MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii - Robert W. Walker


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über seinen nackten Leib reibt.

      Die Wände seines kleinen Bungalows tragen mittlerweile die Spuren vieler solcher Tode. Zum Glück wohnt er am Ende einer Sackgasse und das Grundstück neben ihm ist leer und seine nächsten Nachbarn, die Sippe von Portugiesen, die am Ende des Blockes wohnt, bleibt gern unter sich. Niemand scheint sich je an den Geräuschen oder den Gerüchen zu stören, die aus seinem Haus dringen.

      Aber nun, wo er die zwei hawaiianischen Cops umgebracht hat, macht er sich Sorgen. Das sind keine Morde, die er geplant oder gewollt hatte, besonders weil die beiden getöteten Männer Hawaiianer waren, und die hawaiianischen Götter, die ihn für den Moment verlassen zu haben schienen, hatten ihm mit Sicherheit nicht befohlen, ihr Leben zu nehmen. Seine Götter reden ständig von Regeneration und Wiedergeburt, davon, dass die hawaiianische Rasse große Macht zurückerhält, weit mehr als es die hawaiianischen Politiker oder Zeitungen lauthals fordern. Wie denken sie wohl darüber, dass er zwei starke hawaiianische Krieger getötet hat? Das fragt er sich nun.

      Krieger, verdammt … er rationalisiert seine letzten Morde. Immerhin arbeiteten sie für die da oben, spielten weißer Cop.

      Er legt den Kopf auf die Kissen seiner blutverschmierten Couch und versucht verzweifelt so zu tun, als wären seine Augen müde, als wäre er schläfrig. Die Drogen, die er nimmt, haben ihn ein wenig runtergebracht; trotzdem hasten seine Augen ruhelos durch den kleinen Raum und registrieren, an welcher Stelle das frische Blut, von hellerer Farbe und leuchtend im Schein der Öllampen, den Deckenventilator bespritzt hat. Letztlich streicht er seine Wände rot, seitdem ihn Kelia verlassen hat.

      Er fragt sich erneut, ob Kelia jemals wiederkommen wird. Fragt sich, ob er sie jemals finden wird. Jemals … ein sinnloser Zeitrahmen, solange sie sich weigert, zu verstehen. Dennoch grübelt er über die Scherben seiner Vergangenheit, betrachtet die Bruchstücke, die Momente, in denen er versucht hatte, sie zu überzeugen, was er wohl anderes hätte sagen können, als er sie überreden wollte, ihr Schicksal zu akzeptieren und ein Opferlamm zu werden. »Was wäre wenn?« Das beschäftigt ihn nun, erfüllt seine Gedanken. Was, wenn er sie zurückgewinnen könnte, was dann? Würde sie es jetzt besser verstehen, als sie es damals tat? Würde sie jemals freiwillig an seiner neu gefundenen Religion teilhaben? Oder würde sie wieder weglaufen … wieder zu verängstigt, um ihm nur einen einzelnen Schnitt zu erlauben, geschweige denn, ihr Leben für seinen Glauben zu opfern.

      Er starrt auf den Fernseher, der immer noch läuft. Reporter drängeln sich um einen guten Platz vor dem Regierungsgebäude in der Innenstadt und versuchen irgendeine Witzfigur in einem beigefarbenen Anzug dazu zu bringen, etwas zum Tod der beiden kanaka-Cops zu sagen. Es sieht wie eine Wiederholung der Nachrichten aus, die schon früher am Tag gesendet wurden, also ignoriert er sie einfach und lässt sich von den Stimmen berieseln, das langweilige Gemurmel kann ihm vielleicht helfen, den Schlaf zu finden, den er so dringend braucht, als er plötzlich hört, dass am Blow Hole angeblich ein Körperteil gefunden wurde. Jetzt spitzt er die Ohren.

      »Hoʼino wale, verdammt! Kuamuamuʼr«, flucht er.

      Sofort sitzt er kerzengerade, starrt auf den, der die Frage gestellt hat, und auf den Befragten. Der Mann vom FBI trägt eine teure Sonnenbrille von Costa Del Mar und hat ein gutaussehendes haole-Gesicht, ist groß und hat rötliche Haut. Er streitet sofort ab, dass irgendwelche Körperteile aus dem Blow Hole gefischt wurden.

      »Das ist unmöglich«, sagt sich Lopaka.

      Die Stimme im Fernsehen fährt fort. »Es sieht aus, als hätten ein paar Jungs mit ein paar Teilen von einer Schaufensterpuppe einen Streich gespielt«, sagt der Mann vom FBI, unter dem auf dem Bildschirm der Name Parry steht. »Haben ein paar Touristen mit kaputten Teilen einer Schaufensterpuppe erschreckt, das ist alles.«

      Sie haben einen Teil von ihr rausgeholt. Sie haben ein Stück von Kelia gefunden … Er verzerrt das Gesicht, blickt auf die Beweise für mehrere Morde, die ihn überall umgeben. Er fragt sich, was er tun muss. Überlegt, was seine Götter von ihm wollen. Er kann nicht weitermachen, als sei nichts passiert, als wäre in seiner Welt alles in Ordnung, als würden sie immer noch nichts von ihm wissen, als würden sie nicht genau in diesem verdammten Moment nach ihm suchen. Vor diesem Zeitpunkt wussten die Behörden nur, was die Götter sie wissen lassen wollten. Nur, dass ein schattenhafter Niemand, genannt der Passat-Killer, von dessen Identität sie nicht den geringsten Anhaltspunkt hatten, Nutten entführt. Aber jetzt? Jetzt wissen sie etwas über ihn und sie wissen etwas über Kelia. Sie haben einen Teil von ihr, etwas, das Ku gehört … und sie überwachen das Blow Hole.

      Der Gedanke versetzt ihn in Panik.

      Er stellt sich vor, dass sie seinen Namen kennen, wissen, wo er arbeitet, wo er wohnt. Dass sie die lebende Kelia bereits vorgeladen haben, sie verhören, sie ausquetschen. Er stellt sich vor, sie haben den Kopf der toten Kelia und das verdammte Ding spricht zu ihnen durch verwesende Lippen.

      Er stellt sich vor, wie sie durch seine Tür krachen mit riesigen Netzen und einem Käfig, in den sie ihn stecken; sieht vor seinem geistigen Auge, wie sie ihn vor die Fernsehkameras zerren, die sich im Moment auf den zweiten FBI-Mann namens Gagliano richten. Er malt sich aus, wie er vor Gericht gezerrt, zu einem Leben hinter Gittern verurteilt wird, sofern ihn nicht vorher ein wütender Cop oder ein Angehöriger richtet.

      »Verflucht«, versucht er sich zu überzeugen, »so ein schnelles Ende wäre vielleicht gar nicht so schlecht.«

      Es wäre ein Ende all seiner Unruhe, des Fieberwahns seiner Seele. Vielleicht wäre er im nächsten Leben ein Gott, ein echter Gott … nicht ein ausgedachter – zumindest wäre er vielleicht überhaupt irgendjemand. Was hatte er in diesem Leben schon für Chancen gehabt unter dem Schatten seines übermächtigen Vaters? Sein Vater war der wahre Grund gewesen, wieso er sich entschieden hatte, sein Zuhause zu verlassen und sich eine eigene Bleibe zu suchen, vielleicht sogar der Grund, wieso er die Stimmen im Passat hört, und möglicherweise, wieso er den Bösen hilft, sich an den Kelias der Welt zu mästen. Sein Vater war ein Raubtier und er auch …

      Was wäre er schon in diesem Leben, wenn er niemals die Stimmen gehört hätte, die ihm sagten, was er tun sollte? Nichts, weniger als ein Sandkorn am Strand, Dreck. Abgesehen davon, wenn er es doch einmal wagt, seinen Göttern nicht zu gehorchen, versengen sie ihm das Hirn mit einem glühend heißen Schürhaken, der ihn mit dem Fieber der Unruhe verbrennt. Das ist die schlimmste Folter, die man sich vorstellen kann, wie erhitzte, schartige Messer, die langsam in seine Augen und Ohren geschoben werden, und die einzige Erleichterung besteht darin, seine Opfer auf die Art abzuschlachten, wie er selbst gemartert wird. Als wollte ihm Ku zeigen, wie man so etwas macht.

      Er erinnert sich daran, dass er in der Nacht zuvor das Schwert erhitzte, zustieß, Fleisch versengte.

      Die Götter warnen ihn ständig vor einer Folter, die noch weit schlimmer sein wird als alles, was Menschen ihm antun könnten, dass diese Folter der Götter ihn erwartet, wenn er nicht tut, was man ihm sagt. Wenn er eingesperrt wäre und nicht für seine Götter sorgen könnte, was würden sie dann mit ihm machen? Ihn schaudert bei dem Gedanken. Dann erfasst ihn ein Moment völliger Ruhe. Worüber sollte er sich Sorgen machen?, fragt er sich. Niemand hat auch nur den Hauch einer Ahnung, dass er an irgendetwas schuldig ist, dass er der Passat-Killer ist. Und das werden sie auch nie. Er schließt die Augen und schläft einen unruhigen, durch die Drogen herbeigeführten Schlaf, bis ihn Ruhe und Frieden wie ein unerwartetes Geschenk umfangen …

      Er träumt von einem üppig mit Bäumen bestandenen Hinterhof und einem Versteck, in dem er sich einst sicher fühlte, ein Ort, an dem ihn sein Vater nicht finden kann. Der Traum bewirkt zuerst einen noch tieferen, friedlicheren Schlaf, aber dann löst sich das Wäldchen auf, die sanften, wogenden Traumfarben werden durch Rot und Schwarz ersetzt, der Traum selbst verschwindet in einer plötzlichen Bilderflut …

      Ein anderer Traum oder der Traum eines anderen? Ein Traum, der dem Geist eines Gottes entsprungen ist? Eine Vision?, fragt ihn sein Unterbewusstsein. Es ist eine unbekannte Landschaft; es ist nicht sein Traum … er kommt von irgendwo anders, von irgendjemand anderem …

      … trügerisch schlicht und angenehm blickt ein Paar riesiger, haselnussbrauner Augen direkt in sein Gehirn, als wenn


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