Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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duftend rannen sie mein Kinn hinab, kitzelten meine Mundwinkel, während sich Peace vor Schmerzen die Sehnen aus dem Hals brüllte.

      »Geschafft!«

      Ein nasses Schmatzen war zu hören. Erneut spritzte Blut. Peace stöhnte.

      Triumphierend hielt der Arzt eine plattgedrückte Kugel in der Hand. Beinahe wirkte sie wie eine Münze. Nur kleiner. Mir wurde übel, als ich daran dachte, wie Madox die Waffe abgedrückt und die Kugel Peace’ Kopf getroffen hatte.

      »Mhm, Titan. Schlau, schlau!«, kommentierte der Doc und ließ das Projektil mit einem nachlässigen Fingerschnippen verschwinden.

      Peace zitterte. Seine Hand umklammerte so fest die meine, dass ich meine Knochen knirschen hörte. Trotzdem sagte ich nichts und mimte die stumme Puppe.

      »Einen Augenblick!« Der Doktor entfernte sich mit langen Schritten, ging vor dem Fenster in die Hocke und öffnete sein allgegenwärtiges Arztköfferchen, aus dem er weiße Mullbinden, eine Kompresse und ein Fläschchen mit dubiosem roten Inhalt hervorholte. Noch während er wieder auf uns zumarschierte, schraubte er das Fläschchen auf. Der Geruch nach Ambrosia erfüllte die Luft. »Das kann jetzt etwas brennen, beschleunigt aber den Heilungsprozess.« Ohne viel Federlesen schüttete er den gesamten Inhalt über Peace’ offene Wunde.

      Peace fiel fast aus dem Bett, als sich sein Rücken durchbog. Er ließ mich allerdings nicht los. Keine Sekunde. »Bist du völlig bescheuert?«, blaffte er, als der größte Schock überwunden war und der Arzt sich daran machte, Mullbinde und Druckverband wie einen weißen Helm um seinen Kopf zu wickeln.

      »Oh, tut mir leid. Ich wusste nicht, dass unser Prinz eine Babybehandlung verlangt. Willst du einen Lolli?«

      »Was ist denn in dich gefahren?«, fauchte Peace, der nun doch meine Hand losließ und sich abrupt aufsetzte. Er schwankte, trotzdem schaffte er es, ein paar bedrohliche Blitze in Richtung des Arztes loszulassen.

      Dessen mausbraune Brauen zuckten nach oben. »Ich denke, der Anblick deiner emotional zerbrochenen Gefährtin ist Antwort genug. Ich habe mehr von dir erwartet«, sagte er schlicht.

      Die Blitze hörten ruckartig auf. Der Doc schürzte die Lippen und kam ums Bett herum auf mich zu. Beinahe zärtlich blickte er auf mich hinab. Er ging in die Hocke und legte mir eine Hand auf die Stirn. »Ich werde dich schlafen lassen, wenn das für dich in Ordnung ist, Warrior«, flüsterte er. »Ich kann dir erst mal nicht helfen. Aber Zeit … Zeit heilt alle Wunden.«

      Ich blinzelte. Kam einem Nicken zumindest nahe, oder?

      Der Doc hingegen lächelte. So nett hatte ich ihn mir gegenüber noch nie erlebt. Gruselig.

      »Alles wird gut«, log er.

      Ich wandte den Blick zu Charming. Er lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen und ließ mich keine Sekunde aus den Augen.

      Raised saß die ganze Zeit stumm in einem der großen Sessel neben Brave, der Topfpflanze, und betrachtete die Szene mit schwarzen Augen.

      »Schlaf gut!« Die Magie des Arztes blitzte auf und zog durch mein Hirn. Anders als bei Charming zuvor schlief ich augenblicklich ein.

      Zwei

      Shames Schlüpfer waren mir im Augenblick egal …

      Weder träumte ich noch fühlte ich irgendetwas, das außerhalb des komatösen Schlafes als Lebenszeichen anerkannt werden konnte. Wie lange ich im Bett lag und tot spielte, war unklar, dennoch schlug ich irgendwann die Augen auf. Die Magie des Doktors hatte mich weiterhin im Griff. Ich konnte sie als fahlen Geschmack auf meiner Zunge und in den Tiefen meiner Knochen spüren, die ob der Anstrengung zu ächzen begannen. Der Schlaf zerrte an mir, drückte mich nach unten. Trotzdem hielt ich die Lider mit aller Willensstärke auf und erkannte das Gesicht jener Person, die mich aufgeweckt hatte.

      O saß mit ernster Miene neben mir auf der Matratze und starrte mich an. Sie war so kurz geraten, dass ihre Füße in den Cowboystiefeln dabei über den Boden baumelten. Ihre Federboa war verrutscht und ihr glänzender Schädel wirkte abgemagert. Die milchigen Augen blickten mich traurig an. Eine gefühlte Ewigkeit sahen wir uns einfach nur an. Schließlich streckte sie einen blassen Finger in meine Richtung und fing etwas auf. Eine Träne. Wann hatte ich begonnen zu weinen? Handelte es sich überhaupt um eine Träne? Die Göttin musterte sie. Der Tropfen hing wie eine Perle auf ihrer Fingerkuppe. »Es tut mir so leid, Warrior!«, flüsterte sie. Sie leckte sie ab. Ihre transparent wirkenden Lider zitterten, senkten sich hinab, während sie scharf die Luft einsog. »Ich …« Pfeifend ließ sie die angehaltene Luft wieder entweichen. Ihre Augen zuckten panisch. »Es tut mir so leid, ich habe es zu spät kommen sehen. Sonst hätte ich dich gewarnt. Ich schwöre es, natürlich hätte ich das alles verhindert, wenn ich es rechtzeitig gewusst hätte. Aber es fühlte sich an, als würde mir jemand die Sicht versperren. Jemand, der diesen Strang der Realität absichtlich vor mir zurückhalten will.« Ihre Unterlippe bebte. »Und jetzt ist es zu spät. Ich schwöre, Warrior, als ich hörte, was passiert ist, habe ich mich stundenlang in meinem Zimmer eingesperrt und nach einer Möglichkeit, einer Realität gesucht, in der Madox nicht … in der etwas anderes geschehen wäre. Aber ich befürchte, dein Bruder ist … Warrior, es tut mir so leid. Er ist tot.«

      Ich schluchzte stumm. Mein Herz fühlte sich an, als wäre es in Scherben zerschlagen worden, und einer der Splitter bohrte sich in meine Lunge, einer in den Bauch, einer in das Hirn. Langsam und genüsslich. Ich weinte und O nahm meine Hand, umklammerte sie. Die Qual in meinem Inneren war so unerträglich, so erfüllt von Grauen, dass ich die Welt erneut ausschloss. Ich hörte auf zu kämpfen. Die Magie drückte mich nieder und ich fiel hinab, schlief ein weiteres Mal ein. Schwebte in Dunkelheit, bis mich ein anderer Reiz aufweckte.

      Seufzend wandte ich den Kopf und linste unter meinen schweren Wimpern durch. O war verschwunden. An ihrer Stelle saß Brave auf meinem Bett und streichelte mir sanft über das Haar. Seine Lippen bewegten sich. Ich verstand kein Wort, das Rauschen in meinen Ohren war zu laut, aber es klang beruhigend. Friedlich. Schwach lächelte ich und er erwiderte es, ehe ich abermals einschlief.

      So verhielt es sich immer und immer wieder. Die Magie des Doktors ließ mich nicht los. Genauso wenig wie der Schmerz, der in mir wütete. Götter betraten und verließen das Zimmer. Ich fühlte, dass Bloodclaw an meiner Seite wachte. Sein Körper spendete mir jene Wärme, die durch das Loch in meiner Seele abhandenkam. Manchmal glaubte ich, Peace neben mir zu wissen. Genau wie Bloodclaw saß er da und wachte über mich. Manchmal sang er mir etwas vor. Das machte mich glücklich, zumindest für kurze Zeit, bevor ich mich selbst in der erlösenden Dunkelheit ertränkte.

      Hack redete verkrampft auf mich ein. Einmal schaffte ich es sogar, die Augen zu öffnen und ihn genervt anzusehen. Er grinste. Bei den Göttern! Er musste wirklich dringend den Frisör wechseln. Die Matte auf seinem Kopf wurde immer wilder.

      Bizarre und Charming kamen ebenfalls zu Besuch. Erzählten mir, was im Tartaros passierte. Angefangen von Shames rotem Tanga, der immer zum Vorschein kam, wenn Peace an ihr vorbeiging und sie sich zufällig bückte, bis hin zu ihren Versuchen, ihn zu küssen, die kläglich scheiterten. Ich nahm an, damit wollten die beiden mich eifersüchtig machen und endlich eine Reaktion aus mir herauskitzeln. Doch Shames Schlüpfer waren mir im Augenblick genauso egal wie Bizarres Geplapper über ein paar besondere T-Shirts, die er mir besorgt hatte. Vieles erfuhr ich, aber nur wenig blieb hängen. Manchmal kam Raised vorbei, der irgendetwas über Unruhen unter den Göttern erzählte. Einige schienen unzufrieden mit Peace’ Führungsstil zu sein. Im Kerker der Hölle brodelte es. Ich dämmerte wieder weg und fühlte kurze Zeit später die kalten Hände des Docs über mich streichen.

      Peace’ tiefe Stimme füllte meine Ohren. »Wird es besser?«

      »Nein!«

      »Wann wird es besser? Ich … Wir brauchen sie.«

      »Das


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