Butler Parker Staffel 9 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Missis Hynes?« erkundigte sich Parker, als sie auf das schäbige, kleine Haus zuging, das einen verfallenen Eindruck machte.
»Ja …?« Sie lächelte kokett und wirkte dadurch noch ordinärer.
»Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, »Sie kennen meine bescheidene Wenigkeit?«
»Noch nie gesehen!« sagte Mrs. Hynes und lächelte einladend, »woher kennen Sie mich?«
»Ich war so frei, mich nach Ihnen zu erkundigen.«
»Warum? Sie sind aber bestimmt nicht aus Lemmon Bay, oder?«
»Auf der Durchreise«, erklärte der Butler, »wie ich erfahren haben, Missis Hynes, soll ich Ihren Jungen um ein Haar angefahren haben.«
»Sie sind das?« Sie hatte plötzlich schmale, gierige Katzenaugen.
»Ich soll es gewesen sein«, verbesserte Parker höflich, »aber sollte man sich über diese Einzelheiten nicht im Haus unterhalten? Falls ich Ihnen Schlimmes getan haben sollte, bin ich selbstverständlich bereit, einen gewissen Schadenersatz zu leisten.«
»Kommen Sie rein in die gute Stube«, lud sie den Butler ein, »ich habe zwar noch nicht aufgeräumt, aber das wird Sie ja kaum stören.«
Mrs. Hynes hatte stark untertrieben. Sie schien nicht nur seit einigen Wochen nicht mehr aufgeräumt zu haben, sondern ihre kleine Zweizimmerwohnung glich einem einzigen Chaos. Es roch nach abgestandenem Bier und saurem Essen.
»Sie wollen also was ausspucken?« fragte sie, sobald sie in ihrer Wohnung waren.
»Innerhalb einer gewissen Grenze«, schränkte der Butler ein. »Darf ich in Erfahrung bringen, wann und wo dieser Zwischenfall um ein Haar passierte?«
Sie erzählte ihm eine lange, völlig zusammenhanglose Geschichte. Sie verhedderte sich immer wieder und ließ schon nach knapp zwei, drei Minuten erkennen, daß sie log. Und das noch nicht mal geschickt.
»Darf ich das bedauernswerte Kind mal sehen?« fragte Parker, als Mrs. Hynes geendet hatte.
»Jerry!?«
»Gewiß«, sagte Parker, »ich habe dem Kleinen ein Spielzeug mitgebracht.«
Mrs. Hynes rief nach dem Kind. Sie schrie sich Sekunden später fast die Kehle heiser, aber der kleine Jerry war nicht aufzutreiben.
»Der hat sich wohl aus Angst versteckt«, sagte Mrs. Hynes, die besorgte Mutter, »können Sie sich ja vorstellen … Der Schock und so … Wieviel wollen Sie ausspucken?«
»Woran haben Sie denn gedacht?«
»Fünfzig Dollar …«
»Fünfundzwanzig«, korrigierte der Butler, »mehr hätten Sie von Mister Banding sicher nicht erhalten, oder?«
»Der wollte nur mit zwanzig Mäusen ’rausrücken«, sagte sie völlig arglos. Sie merkte überhaupt nicht, wie sehr sie sich verplappert hatte. Sie kassierte das Geld und brachte ihn bis zur Tür. Parker stellte inzwischen das Miniatur-Tonband ab, das sich in seiner Rocktasche befand. Er hatte den Beweis, den er dringend brauchte, falls Banding und Malone diese Unterstellung weiter ausbauen würden.
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Es handelte sich um einen Landsitz, der sich wirklich sehen lassen konnte.
Malones Haus, im neo-spanischen Stil erbaut und zweistöckig, lag am Strand südlich von Lemmon Bay, inmitten einer weiten, gepflegten Parkanlage, die von einer fast übermannshohen Mauer umgeben wurde. Zum Strand war das Grundstück weit geöffnet.
Parker gab sich zu erkennen, worauf es auf der Gegenseite für lange Sekunden still wurde.
»Mister Malone erwartet Sie«, hörte er endlich. Das Tor öffnete sich elektrisch, und Parker rollte in seinem hochbeinigen Monstrum bis knapp vor das Haus.
Als er hielt, erschien die ihm bereits bekannte Hundemeute auf der Bildfläche und schwärmte hechelnd aus. Die Bluthunde machten einen sehr scharfen Eindruck und ließen den Butler nicht aus den Augen, als er dennoch ausstieg.
In der Haustür erschien Malone.
»Zurück in den Wagen!« schrie er besorgt, »die Hunde werden Sie zerfetzen.«
Parker schien überhaupt nichts gehört zu haben. Er trat ins Freie und schlug die Wagentür hinter sich zu, worauf die Bluthunde sich wie besessen auf ihn stürzten.
Um ihn dann allerdings fast schwärmerisch zu umspielen. Sie schienen sich in den Butler vernarrt zu haben. Sie sprangen jaulend und spielerisch an ihm hoch, umschwärmten ihn und folgten ihm wie die sagenhaften Raten dem Flötenspieler.
Malone war nicht nur beeindruckt, er war außer sich. Er starrte auf die Szene, schluckte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Wie machen Sie das?« fragte er, als Parker ihn erreicht hatte. Die Bluthunde ignorierten ihren Herrn und Meister und befaßten sich ausschließlich mit dem Butler, der sich niederbeugte und die lieben Tiere streichelte und beklopfte.
»Ein relativ einfacher Vorgang«, erklärte der Butler, »in meinem bescheidenen Gepäck befindet sich stets ein Hormon, auf das männliche Hunde verständlicherweise erfreut reagieren. Es stammt von Hündinnen und kann in Sprayform auf die jeweilige Kleidung aufgetragen werden. Ich möchte allerdings nicht verhehlen, daß dieser Hormon-Spray im normalen Handel noch nicht zu beziehen ist!«
John Malone räusperte sich betreten und warf seinen Bluthunden einen drohenden Blick zu, um den die Tiere sich allerdings nicht sonderlich scherten.
»Kommen Sie ins Haus«, sagte er dann zu Parker, »ich habe ihnen einen Vorschlag zu machen.«
»Auf den ich, offen gestanden, bereits warte«, erwiderte der Butler und hatte Mühe, die Bluthunde vor der Tür zu lassen.
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»Ich gebe zu, Sie und Mister Rander völlig unterschätzt zu haben«, gestand Malone, als sie in seinem Arbeitszimmer waren, das im englischen Clubstil eingerichtet war, »ich gebe auch zu, daß Sie mich bisher auf der ganzen Linie hereingelegt haben.«
»Ein offenes Wort, Mister Malone.«
»Ich ziehe meine Konsequenzen daraus«, redete Malone weiter, »ich möchte Sie kaufen. Äh, ich meine natürlich, ich möchte Sie an mich binden – engagieren!«
»Sie fragen nicht, für wen Mister Rander und meine bescheidene Person arbeiten?«
»Ich werde in jedem Fall mehr zahlen!«
»Sie reden sehr unverblühmt, Mister Malone.«
»Ich bin für den direkten Weg. Und ich halte Sie für intelligent genug, mitzuziehen.«
»Welcher Aufgabenbereich würde Mister Rander und meine bescheidene Person erwarten?«
»Sie könnten den Ankauf dieses Küstenstreifens übernehmen. Und dann später die Verkaufsverhandlungen.«
»Sie würden, wenn ich Sie recht verstanden habe, Mister Rander und meine Wenigkeit einen langfristigen Vertrag anbieten?«
»Natürlich.«
»Die Besitzer gewisser Grundstücke werden Schwierigkeiten machen.«
»Sie müssen Sie eben aus dem Weg räumen, Mister Parker! Wie, das ist Ihre Sache. Um Details kümmere ich mich nicht.«
»Wie haben Sie das bisher handhaben lassen, Mister Malone?«
»Ich sagte Ihnen schon, daß ich mich um Einzelheiten nie kümmere. Mich interessieren nur Resultate. Und das hat sich bisher ausgezahlt. Bis auf ein paar Schlüsselgrundstücke habe ich diesen Küstenstreifen fest in der Hand. Und den Rest müssen Sie mir besorgen!«
»Angenommen, Mister Malone, es existieren da einige Besitzer von Grundstücken, die partout nicht verkaufen wollen. Könnte man in solchen Fällen nicht Sheriff Banding einschalten?«
»Einzelheiten