Wir sind wie Stunden. Michael Thumser
sich; Frauen, die ihm angetraute zuallererst, waren ihm egal. Auch galt ihm, der beharrlich französisch parlierte, alles Deutsche wenig: Einheimische Dichtung verhöhnte er, das Genie Johann Sebastian Bachs, der sich ihm vorstellte, übersah er ganz.
Dabei lässt sich ihm Geschmack nicht absprechen. Dem feinen Berlin schenkte er ein Opernhaus. Und im leichten, lebens- und liebenswerten Schloss Sanssouci zu Potsdam spiegelte er, unterstützt vom Baumeister Georg von Knobelsdorff und, nach dessen verärgertem Rückzug, von Johann Boumann, die angenehmen Seiten seines janusköpfigen Charakters. Bei allem Hochkomfort dachte er sich hier, über einer weinbergartigen Terrassenanlage, ein prunkloses Privatissimum im Rokokostil als Rückzugsort einzurichten. Die fünf Räume des Ostflügels mit Bibliothek und Musikzimmer bewohnte er selbst; der dazu symmetrische Westtrakt diente Besuchern zur feudalen Unterkunft. Die Königin übrigens weilte hier nur ein einziges Mal als Gast und war nicht einmal zur Einweihung 1747 geladen worden. In der Gruft, die Friedrich sich vorausschauend vor den Fenstern seines Arbeitszimmers graben ließ, wollte er dereinst, wie er sagte, sans souci ausruhen, ohne Sorge. Jenem Diktum verdankt das „Lusthaus auf dem Weinberg“ seinen bis heute gültigen Namen.
Das Neue Palais hingegen, im selben Park protzend, hat mit Friedrichs Wesen nichts zu tun. In seiner stattlichen Kühle steht es resolut als Residenz da. Als „Fanfaronade“, pure Angeberei, galt das dreiflügelige, überkuppelte Prestigebauwerk aus Back- und Sandstein dem König selbst. Er liebte es nicht; am ehesten als Symbol ließ er die – gleichfalls von Knobelsdorff unter seiner eigenen maßgeblichen Mitwirkung entworfene – Repräsentationsarchitektur mit ihren über 200 kostspielig ausgestatteten Räumen gelten: Nach dem verlustreichen und auszehrenden Siebenjährigen Krieg sollte es aufzeigen, dass mehr als eine Beinahekatastrophe nötig sei, um Preußen das Genick zu brechen.
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Zum „alten Fritz“ war Friedrich schon mit 51 Jahren ergraut: Eingeschrumpft, vertrocknet, krumm und schmuddelig hatten seine drei Schlesischen Kriege, erst recht der letzte, ihn zurückgelassen. Davon wollte die Nachwelt nicht viel wissen. Im 19. Jahrhundert setzten sich, besonders durch die eleganten Malereien und Grafiken Adolph von Menzels, gemütvollvolkstümliche Erinnerungen durch; und mehr noch eine heroisierende Überhöhung. Fürs zweite deutsche Kaiserreich legten Militär- und Historienmaler wie Wilhelm Camphausen und Georg Schöbel die Friedrich-Ikonografie maßgeblich fest: Der König als Held, scharfe Weitsicht in den hellwachen Zügen – so entwarfen sie Andachtsbilder, denen sie trutzige Losungen beigaben: „Ich, vom Schiffbruch rings umdroht, / Trotzen muss ich dem Verderben, / Muss als König denken, leben, sterben.“
Doch nicht erst jene nachgeborene Nationalprophetie, sondern schon er selbst hat begründet, was dem Namen Preußen heute seinen problematischen Klang verleiht: Vormachtstreben und Bereitschaft zu rücksichtsloser Besitzstandswahrung und -vermehrung; den Primat des Militärs und seiner Tugenden; die Feier der Ordnung als Unterordnung, des Dienstes als duldenden Gehorsam. Er selbst, der Frei- und Feingeist von einst, hielt sich während der zweiten, freudlosfleißigen Hälfte seiner Regentschaft daran. Indem er die Waffen ruhen ließ, schien der Ex-Kriegsherr verspätet das Friedensideal wahr machen zu wollen, das der Ex-Vertraute Voltaire vom guten König entwarf: „Ich nenne“, bekundete der, „große Männer alle, die sich durch Nützliches oder Angenehmes ausgezeichnet haben. Die Verwüster von Provinzen sind nur Helden.“
Die anspruchslose letzte Ruhestätte, die Friedrich sich ausgebeten hatte, wurde ihm 205 Jahre nach seinem Tod zuteil. Seinen Sarg, den es auf die hohenzollernsche Stammburg nach Hechingen verschlagen hatte, holte einer nach Sanssouci zurück, dem manche Beschreiber der jüngsten Geschichte gleichfalls „Größe“ zusprechen wollen: Helmut Kohl, der „Kanzler der Einheit“, veranlasste Friedrichs Umbettung immerhin halbwegs im Sinn des Königs. Zwar ließ das Staatsbegräbnis am 17. August 1991 mit seinem militärischen und medialen Aufwand nichts erkennen von „kleinstem Gefolge“ und dem „Schein einer Laterne“; doch liegt der König seither unter einer denkbar schlichten Platte, die nur seinen Namen und den Ehrentitel, kein Kreuz und kein Dekor sonst trägt, ganz in der Nähe seiner toten Hunde, die ihm zeitlebens näher standen als die Menschen.
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