Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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zuviel. Nur noch selten traf er sie daheim an, wenn er nach einem arbeitsreichen Tag abgespannt nach Hause kam. War sie jedoch da, machte sie ihm plötzlich unbegründete Eifersuchtsszenen, verdächtigte ihn mit seinen weiblichen Angestellten immer wieder, sie wisse genau, dass er sie auf seinen vielen Geschäftsreisen mit leichtfertigen Mädchen betrüge.

      Ihr Zusammenleben wurde dadurch unerträglich. Als er ihr in seiner Verzweiflung sagte, er wolle sich von ihr scheiden lassen, flehte sie ihn an, bei ihr zu bleiben und ihr zu verzeihen.

      Enno ließ sich noch einmal erweichen. In der folgenden Nacht liebten sie einander mit einer Leidenschaft wie in den ersten Monaten ihrer Ehe. Aber schon ein paar Tage später bekam Betty einen neuen hysterischen Anfall. Sie warf ihm Dinge an den Kopf, die er lieber vergessen wollte. Nach einer heftigen Auseinandersetzung packte sie schließlich ihre Koffer und fuhr zu ihren Eltern nach Amsterdam, entschlossen, sich von ihm zu trennen.

      Ihm kam es damals mehr als gelegen, dass eine lange Geschäftsreise ins Ausland vor ihm lag. Mit kurzen Unterbrechungen hielt er sich in den nächsten Monaten in den verschiedensten Ländern auf.

      Endlich entschloss er sich, die Scheidung einzureichen. Denn Betty lehnte es strikt ab, noch einmal nach Essen zurückzukehren. Also übergab er die ganze Angelegenheit seinem Anwalt.

      Aber dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Sein Anwalt rief ihn an und bat ihn, sobald wie möglich zu ihm in die Kanzlei zu kommen, weil er etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen habe.

      Fassungslos saß Enno bald darauf seinem Anwalt gegenüber, der ihm einen Brief von Betty vorlas. Sie schrieb, sie sei mit allen Bedingungen der Scheidung einverstanden. Aber sie bestehe darauf, das Kind, das sie erwarte, zu behalten. Er, Enno, solle alle Rechte auf das Kind an sie abtreten.

      Noch heute glaubte er seine eigene Stimme zu hören, als er tonlos fragte: »Was für ein Kind?«

      »Ihre Frau schreibt unter anderem, dass Sie sich kurz vor Ihrer endgültigen Trennung noch einmal versöhnt hätten.«

      Ja, das stimmte. Enno erinnerte sich genau an die leidenschaftliche Umarmungen der letzten Nacht, die sie zusammen verbracht hatten. Diese Nacht hatte ihm also die Erfüllung seines größten Wunsches gebracht. Einen Erben.

      Daraufhin erklärte er, unter diesen Umständen ließe er sich auf keinen Fall scheiden. Schon bald erfuhr er, dass Betty im Prinzip damit einverstanden sei, ihn selbst aber erst nach der Geburt des Kindes, das in zwei Monaten zur Welt kommen müsse, wiedersehen wolle.

      In seiner Freude über das Baby hatte er sich damals in alles gefügt. Er war unendlich glücklich, als er seinen Sohn zum ersten Mal in den Armen hielt. Nach der Rückkehr von einer längeren Geschäftsreise hatte er das Telegramm mit der glücklichen Nachricht daheim vorgefunden und war noch am gleichen Tag nach Amsterdam gefahren.

      Betty war bereits aus dem Krankenhaus entlassen und erwartete ihn bei ihren Eltern. Lächelnd führte sie ihn in das Zimmer, in dem der Babykorb stand. »Ich möchte unseren Sohn Pieter taufen«, sagte sie.

      Er hatte nur nicken können, denn der Anblick des winzigen Kindes hatte ihm heiße Glückstränen in die Augen getrieben.

      Einige Tage waren sie noch in Amsterdam geblieben. Dann hatte Betty sich entschlossen, mit dem Kind zu ihm zurückzukehren.

      Tatsächlich war ihre Liebe von da an noch einmal aufgeblüht, sodass er, Enno, begonnen hatte, an ein dauerndes Glück zu glauben. Dass Betty rundlicher geworden war, störte ihn nicht. Im Gegenteil, er fand, dass sie dadurch fraulicher wirkte, dass es ihr gut stand. Seinen kleinen Sohn vergötterte er. Jeden Abend freute er sich auf den Jungen, der jedesmal vor Freude krähte, wenn er sich über sein Bettchen beugte.

      Aber plötzlich änderte sich Betty von einem Tag auf den anderen. Sie verlangte, dass für Pieter eine Kinderschwester eingestellt werde, weil sie keine Lust mehr habe, sich selbst um das Kind zu kümmern. Ja, sie vernachlässigte Pieter ganz offensichtlich. Ihre Reizbarkeit zerstörte zudem ihr harmonisches Zusammenleben. Sie wurde wieder genauso unstet, wie vor Pieters Geburt, war angriffslustig und begann ihn wieder mit anderen Frauen zu verdächtigen. Aus Liebe zu seinem Sohn zwang er sich, geduldig zu bleiben und so den Frieden in ihrer Ehe aufrechtzuerhalten. Aber Betty forderte ihn immer wieder heraus, sodass auch seine Nerven letztlich versagten und die Dinge ihm ganz einfach über den Kopf wuchsen.

      Enno seufzte auf. Was hatte Betty nur so verändert, warum war ihr Pieter plötzlich gleichgültig geworden? Was quälte sie? Wovor fürchtete sie sich?

      Enno fuhr schneller. Auf einmal hatte er es sehr eilig, nach Essen zu kommen. Er brauchte einen Menschen, mit dem er sich aussprechen konnte. Vielleicht war Julia van Arx noch im Werk. Sie machte oft Überstunden, weil auch sie sich vor der Einsamkeit in ihrer kleinen Wohnung fürchtete.

      *

      Julia van Arx blickte auf ihre Armbanduhr. Tatsächlich waren die Stunden wieder einmal wie im Flug vergangen. In zehn Minuten war es sieben Uhr. Zeit, um endlich heimzugehen.

      Die junge Frau verschloss die Schriftsachen, an denen sie bis jetzt gearbeitet hatte, in ihrem Schreibtisch und deckte die Schreibmaschine zu. Dann erhob sie sich und ging zu der Waschnische.

      Während sie sich die Hände wusch, betrachtete sie ihr schmales Gesicht mit den großen Augen in dem Spiegel über dem Waschbecken. Einen Augenblick dachte sie an die Zeit, als sie noch glücklich verheiratet gewesen war. Damals war ihr Gesicht rund gewesen, und ihre Wangen hatten stets eine frische Gesichtsfarbe gezeigt. Wenn sie heute an ihren Mann dachte, kam ihr das Jahr mit ihm wie ein wunderschöner Traum vor. Ja, leider nur wie ein Traum.

      Wim und sie waren fast gleich alt gewesen. Sie hatten sich sogleich, nachdem sie sich kennengelernt hatten, ineinander verliebt. Wenige Wochen später hatten sie geheiratet. Da sie beide arm gewesen waren, hatten sie auch zu zweit für ihr Leben sorgen müssen. Aber das machte ihnen nichts aus. Sie wohnten in einem kleinen Einzimmerappartement mitten im Herzen von Amsterdam. Von der Loggia aus blickten sie direkt hinunter auf eine der Grachten.

      Wim hatte nur eine Leidenschaft, die sie nicht mit ihm teilte. Er war ein Fußballfan. Seine beiden Freunde holten ihn jedesmal ab, wenn im Fußballstadion irgendein Spiel stattfand.

      Anfangs sträubte sie sich gegen die einsamen Sonntagnachmittage, doch dann gewöhnte sie sich daran. Sie nutzte das Alleinsein für Übersetzungen von Romanen aus. Mit diesem Nebenverdienst wollte sie neue Möbel kaufen. Aber dann stellte sie fest, dass sie ein Kind erwartete.

      Wim war selig, als er davon erfuhr. Er verlangte, dass sie ihre Stellung als Fremdsprachenkorrespondentin aufgebe. Aber sie erklärte, sie fühle sich sehr gut. Außerdem benötigten sie ja nun noch mehr Geld für die Aussteuer ihres Babys.

      Und dann erklärte Wim, dass er sie in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft an keinem Sonntag mehr allein lassen wolle. Freiwillig verzichtete er auf die Besuche in dem Fußballstadion.

      »Nur noch an diesem Sonntag fahre ich hin«, erklärte er. »Meine Freunde haben eine Karte für mich besorgt. Ich werde aber versuchen, früher als sonst daheim zu sein.«

      Julia hatte noch immer den Klang seiner lieben Stimme im Ohr, als er von der Tür her rief: »Sei schön brav, Julia! Leg dich hin! Bis nachher!« Dann lächelte er sie noch einmal an.

      Julia fröstelte plötzlich, obwohl ein laues Abendlüftchen in das Büro hereinwehte. Sie sah sich wieder zum Fenster laufen und hinunterblicken. Wim stieg gerade in den Wagen ein, der einem seiner Freunde gehörte.

      Eine Stunde später hatte dann das Telefon geläutet, und sie hatte erfahren, dass ihr Mann tödlich verunglückt war. Beim Verlassen des Stadions war er direkt in ein Auto hineingelaufen.

      Noch heute fragte sich Julia immer wieder, ob Wim noch leben würde, wenn er das Ende des Fußballspiels abgewartet hätte und mit seinen Freunden zusammen nach Hause gefahren wäre.

      Jahrelang hatte sie dieser Gedanke bis in ihre Träume verfolgt.

      Nach Wims Tod hatte sie noch ein wenig Trost in dem Gedanken an ihr gemeinsames Kind gefunden. Aber die vielen Aufregungen und die schlaflosen Nächte mussten dem Baby


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