Männerblues. Bernhard Spring
d="ub2bff606-fad0-52f5-bde1-bb1d2957d50e">
Bernhard Spring
Männerblues
Ein Till-Thamm-Krimi
2014
© mdv Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale)
Alle Rechte vorbehalten.
Gesamtherstellung: Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale)
ISBN 9783954623747
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Inhalt
SONNTAG
„Und wenn wir einfach liegen bleiben?“
Anja sah ihn verständnislos an. Dass seine Finger auf ihrem Hintern spazieren gingen, bemerkte sie überhaupt nicht.
„Regelmäßig, hat die Hebamme gesagt“, erinnerte sie Thamm in denselben belehrenden Ton, den auch die Geburtshelferin draufhatte. „Benni braucht seinen Rhythmus, weißt du doch.“
Gott, wie Thamm dieses blöde Weib hasste! Diese verfluchte Hebamme hatte eine Art an sich, die ihn jedes Mal ganz rasend machte – und er wusste nicht einmal genau, wie sie das eigentlich fertigbrachte. Stolzierte einfach an ihm vorbei, als ob er Luft wäre, schaute auch sonst nicht nach links oder rechts, fragte kaum nach dem Baby – immer nur nach Anja. Der reinste Kaffeeklatsch! Und dann faselte sie was von Zeitlassen und „wieder Frau werden“ und „in sich hineinhören“ und machte aus der ganzen Sache mit dem Kind den puren Geschlechterkampf. Anja solle sich da nicht reinreden lassen, als Mutter fühle sie eh von Natur aus viel mehr, als Thamm als Vater verstehen könne. Solche Sprüche ließ dieses Weib vom Stapel!
Und hinterher bekam Anja noch irgend so ein Kügelchen unter die Zunge gelegt, die Hebamme ließ noch ein paar andere von der Sorte wegen Bennis Dreimonatskoliken da – und stolzierte dann genauso verbiestert wieder an Thamm vorbei, wie sie gekommen war, wobei sie sich gerade so einen eiskalten Gruß zwischen den Zähnen rauspresste.
Dummes Miststück – zum Glück kam sie jetzt nicht mehr.
Aber dass Anja plötzlich an diesen ganzen homöopathischen Mist glaubte und auch sonst alles nachplapperte, was diese scheiß Hebamme ihr ins Ohr gesetzt hatte, das irritierte Thamm schon. Irgendwie war Anja nicht mehr dieselbe, seit das Baby da war.
„Meinst du wirklich, Benni kriegt das mit, wenn er mal eine Viertelstunde später die Flasche bekommt?“, versuchte es Thamm wieder. Er hatte im Augenblick noch keine Lust auf den ganzen Zirkus, der hier neuerdings in vierstündigem Rhythmus abgefeiert wurde und vor dem es kein Entrinnen gab.
Je näher seine Finger Anjas Gürtelschnalle kamen, umso vorsichtiger tasteten sie sich heran.
„Ja, klar“, maulte Anja leicht gereizt, „da machen wir hier mal eine Ausnahme und da mal eine – und dann können wir’s gleich vergessen.“ Wie nebenbei fegte sie Thamms Hand von ihrer Hose und setzte sich auf.
Na toll, dachte Thamm angesäuert, der Mittagschlaf war jetzt also endgültig vorbei.
Aber Anja kam nicht weiter als bis zum Rand vom Sofa. Dort beugte sie sich nach vorn, stützte den Kopf in die Hände und fuhr sich immer wieder massierend über die Stirn.
„Ist dir wieder schwummrig?“, fragte Thamm besorgt.
„Das geht einfach nicht weg“, murmelte Anja. „Dieses blöde Eisen!“
„Soll ich dir Pflaumensaft holen?“, bot er sich sofort an, aber Anja schüttelte energisch den Kopf. „Ich kann das Zeug nicht mehr sehen. Dann lieber Eisenmangel!“
Mühsam versuchte sie, sich aufzurichten, und atmete tief durch. „Was soll’s“, meinte sie schließlich und sah sich nach Thamm um. Ein schmales Lächeln rann über ihre Lippen.
Thamm griff es sofort auf und schlängelte sich an sie heran. „Vielleicht sollten wir das mit dem Aufstehen lieber ganz langsam angehen, hm?“ Sein Grinsen wurde breiter. „Lass dich doch noch ein bisschen von mir verwöhnen. Du musst auch gar nichts machen … “ Wieder suchten seine Finger ihren Weg unter Anjas Bluse, doch diesmal bemerkte sie den kaum kaschierten Annäherungsversuch sofort.
„Och Till!“, rief sie genervt aus und stand nun doch auf. „Kannst du nicht einmal aufhören damit? Nur mal zwei Monate, Till, ist das zu viel verlangt? Zwei Monate!“
Wütend ging sie durch das Wohnzimmer, über den Flur und in die Küche. Thamm warf sich frustriert auf das Sofa zurück. Was jetzt folgte, kannte er bereits auswendig. Erst ließ Anja das Rollo über der Spüle runter, damit auch ja niemand was sehen könnte – als ob irgendwer aus heiterem Himmel in ihrer Einfahrt stünde! – so weit hatte diese blöde Hebamme sie schon gebracht. Dann holte sie die Saugvorrichtung aus dem Schrank, steckte den Schlauch an die beiden Flaschen, wobei immer wieder ein resignierter Blick auf die zweite Flasche fiel, die als Überlauf diente und doch nie etwas abbekam, geschweige denn voll wurde. Und zum Schluss schaltete sie die ganze Apparatur schweren Herzens ein, der Motor heulte auf und Anja schob sich beschämt und irgendwie doch auch gleichgültig den Sauger an die Brust.
So saß sie dann an dieser Melkmaschine aus der Apotheke: nicht zehn Minuten, wie es die Ärztin gesagt hatte, sondern fünfzehn, zwanzig. Die Milch tropfte zögerlich in die erste Flasche. Mit etwas Glück kam sie auf kümmerliche dreißig Milliliter.
Am Anfang hatte Thamm bei dieser niederschmetternden Prozedur noch zugucken dürfen. Dann aber wollte Anja ihn nicht mehr dabeihaben und hatte die Küche zur Tabuzone erklärt, solange die Melkmaschine im Einsatz war. War es ihr unangenehm, wenn er sie so sah, wie eine Kuh angestöpselt, die Brustwarze in einen albernen Gummitrichter gesogen? Oder schämte sie sich am Ende wegen dem bisschen Milch, das trotz überzogener Zeit nur herausgekommen war und doch nie reichte? Bennie sog es glatt in einem Zug weg.
Thamm hatte aufgehört, sich danach zu fragen. Wenn Anja beim Arzt war, fütterte er Benni nur mit Kunstmilch. Ganz ohne Stress. Und Benni ging’s davon nicht schlechter. Der steckte das ganz locker weg – ganz der Papa. Aber wenn Anja im Haus war – und das war sie nun einmal fast immer – dann musste es diese dämliche Melkerei sein, dann musste sie sich quälen und zum Schluss dann doch enttäuscht zum Milchpulver greifen.
Warum sie sich so fertig machte, verstand Thamm nicht. Wenn sie ihn da wenigstens rauslassen würde – aber oben wollte sie es ja nicht machen, damit Benni