Mami Staffel 11 – Familienroman. Edna Meare

Mami Staffel 11 – Familienroman - Edna Meare


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Papa gehen und ihm erzählen, daß Mama dich liebgehabt hat. Ich… ich kann es doch nicht.«

      »Aber warum soll er es erfahren?«

      »Sie senkte den Kopf. »Damit er wieder glücklich wird. Er denkt doch, Mama hat ihn schrecklich liebgehabt. Darum will er keine andere Frau. Aber ich möchte so gern eine neue Mutter. Verstehst du das etwa nicht?«

      Er zog sie an sich. »Das verstehe ich. Ja, Claudia. Aber warum?« Wolfgang sprach nicht weiter. Er wußte plötzlich, warum Claudia ihrem Vater nicht die Wahrheit sagen konnte.

      Es war ihr einfach unmöglich, ihre Mutter zu verraten. Die unverbrüchliche Liebe zu ihr erlaubte es einfach nicht.

      Auf Fabian Ossiander zuzugehen, das war Wolfgang klar, würde ihm schwerfallen. Aber mußte er dieses dornigen Weg nicht beschreiten, weil auch Claudia das Recht auf ein neues Glück zustand?

      »Kennst du eine Frau, die dir Annalena ein wenig ersetzen kann?« flüsterte er.

      »Ja. Aber sie will fort, weil sie nicht glauben kann, daß Papa sie ebenso gern mag wie ich.«

      Ihre Worte waren kaum zu hören, aber er begriff, welche zarte Hoffnung darin lag. Und plötzlich wußte er, es gab kein zurück mehr.

      »Ich werde mit deinem Vater sprechen, Claudia. Ja, ich verspreche es. Du mußt mir nur ein wenig Zeit lassen. Ich muß mich darauf vorbereiten und meine Frau um Rat fragen. Es kommt alles so plötzlich und… soviel Schweres auf mich zu.«

      »Für mich ist alles noch schwerer, Wolfgang.«

      Sie sagte es klar und deutlich. Und ihre Schultern hoben sich mit jedem Atemzug. Claudia begann zu begreifen, daß sie den Kampf, den sie gegen den unmenschlichen Druck ihres Gewissens begonnen hatte, nicht allein gewinnen konnte. Ein Teil des Geheimnisses würde ihr bleiben, auch wenn es eines Tages ganz im Dunkel des Vergessens versank.

      Wolfgang sah sie eindringlich an.

      »Du und ich, Claudia, wir beide wissen, daß wir einen Teil unserer Geheimnisse trotzdem bewahren müssen. Dein Vater darf nie erfahren, daß du bei mir warst.«

      Ja, das wußte sie. Sie hatte mit diesem Einwand gerechnet. Sie war ja nicht auf den Kopf gefallen.

      »Nein, das darf er nicht. Du mußt so tun, als kämst du ganz von allein zu ihm, denn ich will nicht, daß mein Papa noch mal traurig wird, Wolfgang.« Und dann fiel ihre Starre wie ein Panzer von ihr ab, und sie sank aufschluchzend in seine Arme. »Bitte, geh bald, Wolfgang. Sonst ist sie fort, meine Astrid.«

      »Ja, so bald ich die Kraft dazu aufbringe«, versprach er. Und sie wollte und mußte ihm wieder glauben. Genauso wie vor Monaten am Grab ihrer heißgeliebten Mama.

      *

      Einige Tage später stand Fabian Ossiander auf einer sonnenbeschienenen Straße Münchens und sah geistesabwesend über die Menschen hinweg, die in ihm den berühmten Dirigenten erkannten und ihn neugierig musterten. Er erwiderte die Blicke nicht wie sonst mit einem stolzen und dankbaren Lächeln oder Nicken. Er stand nur da und ließ das Leben wie einen wüsten Strom an sich vorbeirauschen.

      Die vergangene Stunde, dieses quälende Gespräch mit Wolfgang Bosch hatte etwas in ihm zerbrochen. Aber er begann zu ahnen, daß er aus den Scherben seines Schuldbetruges etwas Neues schaffen mußte. Claudia brauchte ihn ja. Seit einiger Zeit wirkte sie in sich gekehrt und niedergeschlagen. Zu seinem Kummer fand er immer noch nicht den Mut, ihre traurige Stimmung mit behutsamen Fragen zu ergründen. Jetzt, nachdem er sich die Geschichte von Wolfgang Bosch angehört hatte, konnte er es erst recht nicht. Sollte seine geliebte Tochter erfahren, wie sie von ihrer Mutter hintergangen worden war?

      Noch in Gedanken, zog er einen kleinen Zettel aus seiner Hosentasche. Darauf stand die Zahl sechsunddreißig. Er hatte sich Claudias Schuhgröße notiert, weil Lisa behauptete, sie wünsche sich Reitstiefel zum Geburtstag.

      Aber ob das stimmte? Was ging wirklich in seiner Tochter vor, womit konnte er ihr eine Freude machen, damit sie wieder so unbekümmert und heiter mit ihm umging wie in den Pfingstferien.

      Fabian dachte an diese Wochen voller Dankbarkeit zurück. Jeder Tag hatte ihm bewiesen, wie leicht es doch war, sich zu der Verantwortung und der Liebe zu seinem Kind zu bekennen. Und Claudia hatte ihre Mutter nicht mehr vermißt, weil sie begriff, wie viel ihm ihre Gegenwart bedeutete.

      Annalena lebte in ihrer beider Herzen fort, aber während ihrer Gespräche hatte Astrid Hoffmann eine viel größere Rolle gespielt. So, als vermißten sie sie beide, wollten es aber nicht zugeben. Fabian ging nachdenklich weiter.

      Seit einiger Zeit ließ sich die Ärztin nicht mehr bei ihnen sehen. Jetzt mitten auf der Straße auf dem Weg zu einem Sportgeschäft, wo er ein paar Reitstiefel für seine Tochter kaufen wollte, fiel ihm plötzlich ein, was Lisa ihm erzählt hatte. Claudia habe die junge Ärztin in einem Wutanfall aus dem Haus gejagt.

      Das war Wochen her. Aber nun entstand in seinem aufgewühlten Inneren ein Mosaik aus offenen Fragen und bösen Verdächtigungen. Wenn Claudia sich wirklich so schlimm verhalten hatte, dann doch nur, weil Astrid sie enttäuscht hatte. Womit konnte die wunderbare Ärztin seine Tochter enttäuschen?

      Dafür ergab sich für ihn nur ein Grund: Astrid Hoffmann wandte sich, nachdem Claudia wieder ganz hergestellt war, wieder ihrem eigenen Leben zu. Wahrscheinlich hatte sie den Wunsch nach einer eigenen Familie geäußert und sogar schon den passenden Mann dafür gefunden.

      Er blieb vor einem Schaufenster stehen und starrte auf die ausgestellten Kunstwerke aus Nymphenburger Porzellan. Der Gedanke, daß Astrid einen Mann fürs Leben gefunden und deshalb Pläne für ihre Zukunft schmiedete, durchfuhr ihn voller Entsetzen. Der Schrecken entlud sich in dem jähen Verlangen, das Schaufenster einzuschlagen und Stück für Stück des wunderbaren Porzellans auf der Straße zu zerschmettern.

      »Herr Ossiander!« sprach ihn eine weibliche Stimme an. Er fuhr herum und sah in das faltige, sorgfältig geschminkte Gesicht einer alten Dame.

      »Ja, bitte?«

      »Kennen Sie mich denn nicht mehr? Ich bin Frau Prof. Odenburg. Wir wurden einander letzte Woche auf der Hochzeit von Wiebke Lohmer vorgestellt!«

      »Ah, ja. Pardon, gnädige Frau. Tut mir leid!«

      »Ihr letztes Konzert, die Pariser Symphonien von Haydn – ein Traum! Nein, mehr noch – eine Offenbarung.«

      »Danke«, erwiderte er kurz angebunden. Noch vor Tagen hätte er im Glanz seines Erfolges gebadet.

      »Wenn Ihnen die Zeit nicht zu schade ist, Herr Ossiander – darf ich Sie zu einem Kaffee einladen? Ich würde so gern mit Ihnen über Ihre Auffassung dieses Werkes sprechen.«

      Das hatte ihm heute noch gefehlt! Er schüttelte den Kopf.

      »Leider habe ich wirklich keine Zeit.«

      »Ach, Sie proben schon etwas Neues?«

      Fabian wußte gar nicht, ob er jemals in seinem Leben etwas Neues proben konnte. Er war ein gebrochener Mann! Warum sah ihm die Frau Professorin es nicht an?

      Plötzlich überwältigte ihn eine so schmerzliche Verzweiflung, daß ihm bewußt wurde, wo er Hilfe erwarten konnte.

      »Nein«, hörte er sich sagen. »Ich muß dringend ins Krankenhaus. Wissen Sie, meine Tochter hat nächste Woche Geburtstag«, fügte er verwirrt hinzu.

      Das sorgsam hergerichtete Gesicht der alten Dame wurde noch faltiger. Sie nickte mehrmals lebhaft. »Ja, ja. Ich habe von dem Unfall gehört. Ihre Tochter liegt immer noch in der Klinik? Das arme Kind.«

      Er erstarrte. Was für ein Unsinn! Claudia war kerngesund. Sie wollte reiten lernen und wünschte sich Stiefel. Aber weil er von der Klinik gesprochen hatte, war ihm wohl eingefallen, was Claudia sich wirklich und ganz heimlich, wenn auch aus vollem Herzen, wünschte.

      »Ja, mein armes Kind!« entfuhr ihm, während er ein Taxi heranwinkte. »Sie verstehen hoffentlich? Auf Wiedersehen, Frau Prof. Odenburg!«

      Im Taxi nannte er das Ziel. Dann lehnte


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