Dien Bien Phu. Harry Thürk

Dien Bien Phu - Harry Thürk


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gegen die japanische Besatzung bewaffneten Widerstand leistete, die Okkupanten besiegte und die Republik proklamierte.

      Damit aber begann ein neuer Kampf gegen den alten Feind, den französischen Kolonialismus. Er führte nach Siegen und Niederlagen schließlich zu der letzten Schlacht, um Dien Bien Phu, die endlich die Unabhängigkeit Vietnams von Frankreich zur Tatsache machte.

       Truong Chinh

      Der 1907 in der Provinz Nam Dinh geborene Lehrerssohn gehörte seit seinem 18. Lebensjahr zur revolutionären Bewegung in Vietnam. Drei Jahre später verhafteten ihn die Franzosen, und er mußte sechs Jahre im Gefängnis verbringen. Nach Beginn des zweiten Weltkrieges kämpfte er als Partisan zuerst gegen die japanischen Okkupanten und später wieder gegen die Franzosen, die ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilten. Truong Chinh leitete das oberste Gremium des Volksaufstandes gegen die zurückgekehrten Franzosen.

      Seit 1941 war er Generalsekretär des ZK der Partei. Mit Ho Chi Minh, Pham Van Dong und Vo Nguyen Giap zusammen war er an der Planung und Leitung der Schlacht um Dien Bien Phu beteiligt.

       Pham Van Dong

      1906 geboren, gehörte er schon als Student zur revolutionären Bewegung in Vietnam. 1929 wurde er von den französischen Kolonialtruppen gefangengenommen und auf die berüchtigte Gefängnisinsel Poulo Condor geschafft.

      1936 konnte er freikommen. Von da an arbeitete er mit anderen führenden Revolutionären, vor allem mit Ho Chi Minh, an der Befreiung, lange Zeit im Süden des Landes. Er wurde Außenminister der Volksregierung. 1954 nahm er als Vertreter der DRV an der Genfer Konferenz über die Beendigung des Indochina-Krieges teil.

       Vo Nguyen Giap

      Er wurde 1912 in Vinh (Zentralvietnam) geboren und reihte sich bereits als junger Mann in den antikolonialistischen Kampf seines Landes ein. Während er später an der Universität Hanoi Geschichte und Geographie lehrte, gehörte er schon zum Zentrum der kommunistischen Bewegung und arbeitete illegal mit Ho Chi Minh zusammen.

      1940 entzog er sich der drohenden Verhaftung durch Emigration nach China. Doch bereits zwei Jahre später war er wieder in seiner Heimat, wo er im bewaffneten Widerstand gegen die ins Land eingedrungenen Japaner aus den ersten, verstreut operierenden Partisanengruppen den Kern der späteren Volksarmee formierte.

      Ho Chi Minh hatte schon in den Anfängen des antikolonialistischen Aufbegehrens die großen Fähigkeiten des Historikers Giap erkannt und arbeitete eng mit ihm zusammen. In der ersten Provisorischen Regierung der mit der Augustrevolution 1945 ausgerufenen Republik Vietnam bekleidete Giap das Amt des Innenministers. Mit Einsetzen der französischen Intervention und der Verstärkung des Befreiungskrieges widmete er sich mehr und mehr militärischen Aufgaben und entwickelte sich zu einem umsichtigen mutigen Feldherrn. 1953/54 leitete er die Operationen der Volksarmee bei Dien Bien Phu, die das Ende des französischen Kolonialregimes herbeiführten.

      Bis ins hohe Alter blieb Giap an der Seite des Präsidenten Ho Chi Minh Verteidigungsminister.

       Gaston le Fou

      »Alle Huren versammelt?« fragte der Capitaine in streng militärischem Ton, als sich am Eingang der Maison de France, dem Sitz des französischen Hochkommissars von Vietnam, der Wachführer, ein Lieutenant, vor ihm aufbaute.

      »Geh nach Hause, Gaston«, riet der Lieutenant dem Capitaine mit gedämpfter Stimme. »Du weißt, es gibt Ärger …«

      Der Capitaine ließ sich nicht so einfach abweisen. Für heute, den 21. Mai 1953, hatte Hochkommissar Jean Letourneau, den manche Leute den biblischen Fürsten von Tongking nannten, zu einem großen Abendempfang eingeladen. Hanoi war um diese Zeit schon ein ziemlich heißer Ort, es gab keinen Regen. Wie immer unterschieden sich hier im Delta des Roten Flusses die Tagestemperaturen kaum von denen, die abends und nachts herrschten. Altgediente Kolonialoffiziere allerdings meinten, dieser auslaufende Frühling gliche einem angenehmen europäischen Hochsommer.

      »Ich muß die Ärsche aller Huren sehen!« beharrte Capitaine Gaston Janville. »Nur wenn ich die Ärsche kontrolliere, kann ich Dung wiedererkennen. Im Gesicht unterscheidet sie sich kaum von tausend anderen Gelben, besonders wenn sie sich schminkt. Aber ihr Arsch – er ist unvorstellbar. Und unverwechselbar, seit damals nämlich …«

      Der Wachführer zog ihn behutsam von der Freitreppe fort, zur Seite, wo er versuchen wollte, ihm das Eindringen in die feine Abendgesellschaft des Hochkommissars auszureden. Jeden anderen hätte der Lieutenant sofort abführen lassen – Gaston war ein Sonderfall. Man nannte ihn nicht umsonst Gaston le Fou, Gaston der Narr. Und so hörte er sich geduldig wieder einmal die alte Geschichte an, die er längst kannte: Dung, eine vietnamesische Prostituierte, war die große Liebe des Capitaine gewesen, bevor man ihn mit einer kleinen Truppe nach dem östlichen Laos geschickt hatte, auf Fernpatrouille. Oberbefehlshaber Salan hatte sich eine nachhaltige Störung der laotischen Befreiungsaktionen von solchen schlagkräftigen Einheiten versprochen. Von versteckten Stützpunkten aus sollten sie das Hinterland des Gegners verunsichern. Gaston Janville war auf dem Hügel 743 gelandet, zwölf Soldaten, mitten im ewig grünen, verfilzten Regenwald des nördlichen Laos, wo es zwischen Hügeln und Flüssen keine Straßen mehr gab, nur noch schwer zu entdeckende Pfade und Wildwechsel.

      »Sie ist als Kind von einem Affen gebissen worden. Eine schreckliche Wunde, deren Narbe heute noch zu erkennen ist. Wenn ich nur die Ärsche kontrollieren kann …«

      Er wollte wieder zum Eingang, aber der Chef der Wache hielt ihn mit sanfter Gewalt zurück und redete beruhigend auf ihn »Sie ist nicht unter den Weibern hier, Gaston. Ich habe sie selbst in Saigon gesehen; sie lebt jetzt dort!«

      Janville schüttelte den Kopf. »Das würde sie nie tun, lieber Freund! Sie ist mir treu. Sie wartet auf mich, sie erkennt mich nur nicht. Es war dunkel, damals. Und ich muß ihren …«

      »Ja, ja«, fiel der andere ihm ins Wort. »Wenn du die Narbe siehst, klar. Nur – Dung lebt tatsächlich in Saigon. Findest sie im ›Arc-en-Ciel‹; das Lokal gehört ihr. Ehrlich, Gaston, du kannst mir das glauben, sie hat mich nämlich nach dir gefragt. Und jetzt geh, bevor es Ärger gibt. Saigon, ›Arc-en-Ciel‹. Flieg mit der nächsten Maschine ’runter, mach sie glücklich!«

      Es war dem Lieutenant gelungen, den anderen zumindest nachdenklich zu machen. Jedenfalls empfand er es so. Janville versuchte nicht mehr, sich aus dem Griff des Wachführers zu befreien.

      Gaston war alles andere als bösartig, obwohl er gut einen Meter neunzig maß, ein Hüne mit kohlschwarzem Haar unter dem hohen Képi der Armee. Dunkle Augen, die hilflos blickten, wenn er nachzudenken versuchte, wie jetzt. Eines der unzähligen tragischen und von den meisten belächelten Schicksale, die es in dieser Kolonialarmee der Franzosen gab. Dort, auf dem obskuren Hügel 743, war er mit seinen Soldaten in einen Hinterhalt geraten. Wie alles verlaufen war, blieb ungeklärt, weil Gaston Janville der einzige war, der es überlebte. Seine Leute fielen unter den Schüssen der Pathet-Lao-Soldaten, die vor und hinter dem gepanzerten Mannschaftswagen, der die Truppe beförderte, je einen Baum so gefällt hatten, daß die Straße blockiert wurde. Janville war, wie er selbst sich nach und nach erinnerte, vor dem Fahrzeug im Schrittempo marschiert, um nach vorn zu sichern. Ihn hatte der vordere Baum voll getroffen, am Kopf. Viel später, als sich weitum nichts mehr regte, war Janville aus seiner Betäubung erwacht. Er hatte Mühe gehabt, sich zurechtzufinden, und war dann, nachdem er sich von jedem seiner toten Männer verabschiedet hatte, zwei Monate lang durch Busch und Savanne getrampt; allein mit seinem Kompaß und dem lächerlichen Dienstrevolver, den die Pathet-Lao-Soldaten übersehen hatten.

      Als er beim ersten französischen Außenposten am Schwarzen Fluß ankam, war er nicht nur total erschöpft und halb verhungert gewesen, seine Haut war von Dschungelgeschwüren bedeckt, und widerliche Egel hatten sich an vielen Stellen festgesaugt – Janville konnte sich nur schlecht darauf besinnen, was überhaupt geschehen war. Er gab an, er käme von einer Beerdigung und hätte sich verlaufen.

      Einige Wochen vergingen, ehe sich bei ihm Spuren von Erinnerung zeigten, doch auch was Janville dann erzählte, war konfus. Er blieb im Lazarett stationiert, ein Objekt


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