Harter Ort. Tim Herden

Harter Ort - Tim Herden


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schaute ihn grimmig an. „Hatte ich Sie nach Ihrer Meinung gefragt?“

      „Nicht direkt.“

      Behm beließ es dabei. „Sascha!“, rief er nach seinem Assistenten. „Wir brauchen von allen Feuerwehrleuten und wer sonst noch hier in den letzten Stunden herumgetollt ist, Fingerabdrücke zum Vergleich. Die Fußspuren sind für den Ar … eh, ich meinte unbrauchbar“, verbesserte er sich, als er Nelly Blohm auf dem Vorschiff entdeckte.

      „Wird gemacht, Chef“, antwortete der junge Spurensicherer und notierte die Anweisung in einem Block.

      Während Behm jetzt in das Schiffsinnere kletterte, sprach er seine Beobachtungen in ein umgehängtes Mikrofon. „Nicht gerade gemütlich, diese ‚Bar Blue Mayday‘“, meinte er mit Blick auf das recht schlichte Mobiliar aus billigen Barhockern und Plastiktischen.

      Damp stand mit Bökemüller noch am Kai. Beide traten vor Kälte von einem Fuß auf den anderen.

      „Sollte nicht erst mal der Pathologe schauen, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt?“, fragte Damp leise. „Vielleicht hat sich Dehne hier nur einen eingetüdert, ist dann eingeschlafen und erfroren. Wie sagt man?, dumm gelaufen.“

      Krüger hatte Damps Worte trotzdem gehört. „Im Prinzip keine schlechte Theorie, Herr Kommissar. Aber wo ist dann bitte die leere Flasche? Ich frage mal nach.“

      Krüger lief zurück zur geöffneten Luke. „Behm?“

      „Was ist denn schon wieder?“, blaffte der Spurensicherer ärgerlich.

      „Haben Sie dort eine leere Flasche Alkohol gefunden?“

      Behm sah sich um. „Nö, hier ist nix.“

      „Dann könnte er natürlich die Flasche auch noch weggeworfen haben“, sagte Krüger leise zu sich. Er blickte sich um, doch der Schnee lag ringsherum so hoch, dass es sinnlos war, nach einer Flasche zu suchen. Allerdings entdeckte er etwas anderes. „Interessant“, flüsterte er. „Behm?“, rief er dann laut.

      „Mein Gott! Kann ich hier mal in Ruhe arbeiten?“

      Aber Krüger ließ sich nicht beirren. „Haben Sie das hier schon gesehen, Behm? Eine Skispur! Vom Schiff auf den Bodden.“

      Die Polizisten liefen heran und lehnten sich wie der Pathologe über die Schiffswand. Auf der Eisfläche des Boddens waren noch die Spuren von zwei Skiern zu erkennen, obwohl sie schon von Neuschnee überdeckt waren. „Wir könnten ihr folgen“, schlug Krüger vor.

      „Hier ist das Eis aber ziemlich brüchig, nachdem wir eine Rinne um das Schiff frei gekloppt haben.“

      Nelly hielt das nicht auf. Sie kletterte wieder zum Anleger hoch, lief dann ein Stück an Land, bis sie auf den vereisten Bodden abbog. Die Spur führte nach Süden, in Richtung der Fährinsel.

      „Mensch, Damp, trägt denn das Eis da draußen?“, fragte Bökemüller besorgt. „Die Frau hat doch ein Kind.“

      Damp zuckte mit den Schultern.

      „Keine Sorge, da ist es mittlerweile fast vierzig Zentimeter dick. Da können Elefanten drauf tanzen.“

      Nelly Blohm blieb plötzlich stehen. Sie hockte sich in den Schnee und schüttelte dann den Kopf.

      „Haben Sie was gefunden?“, schrie Bökemüller.

      Die Polizistin winkte ab und kam wieder zurück. „Die Spur endet da hinten. Ganz plötzlich. Wahrscheinlich ist die vom Neuschnee zugedeckt oder vom Wind verweht worden.“

      „Gestern Nacht, da habe ich einen Skifahrer hier in der Nähe vom Schiff gesehen. Als die Leiche entdeckt wurde. Er stand da hinten.“ Damp wies in Richtung der alten Pizzeria, die schon vor Jahren geschlossen hatte, aber deren Werbung immer noch an dem Haus prangte.

      „Wir sollten dem nachgehen“, meinte Bökemüller.

      Behm hatte mitgehört. „Sascha! Schau mal, ob du da eine Skispur findest.“

      Sein Assistent lief über den Kai zur geschlossenen Pizzeria. Da drehte er sich um und hob den Daumen. „Hier ist eine Spur. Sie führt hier weiter“, rief er.

      „Da ist der alte Poststeig entlang der Bäk zum Wiesenweg“, erklärte Damp. „Er endet fast genau am alten Postamt.“

      In Bökemüller erwachte der Jagdinstinkt des Polizisten. „Kommen Sie, wir sehen uns das selbst an.“ Er stürmte von Bord. Damp folgte ihm. Sie liefen Behms Mitarbeiter hinterher, der auf dem Weg schon weitergelaufen war, immer neben der Skispur.

      Als Damp und Bökemüller ihn erreichten, prüfte er gerade die Spur. Hier hatten die Bäume und das dichte Buschwerk verhindert, dass sie von Neuschnee bedeckt war. „Ich würde sagen, Langlaufski. Billigware. Plastikbeschichtung mit eingepressten Lamellen.“ Sascha hockte sich hin. „Sehen Sie hier. Ab und zu sieht man das Muster der Lauffläche. Ich schätze, der Besitzer nutzt kein Wachs. Ein Amateur.“

      Sie liefen weiter bis zum Wiesenweg. Dort endete die Spur, weil der Schneepflug schon die Straße geräumt hatte. „Mist“, fluchte Bökemüller. Der Spurensicherer nahm es gelassener. „Ich mache mal ein paar Aufnahmen von der Skispur. So kann man die Laufflächen vergleichen“, wandte er sich an Damp, „wenn euch doch einmal ein Skifahrer über den Weg läuft.“

      Da vernahmen sie plötzlich Geschrei aus Richtung der „Caprivi“. Damp und Bökemüller eilten zurück. „Sie können da nicht durch“, hörten sie Barnhöft rufen.

      „Ich muss aber.“ Es war eine weibliche Stimme.

      Als Damp und Bökemüller am Schiff ankamen, hielten zwei Feuerwehrmänner eine junge Frau an den Oberarmen fest. Sie strampelte und versuchte mit aller Kraft sich loszumachen. „Ich muss auf das Schiff. Ich suche meinen Chef!“

      „Wer soll das denn sein?“, fragte einer der beiden.

      „Martin Dehne, der Besitzer vom Hotel ‚Dornbusch‘.“

      Laura Ihlow umklammerte mit den Händen die Tasse mit dem dampfenden Tee. Sie saß auf dem Besucherstuhl im Hiddenseer Revier. Sie hatte ein schmales helles Gesicht mit vielen blassen Sommersprossen. Ihre langen rotblonden Haare fielen über die Schultern herab. Einige kräuselten sich leicht. In der Wärme des kleinen Polizeireviers wandelten sich die Eiskristalle in ihren Augenbrauen und Haarspitzen zu kleinen Wassertröpfchen und glitzerten nun im Licht der alten Neonröhre. Damp war überwältigt von der Schönheit der jungen Frau. Alles an ihr schien perfekt zu sein. Er schätzte sie auf Anfang, höchstens Mitte zwanzig. Sie strich sich ein paar feuchte Locken aus der Stirn und wirkte plötzlich nervös. „Stimmt etwas nicht?“

      „Nein, nein“, stammelte er. „Ich war nur in Gedanken“, fügte er verlegen hinzu. Nelly Blohm suchte in ihrer Reisetasche unterdessen nach ein paar trockenen Sachen. Durch den langen Weg im tiefen Schnee vom Hochland in Kloster bis nach Vitte war die Kleidung der Frau völlig durchnässt.

      Jetzt hielt die Polizistin ein Paar Jeans erst bei sich an und reichte sie dann der jungen Frau. „Mit Schuhen oder Stiefeln kann ich nicht dienen, aber die Hose könnte Ihnen passen. Wir haben ungefähr die gleiche Figur.“

      Damp zog sich kurz auf den Flur zurück, damit sich Laura Ihlow umziehen konnte. Nelly Blohm folgte ihm.

      „Wie wollen wir vorgehen?“, fragte sie ihn auf dem Flur.

      „Na, wie wohl?“, entgegnete Damp. „Wir fragen, was passiert ist. Und dann sehen wir weiter.“

      „Wäre es nicht besser, wenn ich als Frau …“

      „Noch bin ich hier der Revierleiter, Frau Blohm“, erklärte Damp ärgerlich. Rieder hatte ihm bei so manchem Fall die Wurst vom Brot genommen. Das würde ihm nicht wieder passieren.

      „Ich dachte ja nur …“, wandte Nelly Blohm ein, verschreckt von der Reaktion Damps.

      Sie


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