MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii - Robert W. Walker


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beim Zimmerservice bestellen.«

      »Ich bin unten … und wenn Sie mit jemandem zusammen essen wollen, na ja … ich hab nur gedacht …«

      Er hörte sich wie ein nervöser Junge an. Sie räusperte sich. »Ich bin furchtbar müde.«

      »Vielleicht hilft da ein Wein und etwas leckeres Opaka-paka …«

      »Opaka-paka

      »Das beste Fischgericht auf den Inseln, so wie sie es hier zubereiten.«

      »Unten, sagen Sie …« Sie überlegte laut.

      »Im Restaurant.«

      Sie seufzte, ließ ihm einen Moment, sich Sorgen zu machen, und sagte dann: »Okay. Geben Sie mir einen Moment, um mich anzuziehen.«

      »Leger.« Er betonte das Wort.

      »Wie im Urlaub?«

      »Und ich verspreche, dass wir nicht von der Arbeit reden werden.«

      Als sie aufgelegt hatte, fragte sie sich, ob das die richtige Entscheidung gewesen war, und ob er sich daran halten würde, nicht von der Arbeit zu reden, oder ob er es darauf angelegt hatte, so viel wie möglich von ihr über die Autopsien zu erfahren. Sie verschwendete dennoch keine Zeit und zog sich ein dünnes, regenbogenfarbiges Kleid im Muumuu-Stil an, das sie in einem Laden im Hotel auf Maui gekauft hatte. Sie föhnte sich schnell die Haare und benutzte ein bisschen Gel, um es zu stylen, lässig und einfach. Ihre kastanienfarbenen Locken ließ sie offen auf die Schultern fallen. Ob er wohl Hintergedanken hatte? Oder hatte sie selbst welche? Andererseits, wieso sollte sie nicht ein wenig Spaß haben, hier in der schönsten Küstenstadt der Welt? Wieso sollte sie nicht die Gelegenheit nutzen, um ihr neues Kleid zu tragen, und wieso sollte sie nicht dieses köstliche Opaka-paka kosten? Alan Rychman und Paul Zanek sollen zur Hölle fahren – aus unterschiedlichen Gründen. Und wieso sollte sie verdammt noch mal nicht die Gesellschaft eines anderen Mannes genießen? Sie holte ihren Stock und bewunderte sich einen Moment in dem großen Spiegel, bevor sie ihr Zimmer verließ. Gut, dass sie das inseltypische Kleid mit dem Gürtel um die Hüfte gekauft hatte und nicht das ohne. Sie erinnerte sich selbst daran, dass sie mit Parry vorsichtig sein sollte, schließlich waren Männer überall auf der Welt gleich und trotz seines guten Aussehens hatte sie nicht vor, irgendetwas mit einem weiteren Workaholic und Dienststellenleiter anzufangen, ob auf Hawaii oder nicht.

      Das Dinner war sehr angenehm, es wurde im Freien am Strand des Pazifiks serviert. Bemerkenswerterweise hielt Parry sein Wort und erwähnte kein einziges Mal die beiden Autopsien oder den Fall des Phantomkillers, der das Waikiki-Urlaubsresort von Honolulu heimsuchte.

      Nach einem köstlichen Dinner, bei dem sie ein dickes Stück frischen Opaka-paka verspeiste, zu dem sie einen Wein trank, machte sie mit ihm einen langen Spaziergang auf der belebtesten Straße Waikikis. Das Leben brodelte hier auf den Gassen und in den Hotels genauso intensiv, wie es das im Ozean tat, die Schwärme an Menschen schlängelten entspannt, aber zielstrebig durcheinander, kamen aus Geschäften oder gingen hinein und umrundeten die Betonpfeiler. Shoppen konnte man in der Kalakaua Avenue die ganze Nacht.

      Parry hätte sie gar nicht auf die hell erleuchteten einzigartigen Geschäfte hinweisen müssen, die den Weg säumten. Weltweite Ketten konkurrierten mit kuriosen einheimischen Läden. Als Unbeteiligte kamen ihr die Leute leicht verrückt vor; immerhin waren sie um den halben Erdball geflogen, nur um sich dann verbissen einer Aktivität hinzugeben, die sie auch zu Hause in einer Shoppingmall in Upper Sandusky, Idaho oder Tokio hätten erledigen können. Die Menschen schienen sowohl erstaunt als auch erfreut, dass sie bekannte Markennamen neben unbekannten fanden, grelle Neonreklamen neben eher dezenten Fassaden verschiedener Geschäfte wie Endangered Species, The Wyland Art Gallery und exotische koreanische, japanische und hawaiianische Restaurants. Es gab auch Woolworthʼs, Burger King, Hilo Hattieʼs, ABC Liquor and Pharmacy, Thom McAn Shoes. Es gab dreistöckige Shoppingmalls auf dem International Market Place im Herzen Waikikis. Alles war berauschend, aufregend und zu einem Gutteil auch ernüchternd, dachte sie. Auf Maui gab es zwar ebenfalls hoch aufragende Hoteltürme, die die Küsten säumten, aber die Atmosphäre, die nur in einer großen Weltstadt herrschte, war einzigartig.

      »Man könnte hier ein Vermögen ausgeben, bevor man auch nur den halben Block entlanggegangen ist«, sagte er in ihr Ohr, während sie entspannt die hell erleuchtete Straße entlangschlenderten.

      Ihr nachdenkliches »Hmmm« klang wie ein Schnurren. Sie hatte ein bisschen mehr Wein getrunken, als gut für sie war. »Das sehe ich«, fügte sie noch rasch hinzu. »Aber deswegen bin ich nicht nach Hawaii gekommen.«

      »Für viele andere ist das allerdings sicher reizvoll, Doktor. Die lassen ein Vermögen hier … nach Honolulu kommen jede Saison Millionen.«

      Sie sah ihn von der Seite an, während sie weiter durch den Trubel schlenderten und geschickt durch den Menschenstrom manövrierten, in dem sie sich wiederfanden. Vor einem kleinen Laden, der vietnamesische Lebensmittel verkaufte, kamen sie zum Stehen. »Hier gibtʼs ein paar wirkliche Köstlichkeiten«, versicherte er ihr.

      »Waren Sie in Vietnam? Eine Vorliebe für die örtliche Küche entwickelt?«

      »Hat das nicht jeder?«

      »In welcher Einheit waren Sie?«

      »Ganz normaler Infanterist.«

      »Infanterie, und Sie sind lebend da rausgekommen? Ich bin beeindruckt.«

      Sie gingen weiter die Einkaufsmeile entlang, der sanfte Passat wehte durch das menschengemachte Asphalt-Tal, durch den Beton und Stahl, der sie umgab. Die Millionen Schaufenster erhellten ihren Weg, als ein Straßenhändler ihnen ein paar Papier-Halsketten anbot, um einen »Flitterwochen-Schnappschuss« zu machen.

      Parry bedeutete ihm zu verschwinden und sie schüttelte ein wenig verlegen den Kopf, beide lachten, sowohl amüsiert als auch peinlich berührt. Sie schüttelte es jedoch sofort wieder ab und fragte: »Sie haben sicher eine Menge Druck, den Ruf der Stadt auf Hochglanz zu halten, oder?«

      »Das FBI sollte eigentlich über solchen Dingen stehen, aber ja … das ist noch gelinde ausgedrückt. Sie haben eine gute Beobachtungsgabe, Dr. Coran, aber wenn Sie sich erinnern, ich habe doch versprochen, nicht von der Arbeit zu reden, erinnern Sie sich?«

      Sie ignorierte es. »Einige der jungen Frauen sind genau aus dieser Gegend hier verschleppt worden, oder nicht?«

      »Ja, aber deswegen sind wir nicht hier.«

      »Er hätte sie sich genauso gut am helllichten Tag schnappen können. Er wäre von Menschen umgeben und hier ist es so hell wie am Times Square zu Silvester.«

      »Sind am Times Square zu Silvester noch keine Menschen verschwunden?« Er lachte gedämpft und schnaufte dann, schüttelte den Kopf, die sorgfältig gekämmten Haare vom Wind zerzaust. »Ich habe eigentlich Ihretwegen versprochen, nicht von der Arbeit zu reden, wollte Ihnen ein wenig die Stadt zeigen, und jetzt reden Sie genau …«

      »Ein Psychiater würde es wohl besessen nennen, ich bin zu sehr auf meine Arbeit fixiert, Gift für jede Beziehung.«

      »Ja, da sind bei mir auch Symptome vorhanden. Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber von dem, was ich bisher gesehen habe, haben wir wohl Glück, Sie hier zu haben … inklusive der Besessenheit von der Arbeit. Ist ja nichts dran auszusetzen, wenn man Begeisterung für seine Pflichten aufbringt und so …«

      »Oh je, Sie werden mir aber nicht gleich irgendeinen patriotischen Lee-Greenwood-Song vorträllern?«, sagte sie, während sie dachte: Was zur Hölle weiß er schon von meiner Besessenheit?

      Er lachte herzlich und sang: »God bless America and the USA.« Ein paar Leute starrten ihn an, andere lachten.

      Mit einem gewissen Ernst in der Stimme erwiderte sie: »Sie haben ja keine Ahnung, was mir wirklich wichtig ist, Chief Parry.«

      Ihre kaum verhohlene Anspielung brachte ihn zum Schmunzeln und ihre Blicke trafen sich einen Moment, bevor er erwiderte. »Alle Cops sind fanatisch – zumindest, was den Job angeht. Das kann man nennen, wie man will.«


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