgrund für diese Sprachlosigkeit ist Angst. Man fürchtet zum Beispiel, verspottet, ausgenutzt, öffentlich bloßgestellt zu werden oder ganz einfach die Kontrolle über sich und über die Situation zu verlieren. Wer über Gefühle redet, zeigt Schwäche. Wer Schwäche zeigt, ist verwundbar: Man fühlt sich von Gegnern umzingelt, die nur darauf warten, eine verletzbare Stelle zu finden. Das gruppendynamische Verhaltenstraining wirkt dieser Sprachlosigkeit und allgemeinen Verdrängung entgegen. Es bietet den bisher nicht vorhandenen Raum, ohne Angst vor Sanktionen den eigenen Verhaltensmustern auf die Spur zu kommen. Der Zugang kann die Analyse des Verhaltens in konkreten Arbeitssituationen aus der eigenen Alltagspraxis sein. Und zwar Verhalten, mit dem man entweder selbst nicht zufrieden ist oder: mit den Personen aus dem Arbeitsumfeld nicht zurechtkommen. Bedingung: Echtes persönliches Interesse, daran zu arbeiten.
Das Vorgehen im gruppendynamischen Training ist speziell dadurch gekennzeichnet, dass nicht der Trainer die einzelnen Teilnehmer nacheinander in der Gruppe berät, sondern dass eine kollegiale Beratung stattfindet. Die Gruppe ist also nicht nur der Ort, sondern auch das wesentliche Instrument des Geschehens. Der Vorteil dieser gruppendynamischen Form der kollegialen Beratung besteht in der Dichte und Gleichzeitigkeit von Wahrnehmungen der anderen Teilnehmer und des Trainers. Bei jedem Teilnehmer läuft sozusagen der innere Film als Heimkino mit. Damit werden die Lernmöglichkeiten potenziert.
Im gruppendynamischen Training geht es nicht darum, was richtig und falsch, was gut und was schlecht ist, sondern darum, das eigene Verhalten zu reflektieren. Und genau hier setzt die Gruppe an: Mithilfe von Verhaltensfeedback liefert sie unerbittlich Hinweise über den blinden Fleck. Dazu braucht sich Gruppe nicht ausschließlich auf das zu verlassen, was jemand über seine Situation in seinem beruflichen oder auch persönlichen Umfeld berichtet, sondern sie macht ja aktuelle Erfahrungen in der Gruppe: Während jemand seine Situation darstellt, verhält er sich – und die Art und Weise, wie er dies tut, lässt eine sehr spezifische Beziehungsdynamik in und mit der Gruppe entstehen. Das Muster bildet sich sozusagen life in der Gruppe ab. Eine optimale Möglichkeit, das, was von dort und dann, also von draußen aus der Arbeitswelt, berichtet wird, mit dem zu verbinden, was gerade hier und jetzt life abläuft – d.h. die taufrischen Beobachtungen und Empfindungen der Teilnehmer mit den Erzählungen des Teilnehmers aus seiner Situation zuhause in Beziehung setzen und abgleichen.
Wie wortreich und kunstvoll auch immer sich jemand als Opfer widriger Umstände präsentiert – er wird über kurz oder lang im Hier-und-Jetzt des Trainings als (Mit-)Verantwortlicher entlarvt. Und exakt dies ist die entscheidende Chance für ihn: Die (Mit-)Verantwortung übernehmen für das, was (geworden) ist – mit allen Folgen und Zumutungen, die das eigene Verhalten für das Umfeld bedeutet.
Für unsere Zwecke hier möchten wir zwei Formen solcher Trainings grundsätzlich unterscheiden: Erstens, das Training als externe, prinzipiell für alle möglichen Teilnehmer offene firmenübergreifende Veranstaltung, bei dem die Teilnehmer weder vor, noch nach dem Training beruflich etwas miteinander zu tun haben und aus unterschiedlichen Unternehmen kommen. Zweitens, das Training als Veranstaltung im eigenen Haus, bei dem die Teilnehmer aktuell vor und nach dem Training mehr oder weniger eng beruflich miteinander in Beziehung stehen – und für die Zukunft zumindest potentiell immer damit rechnen müssen, miteinander zu tun zu haben.
Das externe Training: Als Fremder unter Fremden gilt nach dem Training nicht das Gesetz des Wiedersehens im normalen Unternehmensalltag. Sicherungsmaßnahmen sind also nicht in dem Maß erforderlich wie zuhause. Als unbeschriebenes Blatt, das nach der Veranstaltung wieder abtauchen kann, steigt die Bereitschaft, Persönliches im geschützten Raum des Trainings zum Thema zu machen.
Das hausinterne Training: Sogenannten Inhouse-Seminaren kann eine vergleichbare Wirkung zukommen – aber nur unter einer Bedingung: „Störendes“ Verhalten muss aufgedeckt werden können, ohne dass daraus Kapital geschlagen wird für spätere mikropolitische Machtspiele. Das ist nicht einfach zu bewerkstelligen. Die Grundvoraussetzung dafür ist, Vertrauen hinsichtlich der Schweigepflicht herzustellen, die es verbietet, Internes aus dem Training herauszutragen und für sich oder gegen andere, die ihre Schwächen offengelegt haben, auszunutzen. Kann dieser Schutz nicht gewährleistet werden, ist von gruppendynamischen Inhouse-Seminaren abzuraten. Die unerwünschten Nebenwirkungen wären zu hoch. Die Gruppendynamik könnte leicht für die Fortsetzung destruktiver Kriegsführung instrumentalisiert werden.
Andererseits lohnt es sich, den notwendigen Sicherheits-Rahmen zu schaffen, auch wenn dies nicht einfach ist. Denn die Vorteile von Inhouse-Trainings sind verlockend: Erstens, die intimere Kenntnis der Schleichwege und all der ungeschriebenen Gesetze, die das Verhalten im Unternehmen bestimmen; zweitens, stärkere gegenseitige Unterstützung vor Ort bei der Umsetzung, und last but not least, eindrucksvollere Modellbildung für andere. Wenn es zum Beispiel gelingt, durch gezielte Inhouse-Trainings bei einer ganzen Gruppe von Führungskräften eines Unternehmens ein neues zeitgemäßeres Führungsverständnis zu entwickeln, so ist damit gleichzeitig auch ein kollegiales Netzwerk etabliert, das im anderen Fall der isolierten Teilnahme Einzelner bei externen Veranstaltungen erst noch gebildet werden müsste.
h) Übungen und Spiele im Training
Es gibt für nahezu alle Verhaltensaspekte, die trainiert werden sollen, maßgeschneiderte Übungen bzw. Spiele. Auch hier besteht generell das Problem, das, was im Spiel gesehen und erlebt wurde, auf die betriebliche Realität zu übertragen. Eins zu eins wird dies nie möglich sein, umso weniger, je ausgeprägter und intensiver der Spielcharakter