MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii - Robert W. Walker


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auf eine Temperatur, die die meisten Menschen nicht aushalten würden. Sobald der Kakao so zubereitet ist, wie er ihn am liebsten mag, streift er durch das leere, klagende Haus, das er einst mit Kelia bewohnt hat. Die Schatten, selbst das Holz und die Holzspäne in den Wänden, sind von Kelias vielen Geistern bevölkert, die ihn anschreien. Kelia ist schon vor langer Zeit gegangen, hat ihn verlassen. Sie musste für diese Demütigung sterben und das tat sie … zumindest in seiner Vorstellung hat er sie seither viele Male getötet. Er würde gern die echte Kelia töten, aber er weiß, er kann es nicht, zumindest nicht jetzt, vielleicht niemals, außer sie kommt wieder nach Hause zurück …

      Er vermisst ihr früheres Leben zusammen auf Maui und später hier auf Oahu. Sie lebt und es geht ihr gut, sie wohnt bei Freunden auf dem Festland, in Kalifornien, in Angst, er könnte eines Tages zu ihr kommen. Aber wenn Kelia jemals ermordet werden würde, dann wüsste die Familie – und jeder sonst –, wer sie getötet hat.

      Also tötet er Kelia, indem er die anderen umbringt, die wie sie sind – oder waren.

      Manchmal fragt er sich, ob Kelia nicht irgendwann, ohne sein Wissen, wieder heimlich auf die Insel Oahu zurückgekommen ist. Manchmal erzählen ihm Verwandte etwas, aber die Berichte sind vage, unsicher. Seine Verwandten besuchen ihn nie. Die meisten finden ihn merkwürdig. Sie finden, er lebe zu sehr in der Vergangenheit.

      Es ist ein massiger Mann, auch wenn er nicht besonders groß ist mit 1,75 Meter. Gedrungen und kräftig, und stolz auf seine Stärke. Seine Hanteln liegen immer griffbereit. Das Wohnzimmer ist mit Equipment vollgestopft und er macht regelmäßig Workouts, bis seine Muskeln aufgepumpt sind.

      Er muss in Form bleiben, das braucht er für seine Selbstachtung und für all die leidenschaftliche Arbeit, die er für seine Götter vollbringt.

      Im Haus hat er es am liebsten dunkel. Ohne Strom oder Aussicht auf eine Klimaanlage versucht er, es wie in einer Höhle kühl zu halten, und zieht die Dunkelheit der Hitze vor. Einmal hatte er davon geträumt, sich ein Haus direkt in die Bergwand zu bauen, damit es auf natürliche Weise klimatisiert wird. Sein Traum war, es für Kelia zu bauen. Gott, das war so lange her, als er und Kelia zusammengezogen waren und noch auf Maui lebten. Der alte Traum liegt in Trümmern, das weiß er. Nur sein neuer Traum kann nun noch wahr werden.

      Er hebt das lange Zuckerrohrmesser hoch, sein Lieblingsmesser von mehreren, die ihm gehören. Ein ganzes Gestell solcher Messer besitzt er und mehrere japanische Schwerter, die er über die Jahre gekauft hat. Glänzende Stahlklingen faszinieren ihn. Er mag, wie sie sich anfühlen, die kalte Perfektion des Metalls, wenn man es aus der Scheide zieht, wie es sauber in Fleisch eindringt und wieder heraus, ohne dass der Stahl auch nur einen Kratzer davonträgt. Ein mächtiges Messer ist wie der Phallus eines Gottes, der zwischen dessen enormen Beinen baumelt, und mittlerweile betrachtet er seinen eigenen Körper wie eine Stahlklinge, die von den Göttern von Oahu, den Göttern der Inseln, geschwungen wird.

      »Muss ein wenig ausruhen … schlafen«, sagt er nervös zu sich selbst. Seit zwei Jahren leidet er immer wieder unter Schlaflosigkeit. Einer der Gründe, wieso er freiwillig in der Spätschicht arbeitet, von 14 Uhr bis zehn Uhr abends. Er hat sich daran gewöhnt, nur drei oder vier Stunden am Tag zu schlafen, und durchstreift gern die Innenstadt, bevor er seinen Dienst antritt. Anschließend kehrt er zurück auf die Straßen von Oahu, um seine Jagd fortzusetzen. Aber heute hat er seinen freien Tag.

      Leicht ist er nicht zufriedenzustellen. Seine Prinzessinnen müssen alle elegant sein, zumindest äußerlich, um seine Götter friedlich zu stimmen. Sie müssen einen starken Willen haben, nicht von der Sorte, die einfach abzuschleppen ist und zu jedem ins Auto steigt. Er mag es, wenn sie sich ihm widersetzen, wenn sie kämpfen. Es zeigt ihren Mut und dass sie es wert sind, Teil seines Plans zu sein, die mächtigen Herren der Insel wiederzuerwecken, die zu ihm sprechen, durch ihn sprechen, ihn auf dem Pfad vorantreiben, den er gewählt hat.

      »Lopaka«, so rufen sie ihn ihrerseits einer nach dem anderen an. »Lopaka … Sohn der Häuptlinge, die vor dir kamen …«

      »Du bist es … Cowboy Lopaka.«

      Sie rufen alle nach ihm, mit ihren sonoren Stimmen. Ihre Stimmen vermischen sich zu einer, wenn sie seinen Namen in einem Singsang rufen. Der Klang hallt durch seinen Kopf. Sie sehen ihn als einen der ihren.

      »Lopaka …«

      »Wir, deine Götter, brauchen dich … bitten dich …«

      »… stille den Hunger …«

      »… den großen Hunger …«

      »… nähre das blutige Himmelsfeuer, das dich nährt …«

      »… gib dich uns hin …«

      »… in das unerträgliche Feuer, das durch uns fließt …«

      »… finde uns … gib uns das Feuer deines Herzens …«

      »… gibt uns unser täglich Rot …«

      Er erträgt es – erträgt die himmlischen Stimmen, die vor unerträglichem Leid triefen, sich in sein Hirn bohren – bis er es nicht mehr aushält.

      Er erinnert sich, dass es auch am Anfang so war, beim ersten Leben, das er jemals den Stimmen geopfert hatte. Es hatte mit den Geräuschen angefangen, die der Wind gebracht hatte, Stimmen, die nur er hören konnte, schon lange bevor er Kelia kennengelernt hatte. Er hatte versucht, sich zu ändern, nachdem er sie getroffen hatte, und ihre Gegenwart hatte am Anfang die klagenden Stimmen in seinem Kopf zum Verstummen gebracht. Eine Zeit lang waren die Stimmen ruhig und in Schach gehalten.

      Nachdem Kelia ihn verlassen hatte, machte er langsam eine überraschende Feststellung: Die Götter hatten Kelia für ihn erwählt, um ihm spezielle Einsichten in die geistige Welt zu ermöglichen. Kelia war tatsächlich die Art Opfer, die sie wollten. Und schließlich hatte er gewusst, was die Götter von ihm wollten, wieso er geboren worden war, wieso er aus seiner Heimat hierhergekommen war, was schlussendlich sein Zweck war … und wieso er tötete. Das gehörte alles zu einem Plan, den selbst er nicht ganz verstand.

      Wenn er tötet, wird seine Konzentration von ihnen so geschärft, dass es unabhängig von ihm geschieht, als wären seine Glieder und sein Geist von den Mächten übernommen worden, die durch seine Taten sprechen, als wäre er nicht mehr als ein Pfeil der Götter und nicht einmal im normalen Sinne des Wortes anwesend.

      Am nächsten Tag, nachdem er gemordet hat, erwacht er in einem neuen Körper und einem neuen Dasein, erfrischt und glasklar im Kopf, und erinnert sich nur an die letzten Momente, bevor sie schließlich starb, ihr Blut ihn bespritzte, ihn einfärbte, während er sie aufschlitzte und auf ihre Leiche ejakulierte.

      Seine geniale Methode, sich der Leichen zu entledigen, entstammt ebenfalls der Inspiration durch seine Götter.

      Nach und nach, und oft in den alltäglichsten Situationen, erinnert er sich an Bruchstücke dessen, was er getan hat – oder vielmehr, was sie getan haben, bis schließlich Offenbarungen seiner Erinnerungen ihm alles enthüllen – absolut alles.

      Er erinnert sich nur an einen Namen für all seine Opfer, Kelia – denn sie sind alle ein und dieselbe, wenn sie ihm gehören. Es sind nicht länger Lindas oder Kias, sondern Kelias. Er weiß, dass sie alle gleich sind; dass sie alle oberflächliche, schale Kreaturen sind, nur interessiert an Popmusik und Rockstars, an geistlosen Magazinen und Make-up, an sofortiger Befriedigung ihrer Wünsche – »was zwischen ihren Beinen ist« – und daran, eine weitere dunkelhäutige haole zu werden, die alles liebt, das weiß ist. Westlich und dekadent. Kelia – die echte Kelia – war eine vollblütige Hawaiianerin, heutzutage seltener als eine Jungfrau, aber die Kelias, die er zu seinen Göttern schickte, waren alle gemischtrassig, und nun wiederholen die Götter ihre Forderung nach einer vollblütigen Hawaiianerin. Er hat versucht, es richtigzumachen, aber die vielen Heiraten, über Rassengrenzen hinweg, haben es fast unmöglich gemacht, hier in Oahu eine solche Blume für seine Götter zu finden.

      Für ihn macht es keinen großen Unterschied, solange sie wie Kelia aussehen, damit er Kelias qualvollen Tod wie ein Voyeur erneut genießen kann, sobald er anfängt, mit der Zuckerrohrmachete oder den Schwertern zuzuschlagen. Es scheint nicht


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