Vermailt. Anja Nititzki

Vermailt - Anja Nititzki


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Du denn? Ich habe seit Freitagabend aller zwei Minuten mein Handy kontrolliert, ob Du nicht doch eine SMS schickst. Ich bin süchtig und mein Stoff heißt Anna.

      Drei Nächte kalter Entzug liegen hinter mir. Ich will mehr von Dir lesen, ich liebe Deine Geschichten. Ich bin ja heute Morgen richtig schwärmerisch. Im Horoskop stand, ich soll meine Gefühle ausleben. Also mache ich das zumindest schriftlich. Ich will Dich sehen, wir kriegen das hin. Ich will wissen, ob das Feuer nur im virtuellen Raum brennt oder auch an der Luft. Was machen wir, wenn wir nur eine Knallgasprobe hinbekommen? Nichts, jeder zieht seines Weges und wärmt sich ab und an an einer alten E-Mail, wie an einem guten Buch.

       Betreff: Knallgasprobe

      Datum: 27. 08. 2012, 10 : 59:58

      „Knallgasprobe“ trifft den Kern der Sache. Ich bin „verknallt“, wie eine Sechzehnjährige. Und ich wärme mich schon jetzt an unseren alten E-Mails. Ich befürchte, mit einem Atemzug heißer Luft kommst Du nicht davon. Es wird großartig werden, wenn wir uns sehen.

      Hast Du drüber nachgedacht, was wir hier eigentlich tun? Steigern wir uns in etwas hinein? Erschaffen uns künstliche Welten im Kopf? Wir haben uns doch nur ein einziges Mal dienstlich gesehen. Sind wir nichts als erotische Angriffsfläche? Habe ich mich in ein E-Mail-Phantom verliebt? Wir sind optisch kein schönes Paar. Ich bin eine Nummer zu groß für Dich, wenn ich Schuhe anhabe. Ich trage eigentlich immer Absatzschuhe. Wir sehen also nur im Liegen zusammen gut aus.

      Ich warte dennoch auf Dich.

      Wann ist endlich unser Tag?

       ***

       Betreff: Größe

      Datum: 28. 08. 2012, 10 : 59:45

      Ich frage mich ständig, was wir hier eigentlich treiben und warum? Wir hatten einen gemeinsamen, beruflichen Tag. Ich habe mich darüber gefreut, dass mir der Sender eine schöne und dazu noch witzige, kluge Reporterin schickt. Die Zusammenarbeit war locker. Und dann? Was ist passiert? Deine erste E-Mail, der unterschwellige Ton unserer Konversation, die Spannung, der Spaß dabei, das Spiel. Und jetzt? Ist es immer noch ein Spiel, ein intensiveres Spiel, der Einsatz ist höher. Wir können uns gegenseitig enttäuschen. Über mögliche Folgen will ich noch gar nicht nachdenken. Mache es natürlich trotzdem. Wir müssen uns sehen, um das hier zu beenden oder etwas anderes daraus zu machen. Nur was? Ich kann meine Familie nicht verlassen. Klinge ich wie ein jämmerlicher Fremdgänger? Der bin ich nicht, ich fahre nicht auf mehreren Gleisen. Warum will ich Dich dann sehen? Es ist kompliziert, es ist schön, es ist anstrengend, es ist aufregend und ich kann jetzt nicht aufhören, an Dich zu denken.

      Wie groß bist Du denn? Bin ich so viel kleiner als Du? Das ist mir gar nicht aufgefallen – das liegt an meiner permanenten Selbstüberschätzung. Ich bin einen Meter und siebenundsiebzig, ein winziger Absatz darf also sein, beim Sturz in den Abgrund der Leidenschaft!

       Betreff: Verderben

      Datum: 28. 08. 2012, 11 : 07:56

      Wir rennen ins Verderben Roger, es wird großartig!

       ***

       Betreff: Es ist so weit!

      Datum: 29. 08. 2012, 11 : 58:55

      Eine Antwort! Es ist schon fast Mittag, ich war schon auf Anna-Entzug. Ich bin durcheinander und das liegt nicht am anstrengenden Wochenende, sondern an Dir. Am Auf und Ab der Gefühle, die nicht unterscheiden zwischen virtuell und real. Ich freue mich, wenn Du mir schreibst, und ich habe die ganze Zeit Sehnsucht danach.

      Verderben? Nein, nicht bevor wir uns nächste Woche am Herkules gesehen haben. Ich schlage den Dienstag vor. Du willst den echten Nowitzki? Du sollst ihn haben. Ich bin grad in Cowboystimmung, um mir Mut zu machen. Ich werde Dich küssen und dann sofort in Ohnmacht fallen, weil es wirklich passiert und mein pulsierendes Blut nicht mehr für meinen Kopf reicht. Ich lege mich dann kurz auf den Boden, und wenn ich wieder zu mir komme, möchte ich in Deine Augen sehen.

      Ich kann mich nur nicht erinnern, welche Farbe sie haben.

       Betreff: Re: Es ist so weit!

      Datum: 29. 08. 2012, 12 : 03:52

      Und ich dachte, Dein Entzug ist nicht so schlimm wie meiner. Ich hasse diese emotionale Abhängigkeit und diese Verlustangst. Manchmal befürchte ich, dass wir uns nie wiedersehen könnten.

      Du bist mutig heute, mein Herz galoppiert. Ja, Dienstag, der 4.9. ist gut. Und bitte: Fang nicht wieder zwei Tage vor unserem Termin damit an, mich schonend darauf vorzubereiten, dass es nicht klappt.

      Ich habe grüne Augen, passend zu meinen roten Haaren. Du hast blaue Augen. Klingt das kitschig!

       Betreff: Aw: Es ist so weit!

      Datum: 29. 08. 2012, 13 : 03:18

      Ich habe ein großes Chaos im Kopf, aber ich bin wild entschlossen, in Deine grünen Augen zu sehen. Damit ist unser Treffen beschlossene Sache. Jetzt widme ich mich konzentriert meiner Arbeit und ich bitte Dich, mich mit erotischen Anspielungen aller Art zu verschonen. Du wirst Dich doch daran nicht halten, oder? Noch eine knappe Woche, Anna, dann sind wir schlauer.

       ***

       Betreff: Für Dich

      Datum: 30. 08. 2012, 10 : 00:52

      Endlich, noch sechs Tage! Dann haben wir uns.

      Für Dich: Meine Lippen werden Dich ganz fest umschließen, meine Zunge, begleitet von meinem heißen Atem, macht sich auf den Weg. Sie schaut sich um, macht kleine Striche, Kreise und sie stupst ganz zärtlich nach. Meine Lippen passen auf, dass Du nicht frierst. Du zuckst. Du musst stillhalten, sonst wird das nichts. Ich muss Dich ein wenig festhalten, damit Du mir nicht entwischst. Und bevor Du explodierst und nicht mehr Herr Deiner Sinne bist, erlöse ich Dich von den Höllenqualen und küsse mich nach oben zu Deinen Lippen, vorher schaut meine Zunge noch nach, ob Du Dir Deine Ohren gewaschen hast. Ich küsse Dich. Wonach schmecken wir? Wie war ich?

       Betreff: Re: Für Dich

      Datum: 30. 08. 2012, 10 : 05:59

      Du warst grausam! Wir schmecken nach Parfüm, nach Salz und nach mehr.

      Hätte ich gewusst, welches Parfüm Du benutzt, wäre ich heute in die Parfümerie gegangen und hätte geschnüffelt. Ich bin mir sicher, meine Lippen, Hände und meine Zungen können Dich auch überraschen. Wirf bei der Fahrt nach Kassel bitte einen Blick auf Deinen Beifahrersitz. Nächste Woche möchte ich dort Platz nehmen. Wenn Du kuppelst, rutscht Dein Kleid ein kleines Stück über das Knie. Ich muss immer hinsehen. Es tut mir leid, ich muss dieses Stück Haut einfach anfassen, überlege sogar, ob ich es küsse, aber während der Fahrt geht das nicht. Ich lege dafür nur kurz meine Hand auf Deine, wenn Du schaltest, und streichle einmal den Arm hinauf.

      


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