MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii - Robert W. Walker


Скачать книгу
Sie nicht eben gesagt, Sie hätten seit Tagen Nachrichten für mich hinterlassen. Was denn nun, Inspector?« Zanek, dachte sie, wütend darüber, dass er Parry gesagt hatte, wo sie war.

      »Sorry«, sagte er. »Ich hab mich nicht deutlich ausgedrückt. Ich habe schon seit geraumer Zeit versucht, Ihre Unterstützung zu bekommen, Dr. Coran.«

      »Egal«, sagte sie und atmete tief durch. »Sehen Sie, es wird einige Zeit brauchen, bis ich dort sein kann. Zwei Stunden Fahrt bis zum Flughafen auf der anderen Seite der Insel und Gott weiß, wann die Flüge gehen, aber mit meiner Dienstmarke komme ich vermutlich in einen Flieger nach Oahu. Schicken Sie jemanden zum Flughafen, der mich abholt?«

      »Das kriegen wir besser hin. Wir können Ihnen ein Flugzeug zum Kahului-Airport schicken, das dort auf Sie wartet.«

      »Nein, hören Sie. Ich hab sowieso einen Rückflug nach Honolulu gebucht und kann den genauso gut dafür verwenden. Das wird auch nicht viel länger dauern und so sparen wir den Steuerzahlern ein bisschen Kerosin.«

      »Wenn Sie wollen. Auf jeden Fall wird Sie jemand in Honolulu am Flughafen treffen, und danke, Dr. Coran.«

      »In der Zwischenzeit fasst niemand die Leichen an. Verstanden?«

      »Sie sind im Leichenschauhaus unter Bewachung.«

      »Dann sehen wir uns, wenn ich ankomme.«

      »Es tut mir leid, dass ich Sie in Ihrem Urlaub störe, Dr. Coran, aber wir haben niemand anderes, an den wir uns wenden können.«

      »In ganz Oahu und Honolulu? Was ist mit der Navy?«

      »Niemand, der Ihre Spezialkenntnisse hat, Doktor, nein.«

      »Was ist mit der Bundespolizei? Die müssen doch einen guten Forensiker haben.«

      »Wir versuchen, das um jeden Preis im eigenen Haus zu halten.«

      »Verstehe.«

      Sie fand ihn ein wenig geheimnistuerisch, bis er sagte: »Und Polizistenmörder hasse ich wie die Pest.«

      »Geht mir auch so. Dann sehen wir uns vermutlich irgendwann im Morgengrauen.«

      Sie wollte gerade auflegen, als er noch hinzufügte: »Wir haben noch ein Problem, das die Stadt und die Insel heimsucht, falls Sie vielleicht davon gehört haben?«

      »Nein, ich habe nichts gehört. Ich habe versucht, ein wenig abzuschalten: Kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitung … ich war meistens nur tauchen und shoppen und habe mich entspannt.«

      »Na ja, Doktor, es gab einige Entführungen. Niemand ist wieder aufgetaucht.«

      »Entführungen? Was für Entführungen? Meinen Sie Kinder?«

      »Könnte man sagen … einige waren zumindest noch halbe Kinder.«

      »Mädchen?«

      »Die örtliche Presse nennt ihn den Passat-Entführer. Auch wenn niemand glaubt, dass er sie irgendwo sammelt, einige sind jedenfalls der Ansicht, dass er eigentlich der Passat-Killer ist.«

      »Unmöglich, so etwas geheimzuhalten, auch wenn es um die Ermittlungen geht, ich weiß.«

      »Das ist schon früher passiert, auf die gleiche Art. Das Komische ist, dass wir keine einzige Leiche gefunden haben.«

      »Dann wissen Sie nicht sicher, ob sie wirklich tot sind, und selbst wenn Sie den Kerl schnappen, brauchen Sie ein paar verdammt gute Indizien, damit man ihn ohne Leiche verurteilen kann.« Er schwieg einen Moment und ihr wurde klar, dass sie ihm gerade genau das erzählt hatte, was er schon wusste.

      »Ich glaube, man kann wohl davon ausgehen, dass die Vermissten in dem Fall auch tot sind, Doktor. Auf jeden Fall ist der Mann sehr gründlich. Lässt keine Spuren von sich oder seinen Opfern zurück, überhaupt keine … bis vor kurzem.«

      »Dann haben Sie etwas, womit man arbeiten kann, gut.«

      »Wir denken, dass der Tod von Hilani und Kaniola damit zu tun haben könnte.«

      »Ihre beiden Cops? Wieso glauben Sie das?«

      »Das sage ich lieber nicht auf einer unverschlüsselten Leitung.«

      »Okay, verstanden. Also was soll das heißen, dass er bisher keine Spuren hinterlassen hat? Haben Sie irgendwelche Hinweise?«

      »Wie gesagt, will ich das lieber nicht über eine ungesicherte Leitung besprechen, Dr. Coran.«

      Ein wenig paranoid, dachte sie. »Dann bis bald, Inspector Parry.«

      Die Überfahrten von einer Insel zur nächsten zogen sich endlos hin, und Gepäck durch die Gegend zu schleifen und stundenlang zu reisen, statt die kostbaren Urlaubstage zu genießen, war nicht gerade ihre Vorstellung von Spaß, aber andererseits war sie ja nicht mehr im Urlaub. Zum Glück liebte sie das Fliegen und die alten Vögel von Aloha Airlines, wie die 737, in der Jessica nun saß, ratterten und hüpften durch die Aufwinde, dass man wusste – und zwar die ganze Zeit –, man war in der Luft. Parrys Jet war vermutlich ein Lear-Jet, und auch wenn sie die nicht schlecht fand, bevorzugte sie doch etwas, das eher der holprigen Fahrt auf einem Heuwagen entsprach, als sich zu fühlen wie eine Sardine in einem Greyhound-Bus am Himmel.

      Das Flugzeug flog niedrig aus Richtung Osten auf Oahu zu, derselbe Kurs, den ihrer Vorstellung nach die japanischen Bomber genommen hatten, die die Schofield Barracks und Pearl Harbor bombardiert hatten. Lange bevor sie den Flickenteppich Pearl Harbor mit seinen Reihen von Kriegsschiffen weit unter sich sah, erblickte sie die riesige und weit ausgedehnte Metropole Honolulu, die Reihen protziger Hotels an den Stränden. Sie bemerkte winzige Surfbretter, Jachten und Segelboote vor der Küstenlinie von Waikiki. Diamond Head sah aus diesem steilen Winkel nicht anders aus als irgendein anderer Bergkrater. Es gab riesige Gebirgszüge auf beiden Seiten der Insel, dazwischen ein üppiges, tropisches Tal, und die Küstenlinie war – wie auf Maui – der teuerste Landstrich, auf dem sich alle Investments von außerhalb versammelt hatten.

      Zwei Millionen Jahre bevor Oahu zur Perle des Pazifiks und Tummelplatz der Millionäre der Welt geworden war, bestand es aus zwei getrennten Inseln, mit dem Kooalu-Vulkan im Osten und dem Waianae-Vulkan im Westen. Jetzt waren diese beiden einst sehr aktiven Vulkane zwei stille Berggipfel, die nur die Mitarbeiter der US-Forstbehörde, eine Handvoll Wanderer, ein paar Soldaten und Angehörige der Luftwaffe bei Manövern zu Gesicht bekamen, und vielleicht der Passat-Killer.

      Wie all die hawaiianischen Inseln war Oahu vor über tausend Jahren von den Marquesanern besiedelt worden, die den Pazifik in großen Ausleger-Kanus mit Strohdächern befuhren. Es folgten tahitische Immigranten, und als sie sich mit den Marquesanern vermischten, entstand eine eigene hawaiianische Kultur mit eigener Sprache, eigenen Traditionen und Ritualen.

      Wie in allen Kulturen gab es finstere Götter, die einen Großteil des dörflichen Lebens und Sterbens kontrollierten. Es gab ein kompliziertes System von kapus oder Tabus, mit aufwendig gefertigten kahillis – aus Bambusstangen mit kreisförmig angeordneten Federn an der Spitze, die zu besonderen Gelegenheiten herumgetragen wurden – und kunstvoll gefertigte leis, deren Aussehen strikte Abgrenzung in der Gesellschaft symbolisierten, genau wie der elegante, mit Federn geschmückte Kopfschmuck der Aliʼi oder des Adels, die Monarchien jeder Insel symbolisierte. Ständig gab es kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Insulanern, Scharmützel und Menschenopfer, während die verschiedenen Häuptlinge versuchten, ihre Macht auszudehnen.

      Seitdem sie auf den Inseln angekommen war, hatte Jessica eine Menge über die reichhaltige Geschichte gelernt, die stets als abwechslungsreich und außerordentlich bezeichnet wurde, ob vom Busfahrer, Portier, dem Kellner oder Fremdenführern. Sie hatte erfahren, dass im 18. Jahrhundert König Kamehameha, ein Häuptling der großen Insel Hawaii, einen ehrgeizigen Kriegszug gestartet hatte, um all die Inseln zu erobern. Er nahm Oahu 1795 ein, in einer der letzten und blutigsten Schlachten. Der Häuptling hatte lange Zeit einen schwunghaften Feuerwaffenhandel mit den westlichen Schiffen betrieben, die in Hawaii anlegten. Schießpulver und Steinschlossgewehre waren die neue schwarze Magie des Königs gewesen.

      Als


Скачать книгу