Affentanz. André Bergelt
besonders knifflige Angelegenheiten“, erklärt der Affe erneut.
Ich sehe dem Affen in die Augen und höre meine Stimme fragen: „Du meinst, ich sollte das Portemonnaie dem Kellner unterschieben und es dann im Beisein seiner Kollegen finden?“
„Steck es ihm in die Hosentasche, das wäre überzeugender“, verbessert mich der Affe und zeigt mir seine gelben Zähne.
Ich stelle mir die Szene vor. Plötzlich erfasst mich eine seltsam angenehme Schadenfreude. Amüsiert wiege ich den Kopf und sage: „Das wäre wirklich kurios.“
Der Affe klopft mir auf die Schulter und konstatiert: „So ist es, mein Freund. Am Ende hat die Schulz dank dir tatsächlich etwas gut bei diesem Typen!“
Der Affe lässt sich auf die Rückbank zurückfallen. Sein hämisches Gelächter klingt schaurig schön. Ich drehe mich nach meinem neuen Coach um. Doch als ich auf die Rückbank spähe, muss ich feststellen, dass da nirgendwo ein Affe zu sehen ist.
KAPITEL 9
Eine Woche nach meinem Essen mit Frau Schulz, in einem ehemaligen Bürohochhaus in Alt-Stralau in der vierten Etage. Ich habe Betty die Augen mit einem Halstuch verbunden und geleite sie in einen zirka fünfzig Quadratmeter großen Raum.
Ich schließe die Tür hinter mir und schiebe Betty in die Mitte des lichtdurchfluteten Raums.
„Was ist eigentlich mit deinem Handy passiert?“, fragt Betty und bleibt stehen.
„Das ist mir kaputtgegangen. Aber lass uns jetzt bitte nicht über mein Handy reden.“
„Schon gut, ich sage nichts mehr.“
„Schön, wenn du nichts mehr sagst“, antworte ich und nehme Betty ihre Augenbinde ab.
„Ta-ta! Na los, schau dich um! Und, was sagst du?“
Betty sieht mich unsicher an.
„Was ist das, ein unmöbliertes Zimmer mit offener Küche?“
„Das ist unser Atelier, Einstein!“
„Unser Atelier?“
„Ja, unser Atelier.“ Betty ist sprachlos.
„Du wolltest doch einen Arbeitsraum oder etwa nicht?“
Betty nickt. Sie sieht mich an.
„Du bist wirklich unglaublich.“
Ich nehme Betty in die Arme. Betty lässt es für einen Moment zu. Dann aber macht sie sich von mir los, schlendert durch den Raum und fragt: „Wie hast du so schnell ein Atelier organisiert?“
„Ach, weißt du, ich bin ein Kind dieser Stadt. Wir Berliner haben so unsere Kontakte. Ehrlich gesagt, war es gar nicht so schwer. Ich habe Frau Schulz erklärt, dass ich binnen einer Woche einen Raum für eine begabte Künstlerin und ihren in der Musikbranche arbeitenden Freund brauche. Da sonst zwei begnadete Nachwuchskünstler auf der Straße sitzen und nicht mehr ihrer Passion nachkommen können.“
Betty sieht mich forschend an und fragt: „Wer ist denn mein begnadeter Freund?“
„Na, ich natürlich“, antworte ich und gehe abermals einen Schritt auf Betty zu.
„Aber wie genau stellst du dir denn eine gemeinsame Nutzung vor?“, fragt Betty.
„Hör mal, meine Sonne, du bist doch ein Tagmensch. Du bist am Meer aufgewachsen, du liebst die morgendliche Frische des Windes und den Blick aufs Wasser. Euer Haus in Sydney liegt doch am Meer oder nicht?“
Betty nickt. Ich fasse sie an den Handgelenken.
„Siehst du, ohne Licht geht bei dir nichts. Ich hingegen bin ein Grübler. Einer, der bis in die Puppen schläft und gern mal die Vorhänge zugezogen lässt. Ja wirklich, ich arbeite sehr viel lieber nachts, nicht nur, wenn ich im Club unterwegs bin, auch unter der Woche.“
„Du meinst also, wir nutzen das Atelier rund um die Uhr, du nachts und ich tagsüber?
„Ja, warum denn nicht? Raum für zwei haben wir doch hier. Außerdem möchte ich, dass du wieder bei mir einsteigst, also musikalisch. Ich brauche wirklich dringend jemanden, der mir hin und wieder mit einer konstruktiven Kritik zur Seite steht.“
Betty runzelt fragend die Stirn.
„Aber du kommst doch auch so gut mit deiner Arbeit voran oder etwa nicht?“
„Na klar, ich komme sogar bestens voran“, lüge ich und ergänze: „Das Problem ist nur, ich bin überzeugt, dass ich mit dir zusammen noch viel besser vorankommen würde. Und da mir nicht mehr allzu viel Zeit bis zu meiner Präsentation auf dem Schwarzlicht-Festival bleibt, würde ich mich riesig freuen, wenn du mir ab und an unter die Arme greifen könntest.“
Betty zieht ihre Augenbrauen hoch und überlegt.
„Ich könnte dich sogar ein wenig unterstützen, also finanziell“, schiebe ich hinterher, da Betty noch immer nicht ja gesagt hat.
„Du willst mich finanziell unterstützen? Aber wie soll das denn bitteschön gehen?“, fragt meine potentielle Muse ungläubig.
„Schau, Betty, das Atelier muss so oder so auf meinen Namen angemietet werden. Ich wiederum vermiete es an dich weiter. Natürlich mit einem kleinen, aber feinen Aufschlag. Die Universität zahlt deine Unkosten, auch die fürs Atelier. Am Ende des Monats bleibt also der kleine, aber feine Aufschlag übrig und den können wir uns dann brüderlich teilen.“
Betty nickt still vor sich hin. Sie sieht sich um und überlegt.
„Hm, Platz genug für zwei wäre ja. Aber was erwartest du von mir, also in Bezug auf deine Installation? Wie soll ich dir dabei zur Hand gehen? Unsere musikalischen Ausrichtungen sind doch eher konträr.“
„Sei einfach nur da. Sei meine Muse, inspiriere mich! Und wenn ich dich mal um Rat frage oder wissen will, was du von meiner Arbeit denkst, nimm dir Zeit und kritisiere mich. Darum geht es mir in erster Linie. Ich brauche einen Mensch an meiner Seite, dem ich vertraue und dessen Kritik ich vertrage.“
Betty sieht mich erstaunt an und fragt: „Das ist alles? Keine Recherche-Touren während der Rushhour, keine Aufnahmen im strömenden Regen, keine Nachtschichten im Studio?“
Ich schüttle mit dem Kopf und frage: „Und?“
„Tut mir leid, aber irgendwie habe ich kein gutes Gefühl“, antwortet Betty.
Ich setzte meinen Hundeblick auf, sehe hilfesuchend zu meiner Ex und sage: „Ohne dich schaffe ich es nicht, Betty. Bitte, hilf mir!“
Betty weicht meinem Blick aus, dennoch scheint ihr Mutterinstinkt anzuspringen. „Gut, aber ich hätte ein paar Bedingungen, bevor ich deinem Angebot zustimme. Wenn wir wirklich zusammen arbeiten wollen, erwarte ich von dir eine professionellere Einstellung. Ich möchte dich nicht wieder irgendwo im Club auflesen oder von der Polizeiwache abholen müssen. Sprich, Drogen- und Alkoholexzesse sind erstmal tabu für dich. Gleiches gilt für Affären mit Jungs, die nicht wissen, was sie wollen. Das alles kannst du gern wieder nach deinem Auftritt haben.“
Betty streckt mir ihre Hand entgegen. Nun bin ich derjenige, der zögert. Bettys Forderungen erscheinen mir unerfüllbar. Ich beiße mir auf die Lippen und überlege.
„Lass dir ruhig Zeit mit deiner Entscheidung. Wenn du mir jetzt versprichst, dass du das alles zurückstellst, nehme ich dich natürlich beim Wort.“
Ich atme langsam aus und murmele: „Abgemacht, keine Exzesse mehr und keine halben Sachen mit Jungs, die nicht wissen, was sie wollen.“
Wir reichen uns die Hände. Betty sieht mich an wie eine Mutter, die gerade ihrem Jüngsten das Versprechen abgerungen hat, bis zum Ende des Jahres auf das Rauchen zu verzichten.
„Dir ist es also wirklich ernst damit?“
„Ja, es ist mir ernst.“
„Gut,