Mami Staffel 11 – Familienroman. Edna Meare

Mami Staffel 11 – Familienroman - Edna Meare


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Karte mit dem Brief zu tun, der Claudia binnen Sekunden in so zornige Verzweiflung gestürzt hatte?

      Wie lange sie ratlos vor Benommenheit auf der Terrasse gestanden hatte, wußte sie nicht. Als sie Lisas Stimme hörte, kam es ihr vor, als erwache sie aus einem Alptraum.

      »Frau Doktor«, begann Lisa verlegen. »Claudia hat sich eingeschlossen. Sie will nichts essen. Ich weiß nicht, was mit ihr los ist.«

      Astrid nickte. Nein, sie konnte nicht einfach in Fabians Haus gehen und so wie früher als Ärztin auf Claudia einwirken. Es war ja nichts zwischen ihr und Fabian geschehen. Aber gerade dieses Nichts hatte sie mehr getrennt als jeder böse Streit.

      »Ich denke, es ist besser, Sie kommen ein anderes Mal wieder. Herr Ossiander achtet ja sehr darauf, daß Claudia während seiner Abwesenheit ihre ganz normale Ordnung einhält.«

      »Damit ist es für heute vorbei, Lisa«, seufzte Astrid. »Richten Sie ihr einen schönen Gruß aus. Sie soll mich bitte anrufen.«

      Sie legte die Karte auf den nächsten Stuhlsitz und wandte sich ab. Ein seltsames Gefühl beschlich sie. Diesen Brief und die Karte hatte vielleicht eine neue Geliebte von Fabian an Claudia gesandt. War Claudia so wütend, weil sie diese Dame als Rivalin oder nur als aufdringliche Tussi empfand? Aber wie es auch war, Astrid ahnte, daß sie dieses Haus nie wieder betreten würde.

      *

      An einem der ersten wirklich heißen Tage dieses Sommers, trat Frau Kuhnert, die Sekretärin des Immobilienhändlers Wolfgang Bosch ganz unvermittelt in das Zimmer ihres Chefs. Wolfgang hatte sich seine Krawatte abgenommen und saß über der Kalkulation einer Architektur-Firma. Unwillig sah er auf.

      »Was ist denn schon wieder, Frau Kuhnert?«

      »Ja, also, da ist eine sehr junge Dame. Sie wünscht Sie sofort zu sprechen und läßt sich auch nicht abweisen.«

      »Eine sehr junge Dame? Was wollen Sie damit sagen?«

      »Nun ja, sie sagt, sie heißt Claudia Ossiander.«

      Er richtete sich zur vollen Größe auf. »Claudia?«

      Frau Kuhnert nickte. »Ist das die Tochter des Dirigenten Ossiander, Herr Bosch?«

      »Ja, natürlich. Sie soll hereinkommen. Nein, warten Sie, ich gehe selbst.«

      Er kam ungewöhnlich schnell aus seinem Sessel hoch und um den Schreibtisch herum, eilte an ihr vorbei und hinaus in den Vorraum. Dann stand er vor dem kleinen Mädchen und erschrak.

      Claudia war ziemlich blaß und ihr Blick viel zu streng für ihr zartes Alter. Wie alt war sie jetzt? Jährte sich nicht ihr Geburtstag in diesem Monat? Er versuchte sich zu erinnern, aber der Ausdruck in ihrem Gesicht machte es ihm schwer.

      »Hast du meinen Brief erhalten, Claudia?«

      Sie nickte.

      »Bist du krank, Claudia?« fragte er behutsam.

      »Quatsch. Nur wütend.« Mit einer Bewegung ihrer Schulter schob sich ein kleiner Rucksack in sein Blickfeld. Der Rucksack bestand aus einem flauschigen Teddy. Wolfgang zuckte zusammen. Vor mehr als einem Jahr hatten Annalena und er dieses Geschenk gemeinsam für ihren Geburtstag ausgesucht. Vorher hatte er mit der geliebten Frau eine leidenschaftliche Stunde in seiner Wohnung verbracht. Plötzlich kam es ihm vor, als sei das alles eine Ewigkeit her.

      »Weil ich ehrlich war und dir schrieb, daß ich seit Wochen verheiratet bin?«

      »Du… du…!« Tränen des Zorns in ihren Augen.

      »Bitte, komm herein, Claudia. Möchtest du etwas trinken? Eine Limo, eine Cola?« bat er schnell, weil Frau Kuhnert zu ihnen trat.

      »Nein, nichts!«

      Frau Kuhnert zuckte mit den Schultern, dann schloß sich die Tür hinter den beiden. Claudia und Wolfgang waren allein.

      »Hier, die kriegst du zurück!« Sie hielt ihm die Ansichtspostkarte vom Gardasee hin. Deren Ränder waren abgegriffen und das bunte Bild vom vielen Herumschleppen und Verstecken schon leicht verblaßt.

      »Zurück? Ich verstehe nicht. Warum? Hast du meinen Brief denn nicht ganz gelesen?«

      Er bot ihr einen Platz auf einem weichen Ledersessel an, aber Claudia rührte sich nicht von der Stelle.

      »Und wie ich ihn gelesen hab! Nur eine Woche, nachdem wir uns an Mamas Grab getroffen haben, hast du diese Nina geheiratet! Das schreibst du mir so einfach! Du hast sie ja wohl nicht mehr alle! Und dann bist du mit ihr nach Madrid, nach Venedig, nach Siena und zum Schluß eurer Hochzeitsreise in das Haus am Gardasee gefahren.«

      »Ja, das stimmt. Ich habe es dir genau geschrieben. Weil ich dir erklären wollte, warum soviel Zeit verging, bis ich die Kraft fand, Nina von deiner Mutter und dir zu erzählen. Nina hat mich verstanden. Sie begriff, wie gern ich dich immer noch habe. Und deshalb haben wir oft am Gardasee von dir gesprochen, weil ich erwähnte, daß dein Vater wenig Zeit für dich hat.«

      Claudia sah ihn richtig haßerfüllt an.

      »Und dann hat deine neue Nina gemeint, ich könnte ja mal zu euch an den Gardasee kommen? Die spinnt wohl auch! Aber du noch mehr. Ich kann doch nicht zu dir, genau dorthin, wo Mama damals hinwollte!«

      »Aber Claudia! Nina ist eine wunderbare Frau. Sie hat viel Herz. Ich konnte ihr alles sagen.«

      Claudias zarten Hände umkrampften die Postkarte. Ihre Knöchel wurden weiß, ihr Kinn schob sich vor Wut vor und aus ihren Augen schossen Blicke voller Schmerz und Verachtung.

      »Der… dieser Nina konntest du alles sagen? So lieb hast du sie? So schnell?«

      »Ich habe sie im letzten Winter in Sankt Moritz beim Skilaufen kennengelernt. Dann, drei Wochen nach Ostern haben wir geheiratet. Als wir uns am Grab trafen, nahm ich von deiner Mama Abschied, Claudia. Ich brachte es nicht über mich, es dir zu sagen. Mein Gott, du mit deinem Stock! Bin ich aus Eisen? Und dann die Freude, dich überhaupt noch einmal lächeln zu sehen.«

      Claudia verstand ihn nicht. Und so fuhr er fort: »Damals brachte ich die für dich schmerzliche Wahrheit nicht über die Lippen. Aber ich habe Annalena und dich nicht vergessen. Nina weiß das. Und sie bat mich, dir zu schreiben.«

      Nur langsam wurde es ihm klar. Mit seinem Brief vom Gardasee mußte für Claudia eine Welt zusammengebrochen sein. Das hatte er nicht beabsichtigt. Was wußte er schon von einem elfjährigen Mädchen und ihrer rosaroten Welt aus romantischen Vorstellungen?

      Claudia weinte leise. Ihre Schultern bebten, und zwischen ihren Händen wurde die bunte Postkarte zu einem unansehnlichen Klumpen.

      »Ist sie das?« hörte er sie flüstern und merkte erst jetzt, daß sie hinüber zu dem Foto seiner jungen Frau sah.

      Da trat er auf sie zu und umarmte sie. »Ja, Claudia. Das ist meine Frau Nina.«

      »Schrecklich! Sie sieht aus wie unsere Sportlehrerin! Und der sagst du alles!« keuchte sie. Dann stieß sie mit dem Fuß auf und schluchzte laut. »Ich sage keinem etwas. Keinem! Ich halte mein Versprechen. Und du…«

      Sekunden später kniete er neben ihr, umfing sie mit seinen Händen und sah bittend zu ihr auf.

      »Das ist doch etwas ganz anderes. Zwischen Nina und mir gibt es kein Geheimnis. Wir sind verheiratet…«

      »Na und? Papa und ich auch. Und dem kann ich nichts sagen, Wolfgang. Kein Wort hab ich gesagt, weil ich es versprochen habe und es unser Geheimnis war.«

      »Aber das ist doch richtig, Claudia«, verteidigte er sich. »Dein Vater darf nicht wissen, daß deine Mama und ich uns liebten. Er würde verzweifeln, dich vielleicht nicht mehr so liebhaben können und nicht mehr nett zu dir sein.«

      Sie wich seinem Blick nicht aus. Wolfgang überlegte, was sich wohl hinter ihrer vorwurfsvoll gekrausten Stirn abspielen mochte. Ob sie ihm das Glück mit Nina mißgönnte? Ob sie ihm grollte, weil er sie gedrängt hatte, ihr gemeinsames Geheimnis zu bewahren?

      »Du… du mußt es ihm sagen,


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