Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
angenagelt standen die beiden Outlaws vor den bastgeflochtenen Schwingarmen der Tür.
»Bildhübsches Weib!«
Der Wirt vom Nugget Saloon schnalzte mit der Zunge.
Da wirbelte Clint Harper herum, in seinen Augen blitzte es auf.
»Du sagst ›war‹?«
»Ja.« Der Wirt rieb sich die Hände. »Wollt ihr nicht noch einen Kleinen mit auf den Weg nehmen? Oder wärmt ihr beide euch hier nur auf, um anschließend mit der gesamten Familie bei Eddy Corner den Kanal vollzuschlauchen? Bei mir ist es euch wohl zu still, he? Weil ihr Schafsköpfe seid und nichts von Vornehmheit versteht! Der Höllenlärm bei Corner bringt einen vernünftigen Menschen doch um. Und außerdem kassiert der liebe Eddy ganz schön, wenn seine Gäste erst mal warm geworden sind.«
»Du hast ein ziemlich großes Maul, Ric!«
Der Wirt fauchte:
»Stimmt es vielleicht nicht? Dabei habe ich erst vor zwei Jahren extra das teure Orchestrion gekauft. Habe mehr Transportkosten bezahlt, als der ganze Klimperkasten wert ist – und kein Mensch hat einen Cent dafür übrig.«
Clint Harper war einfältig oder aber rigoros genug, zu fragen:
»Was war mit der Frau…?«
»Sie ist verschwunden. Vor drei Tagen schon.«
»Was…?«
»Yeah.«
»Und der Mann, er war doch verwundet, hast du erzählt.
»Er ist auch verschwunden.«
Die beiden Harpers blickten drein, als sei ihnen die Suppe versalzen worden.
»Es scheint eine neue Krankheit in Clarence zu sein, spurlos zu verschwinden…«, meinte der Salooner feixend.
*
Die Harpers standen auf der Straße und starrten nach Osten.
»Sie ist verschwunden«, stieß Clint rostig hervor.
»Und das schon vor drei Tagen!« fügte Joe hinzu.
»Wir müssen ihr sofort folgen. Sie kann mit dem Wagen doch unmöglich schnell vom Fleck kommen.«
»Sie können schon in Budale oder in Florencetown sein. Es hat keinen Zweck!«
»Wir müssen sie finden!« krächzte Clint.
»Nein«, sagte Joe rauh. »Im Gegenteil: Jetzt sind wir es, die verschwinden müssen.«
Er hatte es ganz ruhig gesagt, so, als sei es die selbstverständlichste Sache von der Welt.
»Verschwinden«, krächzte Charly, »bist du verrückt? Wo sollen wir denn hin? Und vor allem, weshalb?«
»Wohin ist einerlei! Weshalb? Weil die Frau jedem Sheriff erzählt haben kann, was sie weiß.«
Das leuchtete dem anderen ein.
Der Alte klopfte seine zernagte Maiskolbenpfeife aus und knurrte ärgerlich:
»Wir müssen also verschwinden. Das ist das Ende. Fünfunddreißig Jahre habe ich hier in diesem Land gewohnt, habe mich mit den verfluchten Pineridges herumgeschlagen, habe die Jeffersons abgeschlagen und die anderen, die mich dann noch bekämpfen wollten, der Reihe nach unter die Erde gebracht. Und jetzt kann ich fliehen, von meinem eigenen Grund und Boden.«
Joe hatte eine Idee.
»Nein, wenn wir fliehen, schöpfen sie Verdacht und folgen uns. Das wird anders gemacht.«
Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern und erklärte den anderen seinen Plan.
Dann stampften sie auf Eddy Corners vernebelte Whiskykate zu.
Sie postierten sich vor der Theke, nahmen ihren Drink, und plötzlich hob Joe den Kopf.
»Müssen wir denn unbedingt alle mitkommen, Vater?«
Der Alte blickte nicht auf.
»Yeah.«
»Aber das ist doch ein Wahnsinn, mit dem ganzen Verein diesen endlosen Trail abzurollen.«
Ady Corner, der sonst ein ziemlich träger Bursche war, spitzte nun doch die Ohren.
»Wo soll’s denn hingehen?«
Joe winkte ab. »Eine Verrücktheit ist das.«
Clint stieß ihm seinen Ellenbogen derb in die Seite.
»Wenn Vater sagt, daß wir alle mitmüssen, reiten wir eben alle mit, und damit Schluß!«
Der Wirt bohrte eine halbe Stunde, bis er aus den Harpers das Ziel und den Grund der Reise erfahren hatte, das heißt, das Ziel erfuhr er nur insoweit, als man ihm gesagt hatte, daß es noch hinter dem Shenandoah-Tal liege, das Nest, das sie aufsuchen müßten.
»Das sind ja fast tausend Meilen!« meinte der Wirt entsetzt.
Da hob der alte Harper den Kopf und fauchte den Wirt an.
»Es ist mein Bruder!« Und während er wieder den Kopf senkte und ins Glas stierte, fuhr er fort: »Wir reiten hin, und wenn es zehntausend Meilen wären.«
»Die sind es ja«, meinte Joe respektlos. »Und schließlich müssen wir ja auch wieder zurück.«
Raffiniert, was der junge Harper da ausgebrütet hatte: Der Bruder des Alten wäre gestorben, und deshalb müßten sie hin.
Und die Negerin? Die blieb auf der Ranch.
Die Harpers waren ihrer sicher, denn die alte Frau hätte niemals gewagt, auch nur ein Sterbenswörtchen von dem Verbrechen zu verraten.
»Hätten wir die Ranch nicht lieber verkaufen sollen?« fragte Charly, als sie wieder draußen bei den Pferden waren.
Joe winkte ab. »Auf keinen Fall. Damit hätten wir uns sofort verraten. Die Leute wüßten dann, daß wir nicht wiederkommen wollen.«
»Du willst sie also schießen lassen, die Ranch?«
»Halt’s Maul!« unterbrach Clint seinen jüngsten Bruder. »Wenn gekämpft wird, entscheide ich, wenn gedacht wird, entscheidet Joe.«
Kämpfen nannte er es, wenn er den Revolver zog, der Sheriffsmörder von den Pineridge Plains.
Joe rieb sich das Kinn. »Die Ranch ist nichts wert. Die Hütten sind ohnehin halb zerfallen. Die Pferde, die im Corral waren, haben wir bei uns…«
»Und die Rinder?« begehrte der Alte auf.
Da lachten seine vier prächtigen Söhne wild auf.
»Die gehören uns ohnehin nicht, Dad. Deine alte Herde haben wir schon vor Jahren verkauft, und was auf der Weide steht, ist entweder ungebranntes oder glattes Vieh, das aber mühelos von jedem Besitzer herausgekannt wird.«
Joe Harper schob sich den Hut aus der Stirn.
»Trotzdem, Vater hat recht. Wir können die Rinder nicht zurücklassen, denn das ist das erste, worüber die anderen stolpern.«
»Sollen wir sie etwa mitnehmen?«
Joe schüttelte den Kopf.
»Wir werden sie verkaufen.«
»Verkaufen?«
»Yeah, und zwar sofort.«
Die fünf Harpers machten sich auf den Weg zu Clark Fenner, dem Vieh-agenten, der unten am Teich wohn-
te.
Fenner war ein kleiner, dickleibiger Mensch mit hochrotem, massigem Schädel und whiskyrauher Stimme.
Er kam im grünen Morgenrock an die Tür und musterte die späten Besucher mit mißtrauischen Blicken.
Als er erfuhr, was die Harpers wollten, schüttelte er zunächst den Kopf.
Fenner kannte alle Herden der umliegenden