Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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genauer ergründen.

      »Peace!« Das war Charming. Eine seltene Härte schlich sich in seine üblicherweise sorglose Stimme. »Wir sind für den Tod ihres Bruders verantwortlich. Ich glaube, das ist los.«

      Peace, der gerade noch den Mund aufgerissen hatte, um seinem Frust freien Lauf zu lassen, hielt inne. Beinahe hätte ich eine Augenbraue hochgezogen. Kapierte er es wirklich erst jetzt? Zugegeben, in seinem Kopf klaffte ein Loch so groß wie ein Golfball, was schnelles Denkvermögen wahrscheinlich nicht unbedingt gewährleistete. Aber was glaubte er denn? Er hatte dafür gesorgt, dass der halbe Tartaros, mein Zuhause, in die Luft gejagt worden war. Das war nicht: Ups, scheiße gelaufen, sorry. Das war … ich wusste nicht, was, aber es weckte den Wunsch in mir, das Loch in seinem Kopf zu stopfen. Mit seinem Penis zum Beispiel. Seinetwegen war Madox tot. Ebenso wie Spade und vermutlich alle Wesen in den umliegenden Ebenen. Hunderte! Tausende!

      Als mir erneut Tränen in den Augen schwammen, schaute ich nicht weg. Er sollte es sehen. Das musste er, sonst würde er es nie verstehen. Ich wagte es nicht einmal zu blinzeln, obwohl die Hitze meine Augäpfel austrocknete.

      Peace starrte mich an. Bewegungs- und emotionslos wie eine Statue. Noch immer tanzten Schatten in seinem verbliebenen Auge. Unter meinem forschenden Blick stellten sich die Härchen auf seinen Armen auf. Seine Nasenflügel blähten sich. Mein stiller Vorwurf fand einen Schuldigen. Der Gott drehte sich abrupt rum, wirbelte Sand auf und unterbrach damit den quälenden Blickkontakt. »Nehmt sie!«, befahl er barsch, bevor er unvermittelt losging. Kurz sahen Raised, Charming und ich ihm hinterher. Die anderen waren bereits ein ganzes Stück voraus, warteten jedoch darauf, dass ihr Gottvater zu ihnen aufschloss.

      »Na komm, Süße. Alles wird gut.«

      Schon wieder gelogen. Charming schien das in unangenehmen Situationen gerne zu tun. Starke Arme schoben sich unter meinen Rücken und hoben mich hoch. Wir folgten Peace und seinen göttlichen Anhängern.

      Fades Haarschopf leuchtete im diffusen roten Licht. Seine Hände zitterten merklich, als er ein Portal öffnete, dessen fluoreszierender Schlund sich auftat wie eine Wunde inmitten des sandigen Nichts. Sie sprangen wortlos hindurch. Wir – also Charming und gezwungenermaßen ich – taten es ihnen gleich. Die Welt verschwamm, als die Zeit sich krümmte und uns dort wieder ausspuckte, wo wir das Himmelfahrtskommando begonnen hatten.

      In der Eingangshalle herrschte Totenstille. Die Schritte der Götter hallten laut auf dem Marmor. Von der vorherrschenden Geschäftigkeit war nichts mehr übrig.

      »Die Elite wartet bereits im Konferenzraum!«, hörte ich einen Gott – Honor? – zu Peace sagen. Dieser nickte und wollte prompt in die angegebene Richtung schwenken, als er doch zögerte. Er sah zu mir zurück. »Vertagt es auf später!«, beschloss er mit gedämpfter Stimme. »Wir müssen zum Doc.«

      In unseren Ohren knackte es auf einmal leise. »Er wartet schon im Zimmer auf euch!«, schallte Hacks Stimme durch unsere Köpfe. Ah. Den gab es also auch noch. Wie schön.

      Ich ließ mich von Charming nach oben tragen. Alle blieben zurück, bis auf Raised, der Peace offensichtlich nicht allein lassen wollte. Ob jetzt mit mir oder der unangenehmen Situation sei mal dahingestellt.

      Müde schloss ich die Augen. Ich wollte nicht mehr denken. Konnte es sowieso nicht mehr. Zumindest nicht rational. Jene kurze Zeit, die Charming benötigte, mich ins Zimmer zu tragen, spielte ich nicht existent. In meinen Ohren piepste hartnäckig ein Tinnitus. Übelkeit rumorte in mir und ich schmeckte Reste einer Götterseele auf der Zunge. Ein wenig davon befand sich offensichtlich noch in mir. Es musste raus, sonst würde ich niemals Ruhe finden. Der Doc hatte sicher ein Mittelchen dafür. Oder ich brachte Charming per Gedankenkraft dazu, mir den Finger in den Hals zu stecken. Von allein schaffte ich das nämlich nicht mehr.

      Eine Tür wurde aufgedrückt und ein sanfter Luftzug zwang meine Augenlider nach oben. Ich linste unter meinen Wimpern durch und erblickte das Schlafzimmer. In einer Ecke an der Fensterfront stand eine verloren wirkende Zimmerpflanze. Brave. Seine Ästchen zitterten, als er mich bemerkte.

      Im nächsten Augenblick lag ich schon in Peace’ großem Bett. Die dunklen Samtlaken waren so weich, dass es sich anfühlte, wie in Federn zu versinken. Die Matratze neigte sich, als sich Peace neben mich warf. Er ächzte und sah … sorry … einfach nur beschissen aus. Das Gesicht heilte zwar, allerdings so langsam, dass er wahrscheinlich noch einige Tage mit dieser Hackfresse würde rumlaufen müssen. Um die Nase war er kränklich blass. Seine Lippen pressten sich so fest zusammen, dass sie beinahe verschwanden.

      Postwendend tauchte der Doc über ihm auf, einen fassungslosen Ausdruck im Gesicht und mit finster zusammengekniffenen Augenbrauen. »Bei den Göttern!«, stieß er hervor. »Ich nehme an, wir haben nicht gewonnen.«

      »Spar dir das!«, fauchte Peace.

      Der Kiefermuskel im Gesicht des Docs zuckte, doch er ließ sich zu keiner weiteren sarkastischen Bemerkung herab, sondern beugte sich zu Peace hinab. Sanft strich er ihm das blutige Haar aus der Stirn. »Eigenbestandsaufnahme?«, fragte er knapp.

      Peace knirschte mit den Zähnen. »Glatter Schuss in den Frontallappen. Zerstörtes Jochbein. Die Kugel steckt noch. Die Blutung hat bereits aufgehört!«

      Der Doc nickte, hob die Finger von seiner Stirn und wedelte damit vor Peace’ verbliebenem Auge herum, das sichtlich Schwierigkeiten hatte, der Bewegung zu folgen. »Glaubst du, die Kugel kommt von selbst heraus? Oder muss ich nachhelfen?«, erkundigte er sich nach ein paar weiteren Runden Guck dem Finger nach. Peace war ganz klar durchgefallen.

      »Helfen!«, presste er knapp hervor. Schweiß stand ihm auf der Stirn.

      Der Doc nickte und hob eine Hand, über deren Innenfläche seine Magie zuckte.

      Peace schüttelte ruckartig den Kopf. Die Bewegung bereitete ihm sichtlich Schmerzen, denn er verzog die Lippen und stöhnte leise. »Nicht ich. Warrior zuerst. Sie hat … noch eine Seele in sich.«

      »Warrior?« Docs Blick zuckte zu mir hinüber. Falten furchten sich in seine Stirn. »Wie geht es dir?«

      Ich blieb stumm, während Charming neben mir seufzte.

      »Sie steht unter Schock. Ihr Bruder ist gerade gestorben«, erklärte er sanft. Viel zu sanft.

      Der Doktor musterte mich, trat an meine Seite und tastete meinen Körper ab. Drückte in meinen Magen, in dem es rumorte.

      »Ich glaube, körperlich fehlt ihr nicht viel. Ich kann lediglich kleinste Spuren einer fremden Seele in ihr erkennen.« Sein Blick schnitt tief durch meine Muskeln und Knochen, bevor er sich wieder Peace zuwandte. »Ich kann ihr nicht helfen. Du bist dran, Peace.«

      »Nein! Erst Warrior! Sie hat Herakles verschluckt«, krähte der blauhaarige Dickschädel aka Gottvater.

      Der Doc schnalzte genervt mit der Zunge. »Schwerwiegende Verletzungen werden immer zuerst behandelt und damit meine ich deine«, hielt er eisern dagegen. »Wie ich eben sagte: Warrior fehlt körperlich nichts. Falls sie Herakles verschluckt hat, ist er jetzt nicht mehr in ihr!«

      »Aber … das kapiere ich nicht.« Peace sah verwirrt und gleichzeitig angepisst aus.

      Ich versuchte, ihm mit den Augen zu verstehen zu geben, dass Herakles längst ausgespuckt und in der Wüste verschwunden war, doch Peace lief nicht auf seiner empathischen Höchstleistung und entzifferte meine panische Augen-Zuck-Sprache nicht. Er machte nur ein Gesicht, als würde er jeden Augenblick vor Frust ins Kissen beißen.

      Erneut schien er ein Veto einlegen zu wollen, wobei er uns langsam allen auf den Keks ging, doch der Doc hatte bereits die Hand ausgestreckt. Magie zischte über die blassen Fingerspitzen.

      Peace blinzelte ob des plötzlichen Lichtblitzes und brüllte auf, als der Arzt ohne jede Skrupel in der offenen Wunde herumstocherte. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ohne dass ich die Bewegung bewusst gesteuert hätte, umklammerte ich auf einmal Peace’ Hand. Seine langen Finger schlossen sich um meine, während sich seine Nägel in meinen Handballen gruben.

      »Gleich vorbei!«,


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