Harter Ort. Tim Herden

Harter Ort - Tim Herden


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ihre Ankündigung, ein paar Tage auf Dienstreise gehen zu müssen, nicht weiter tragisch genommen. Die Aussicht auf selbst gemachte Eierkuchen und Makkaroni mit Tomatensoße, die keiner besser machen konnte als seine Oma, war ihm Trost genug. Aber dann hatte er bei Nelly eine Wunde aufgerissen. „Triffst du den Stefan auf Hiddensee?“

      Lukas hatte Stefan Rieder kennengelernt, als er im Herbst einmal bei ihr übernachtet hatte. Ihr Sohn hatte ihren Hiddenseer Kollegen gleich gemocht und beide hatten eine Weile miteinander gespielt. Lukas hatte Stefan Rieder nicht vergessen.

      „Er wollte doch wiederkommen und mit mir spielen. Das hat er mir versprochen.“

      „Du weißt doch, dass Stefan sehr krank ist. Deshalb haben wir doch auch in seinem Haus in Vitte gewohnt, als ich ihn dort vertreten habe. Und jetzt mach ich das wieder.“

      „Wie lange ist der Stefan noch krank?“, fragte Lukas weiter.

      „Ich weiß es nicht.“

      Nellys Augen waren feucht geworden, wie immer, wenn sie an Stefan Rieder erinnert wurde. Er würde sicher nie wieder in diese Wohnung kommen, nie wieder mit Lukas spielen und nie wieder mit ihr das Bett teilen, wie in dieser einzigen gemeinsamen Nacht. Silvester hatte sie sich beim Anstoßen mit ihrer Mutter auf das neue Jahr im Stillen versprochen, nein: befohlen, sich Rieder endlich aus dem Herzen zu reißen. Aber das war leichter gesagt als getan. Als sie aus dem Fenster schaute, sah sie eine Frau die Straße heraufkommen. Sie pflügte mit ihren schnellen Schritten durch den Schnee. Nelly erkannte sie trotz Mütze sofort.

      „Oma kommt“, rief sie Lukas zu. Der Junge sprang vom Tisch auf, rannte zur Tür und stürmte den Hausflur hinunter. ‚Nicht gerade sehr vorsichtig für eine Polizistin und Mutter‘, dachte Nelly bei sich. Sie klappte den Laptop zusammen, denn sie hatte schon versucht, ein paar Dinge über den Toten, einen gewissen Martin Dehne, zu erfahren, war aber nicht weit gekommen.

      Ihre Mutter kam herein, von Lukas mit tausend Fragen bedrängt, was sie alles tun würden, denn der Kindergarten hatte noch bis zum Ende der Woche geschlossen. Nicht gerade praktisch für berufstätige Mütter wie Nelly. Sie hätte noch Urlaub gehabt, aber nun rief sie die Pflicht.

      Nellys Mutter nahm sich einen Kaffee. „Ist das eine gute Idee?“, fragte sie ihre Tochter. „Was meinst du?“

      „Tu doch nicht so. Du weißt ganz genau, was ich meine. Hiddensee wird dir nicht guttun. Erinnere dich, wie du im Dezember wiedergekommen bist. Total durcheinander, weil du diesen Rieder nicht aus dem Kopf bekommst.“

      Ihre Mutter setzte sich an den Tisch.

      „Das ist vorbei“, belog Nelly sich und ihre Mutter. „Jetzt geht es um einen Fall. Vielleicht einen Mord. Das ist auch eine Chance.“

      „Ich glaub dir kein Wort. Wie willst du überhaupt rüberkommen? Fährt doch kein Schiff.“

      „Mit dem Hubschrauber. Die Kollegen der Spurensicherung holen mich vom Flugplatz Güttin ab.“

      „Außerdem hast du noch Urlaub.“

      „Mutti! Du erinnerst dich doch sicher noch an die Zeiten mit Papa, wie das bei einem Polizisten sein kann.“

      „Ja, das tu ich. Ich weiß es noch sehr gut“, seufzte ihre Mutter. „Sein Pflichtbewusstsein hat ihn mit dreiundsechzig ins Grab gebracht. Immer war jeder Fall wichtiger als die Familie oder Urlaub.“

      Nelly legte ihrer Mutter die Arme von hinten um den Hals. „Vielleicht ist es doch nur ein Unglücksfall und ich bin heute Abend schon wieder zurück.“

      Ihre Mutter griff nach ihren Händen und drückte sie. „Du bist jedenfalls ganz die Tochter deines Vaters. So hat er mich auch immer vertrösten wollen. Dann war er Tage, Wochen weg, kam nur mal nach Haus, um die Wäsche zu wechseln.“

      Lukas kam durch die Tür und schleppte mehrere Kinderbücher heran. Er legte sie auf den Tisch. „Kannst du mir jetzt endlich vorlesen?“, quengelte der Kleine und versuchte den Schoß seiner Oma zu erklimmen.

      „Ich seh schon, ich werde hier nicht mehr gebraucht“, bemerkte Nelly spitz. „Ich muss auch los. Bis später, ihr beiden.“

      Malte klopfte nicht an. Er öffnete einfach die Tür zum kleinen Polizeirevier im Rathaus Vitte. Er schlug den Schnee von seinen Klamotten und ließ sich auf Rieders ehemaligen Stuhl fallen. Sein Blick blieb an dem Weihnachtsstern hängen. „Was ist das? Damp, hast du den grünen Daumen entdeckt?“

      „Ist ein Überbleibsel von der Blohm.“

      „Ach, die hübsche Polizistin aus Bergen. Die sah nicht schlecht aus.“

      „Seit wann interessierst du dich für Frauen?“, fragte Damp.

      „Nicht von sich auf andere schließen“, antwortete Fittkau. Er prüfte mit dem Finger die Feuchtigkeit im Blumentopf. „Der braucht mal Wasser.“

      „Bin ich hier bei, Du und Dein Garten‘? Mir doch egal, was aus dem Topf wird.“

      Malte lehnte sich zurück und betrachtete den Schreibtisch genauer. „Ich verstehe. Das war so eine Art Andenken an den Kommissar. Hatten die beiden was miteinander?“

      Damp zuckte mit den Schultern.

      „Hast du denn mal was von Rieder gehört?“

      Damp schüttelte den Kopf.

      „Schon klar“, meinte Malte. „Du und Rieder, ihr wart nicht unbedingt das Traumpaar hier auf der Insel. Aber …“

      „Können wir zur Sache kommen“, unterbrach Damp ihn barsch. „Hast du was über unsere Leiche, diesen Dehne rausbekommen?“

      Malte setzte seine Schapka ab und legte sie auf den Tisch. Dann öffnete er seelenruhig seine Jacke. Damp wurde ungeduldig. Er rutschte auf seinem Stuhl unruhig hin und her.

      „Damp, was du auch nach zwanzig Jahren Marktwirtschaft noch nicht begriffen hast: das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Da bist du nicht der Einzige hier auf der Insel. Aber das nur mal so nebenbei. Um es klar zu sagen: Du willst was von mir, denn ich habe nicht blöd vor einem Haus in Vitte Süderende gestanden, in dem kein Mensch mehr wohnt, sondern …“, er zeigte grinsend auf Damp, „du! Und wer kann dich von dieser Unwissenheit befreien?“ Er drehte den Finger in seine Richtung. „Ich.“

      „Schon gut. Also, was hast du erfahren?“

      „Es wird dir nicht gefallen.“ Malte beugte sich nach vorn. „Dehne hat das Haus und das Haus der Eltern seiner Frau in der Dünenheide im vergangenen Frühjahr verkauft. Die ist übrigens vor etwas mehr als zwei Jahren an Krebs gestorben. War wohl ziemlich hart für Dehne. Und weißt du, an wen er verkauft hat?“ Malte machte eine Kunstpause. Damp verdrehte die Augen. „An Ulrike und Peter Stein.“

      Damp schnappte wie ein Fisch nach Luft. Malte bekam schon Angst, der Polizist würde kollabieren, aber dann atmete er tief aus und schüttelte sich. Es war Ulrike Stein gewesen, die Damp und Rieder mit gezogener Waffe gezwungen hatte, in ein Paddelboot zu steigen, um sie auf der Ostsee dem fast sicheren Tod entgegentreiben zu lassen.

      „Und das ist noch nicht alles“, setzte Malte seinen Bericht fort, nachdem er sicher war, dass sich Damp etwas erholt hatte. „Die Häuser werden jetzt von der Hausverwaltung Zabel betreut.“

      „Zabel?“

      „Kurt und Marie Zabel.“

      Das waren Freunde von Ulrike Stein. Sie hatten ihr ein falsches Alibi für den Mord an ihrem Mann, dem Bauunternehmer Peter Stein, gegeben.

      „Sitzen die nicht im Knast wegen Beihilfe?“, fragte Damp wütend.

      „Bist du der Polizist oder ich?“

      „Wieso verwalten die Zabels jetzt die Häuser der Steins? Da war doch noch der Bruder von dem Peter Stein? Dieser Jan!“

      Malte schüttelte den Kopf. „Du


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