MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii - Robert W. Walker


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Versuch, sich in die Nähe des Blow Hole zu begeben, könnte einen Taucher binnen Sekunden pulverisieren. Es ist ein gewaltiger Strudel, die Geschwindigkeit des Wassers beträgt mehr als 100 Meilen pro Stunde, und er beruhigt sich nie. Es gibt keine Möglichkeit, ein vulkanisches Loch in der See auszubaggern. Es war reines Glück, dass wir dieses eine Geschenk erhalten haben, bevor es wieder hineingespült worden wäre.«

      »Die Chancen stehen also schlecht, dass dieses Loch irgendwelche weiteren Beweise ausspuckt?«

      »Daran kann man ernsthaft zweifeln. Wir lassen es allerdings weiter abgesperrt und einer meiner Männer hält genau danach Ausschau.«

      »Und der wartet auch auf eine mögliche Rückkehr des Killers?«

      »Ich habe ein paar Teams darauf angesetzt, ja, aber da er die beiden toten Cops dort zurückgelassen hat, ist die Hoffnung gering, dass er dorthin zurückkehrt.«

      »Dann bringen Sie mich bitte ins Leichenschauhaus. Ich sehe mal, was ich tun kann, um ein wenig Licht in die Sache zu bringen.«

      »Mehr verlangen wir auch gar nicht.«

      Auf dem Weg zum Leichenschauhaus versuchte sie Parry einzuschätzen. Er war so groß wie sie, hatte markante Gesichtszüge und durchdringende Augen. Sein Gesichtsausdruck verriet jedoch nur wenig, zweifellos eine Folge des jahrelangen Umgangs mit der Presse und der Öffentlichkeit bei Fällen, die Fingerspitzengefühl verlangen. Und da gab es vermutlich keine Steigerung zu diesem, dem schwierigsten Fall überhaupt: Ein Serienkiller, über den die Polizei so gut wie nichts wusste.

       Später am selben Tag

      Thom Hilani war von hinten durch den Kopf erschossen worden, die Kugel war an der Schädelbasis eingetreten, was man an dem sauberen, kleinen runden Loch erkennen konnte, und hatte am Austrittspunkt den Schädel explosionsartig verlassen, was ein etwa zehn Zentimeter großes Loch zwischen die Augen gerissen hatte. Das Zentrum der auswärts gerichteten Explosion hatte das weiche Gewebe des Frontallappens und die Augen in Mus verwandelt. Er war sofort beim Einschlag der Kugel gestorben, die große Abschürfung auf seiner Stirn und seinem Schädel war ein offensichtliches Zeichen, dass er wie ein gefällter Baum auf den Teer geknallt war, auf dem Vorsprung, der über die Hanauma Bay ragte. Zumindest hatte er nicht gelitten.

      Jessicas geübte Augen verrieten ihr, dass der Killer etwas vom Schießen und von Munition verstand und dass er absichtlich etwas verwendet hatte, was man auf den Straßen Cop-Killer-Patrone nannte, die er aus einer Art Western-Revolver mit Kaliber .44 oder .45 verschossen hatte.

      Eine gründliche Autopsie förderte sonst absolut nichts zutage, abgesehen davon, was Officer Hilani an diesem Abend in seiner Nachtschicht gegessen hatte.

      Bei Kaniola war es anders. Er war angeschossen worden, aber nicht tödlich verwundet, und eine versteckte Einweg-Kanone war immer noch in ihrem Holster, das um seinen Fußknöchel geschnallt war. Parry hatte ihr versprochen, dass absolut nichts an den Leichen der beiden Männer verändert worden war, und vielleicht konnte man ihn beim Wort nehmen. Es war jedoch ungewöhnlich, dass andere Cops, Freunde, es nicht für nötig gehalten hatten, die illegale Notfallwaffe zu entfernen, die Cops in Situationen verwendeten, wo es nötig war, schnell eine Waffe neben einen Angreifer zu legen, um den Gebrauch tödlicher Gewalt zu rechtfertigen. Die zweite Waffe wurde auch als Back-up auf der Straße gesehen, wenn ein Cop die Kontrolle über seinen Dienstrevolver verlieren sollte.

      Aufgrund des Wegs der Kugel, der durch Kaniolas rechte Schulter verlief und die in der Nähe des rechten Schulterblattes wieder ausgetreten war, hätte er Schwierigkeiten, die zweite Schusswaffe zu ziehen. Und wenn er sie erreicht hatte, dann war es ihm vielleicht nicht möglich, den nötigen Druck auszuüben, um sie abzufeuern.

      Die tödliche Wunde, die Kaniola zugefügt worden war, war das Ergebnis einer riesigen Klinge, die ein ganzes Stück der Kehle herausgeschnitten, die Halsvene durchtrennt und beinahe den Kopf abgetrennt hatte. Ohne Instrumente schätzte Jessica, dass die Klinge zwischen fünf und sechs Zentimeter breit gewesen war, weswegen die Waffe eine Art Schwert oder Machete gewesen sein musste. In ihrem weißen Laborkittel, die Haare streng zurückgebunden, sah sie aus wie ein typischer Wissenschaftler. Sie drückte den Schalter des Aufnahmegeräts über ihrem Kopf und verkündete Zeit und Datum der Autopsie, den Namen des Verstorbenen und seine Identifikationsnummer im Leichenschauhaus, gefolgt von ihrem eigenen Namen, bevor sie mit der Autopsie von Joe Kaniolas Sohn anfing.

      Immer wieder sah sie kurz Kaniolas Vater vor ihrem geistigen Auge, während sie arbeitete: Das ledrige Gesicht des Mannes, die Falten seiner Haut, die wie altes Pergament aussahen, die Krähenfüße wie gespachtelte Fugen auf einem alten Schiff. Sie vermutete, dass er Ende fünfzig war. Wahrscheinlich hatte er sein gesamtes Leben hart gearbeitet, damit es seine Kinder einmal besser hatten, und nun war eines davon zum Gegenstand ihres finsteren Handwerks geworden. Trotz allem, was Parry zu ihr oder dem alten Mr. Kaniola gesagt hatte, ging sie ziemlich sicher davon aus, dass sie den toughen Journalisten wiedersehen würde.

      Sie fuhr fort, die beiden großen Wunden an Kaniolas Körper zu untersuchen. Nicht nur mussten sie genau in Augenschein genommen, sondern auch präzise vermessen und die Ergebnisse auf Band gesprochen werden, für alle, die nach ihr kamen oder sie bei dieser beschwerlichen Aufgabe ablösten. Wie lange hatte der Angreifer wohl über dem uniformierten Polizisten gestanden und sich an seiner Hilflosigkeit erfreut, bevor er das Pendel des Todes über seine Kehle rasen ließ? Hatte der Killer sich besonders daran erfreut, den Mann dann im Schock verkrampfen und verbluten zu sehen? Oder nahm er sich für derlei Vergnügen nur die Zeit bei den Frauen, die, wie Parry vermutete, seine bevorzugten Opfer waren?

      Sie musste noch die Untersuchung der inneren Organe von Kaniola durchführen, ein großer, bärenstarker und stolz wirkender Mann, größer als sein Vater. Aber zuerst warf sie einen Blick auf die Hände, so wie sie es bei Hilani getan hatte, um zu sehen, ob vielleicht Hautfetzen oder Haare unter den Nägeln waren, was darauf hinwies, dass er mit seinem Killer gerungen, nach oben gegriffen und an ihm gezerrt hatte. Kaniolas linke Hand war mit dunklem Blut verschmiert, sein eigenes, wie sie annahm.

      Sie sprach diese Entdeckung laut für das empfindliche Mikrofon über ihr aus, während sie arbeitete.

      »Linke Hand blutverschmiert. Blut ist vermutlich das von Officer Kaniola, da er wahrscheinlich instinktiv nach seiner verwundeten Schulter greifen würde.«

      Während sie diese Worte sagte, hörte sie die Stimme ihres Vaters in ihrem Hinterkopf: »Vermuten heißt nicht wissen.« Ihr Vater war der beste Gerichtsmediziner gewesen, der je eine Uniform getragen hatte, und er hatte sie immer wieder gewarnt, dass die hart erarbeitete Karriere von so manchem Pathologen aufgrund von voreiligen Schlüssen den Bach runtergegangen war. Vermutungen waren etwas für die Öffentlichkeit und Detektive, die nicht weiterwussten. Angenommen, das Blut auf Kaniolas linker Hand stammte von Kaniolas Killer. Angenommen, er war ebenfalls bei der Schießerei verletzt worden. Eine gewagte Vermutung, aber sie konnte nur mit einem Mikroskop beweisen, dass allein Kaniolas Blut auf seiner Hand war. Bisher hatte dieser Killer – wenn es Parrys Passat-Killer war – nicht mal ein Fitzelchen an Beweisen hinterlassen, um sich selbst zu belasten. Sie konnte Parry ziemlich beeindrucken, wenn Kaniola tatsächlich eine Hand auf das Monster gelegt hatte, das ihn ermordet hatte.

      Sehr wahrscheinlich jedoch war es das eigene Blut des Officers, das seine Hände bedeckte. Trotzdem ergänzte Jessica schnell ihre Bemerkungen für die Aufzeichnungen, indem sie hinzufügte: »Sollte der Angreifer verletzt worden sein, dann könnte das Blut auf Officer Kaniolas Hand auch vom Angreifer stammen.«

      Sie nahm Proben des Blutes und der Abschürfungen unter den Fingernägeln, um sie unter dem Mikroskop zu untersuchen, in der Hoffnung, dass das nicht umsonst war. In ihrer Erschöpfung kam ihr wieder einmal eine Bemerkung ihres Vaters in den Sinn: »Gründlichkeit ist ihr eigener Lohn.«

      Sie streckte die langen Beine und den Rücken und gähnte über dem Seziertisch, dehnte sich, fühlte sich zu müde, um weiterzumachen. Ihr Assistent, ein Mann namens Dr. Elwood Warner, war einige Jahre jünger als sie, ein Pathologe vom Honolulu General, der für den Bundesstaat auf Abruf war. Ein zweiter Pathologe des County war etwas zu spät aufgetaucht und


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