G.F. Barner Staffel 1 – Western. G.F. Barner
Sie arbeiteten nicht, sie standen alle herum, ihr Werkzeug in den Händen und O’Mallon mit Blicken verfolgend, als er neben dem Pferd herging.
O’Mallon verschwand mit Kinsey aus dem Talkessel. Die Männer schwiegen. Aber sie sahen sich an, als gleich darauf Schreie zu ihnen herüberschallten.
»Zum Teufel!« knirschte Gates heiser. »Was steht ihr da und glotzt, he? An die Arbeit, macht weiter!«
Die Schreie verstummten. Zwei Minuten vergingen, bis sich wieder etwas am Talausgang zeigte. Es war O’Mallon, er kam barhäuptig und den Hut in der Hand auf sie zu.
»Gates«, sagte O’Mallon finster. »Das nächste Mal sagt ihr mir gleich die Wahrheit. Ich wußte doch, daß der Hundesohn sich irgend etwas ausdenken würde. Er kommt nie wieder, zum Teufel mit dem Kerl. Ich bleibe jetzt hier. Wer hat die letzte Fuhre?«
»Ich«, meldete sich Gould gepreßt. »Mr. O’Mallon, wir hatten keine Ahnung, daß Kinsey das tun würde, wirklich keine.«
»Schon gut«, knurrte O’Mallon. Er warf Clancy einen Blick zu. »Bau dein Gestell wieder auf, Clancy! Ich fahre den Wagen zum Fluß.«
Clancy wechselte einen stummen Blick mit Floyd. Reegans Gesicht war bleich geworden. Jetzt wußten sie, wer den Wagen und sie beide an diesem Abend zum Verladeplatz am Snake River fahren würde. Ausgerechnet O’Mallon...
*
Es geht schief, dachte Clancy beklommen. Warum mußte er Carpenter mitnehmen, warum einen dritten Mann, nur damit wir schneller abladen konnten?
Clancy schloß die Augen. Das Rütteln des Wagens, der über den unebenen Weg nach Richfield holperte, schüttelte ihn durch. Sie saßen im Kasten, hatten längst abgeladen und hockten nebeneinander angekettet, wie O’Mallon es befohlen hatte. Ganz hinten am Endbrett kauerte Carpenter. Dann kam Floyd. Die Kette, die die beiden Männer verband, war von O’Mallon unter dem Seitenbrett des Kastens durchgezogen, und dann um den hinteren Holm gewunden worden. Jeder Versuch loszukommen, war damit vereitelt. Sie hätten erst das seitliche Kastenbrett hochstemmen müssen. Vorn jedoch lag das Sitzbrett von einer Kastenwand zur anderen. O’Mallon mußte es sofort merken, wenn sich das linke Seitenbrett hob.
Carpenter hing dösend, den Kopf gesenkt, in der Ecke hinten. Sie hatten jeder einen Ölumhang bekommen, ehe sie losgefahren waren. Der Regen wurde nun stärker, er prasselte auf die Umhänge und ihre schäbigen Hüte herab.
Als Clancy an die Latrine dachte, packte ihn der Wunsch zu lachen. Auch das war schiefgegangen. Sicher, er hatte den dort versteckten Keil jetzt auf dem Bauch – auf der nackten Haut unter dem Hemd. Aber er hätte ihn gar nicht zu holen brauchen. O’Mallon trug Gates’ Schellenschloßschlüssel in der Hosentasche. Den Keil hatte Clancy sich ganz umsonst geholt.
Clancy stieß Floyd leicht an. Floyd hatte sich, so weit er konnte, von Carpenter fort und nach vorn auf O’Mallon zugeschoben. Jetzt beugte sich Floyd Clancy entgegen und wisperte:
»Es hat keinen Zweck, Clancy. Wir kommen nicht an ihn heran. Wirf den Keil weg!«
Clancy schüttelte stumm den Kopf. Ohne O’Mallon aus den Augen zu lassen, hob er den Umhang leicht an. Seine Hand fuhr zu der Schnalle seines Hosenriemens. Er öffnete ihn, sah dann Floyd an und flüsterte kaum hörbar:
»Mach deinen ab. Schiebe ihn mir herüber. Es geht auch anders.«
Floyd dachte seit einer halben Stunde, die sie nun schon zurückfuhren, an den Snake River. Floyd Reegan war kein guter Schwimmer. Der Snake River führte Hochwasser.
Es hat alles keinen Sinn, dachte Floyd bedrückt. Großer Gott, wir schaffen es nicht. Und Carpenter, was tun wir mit Carpenter, diesem Totschläger?
Clancys Ellbogen stieß ihn an, und er begann hastig unter dem Umhang seinen Hosenriemen aus den Schlaufen zu zerren. Als er ihn zusammenrollte und ihn zu Clancy schob, nahm O’Mallon jäh den Kopf herum.
»Sitzt ihr ruhig?« fragte O’Mallon mürrisch. »Ich fahre jetzt schneller, der Weg wird besser. Wir müssen vor Dunkelheit im Jail sein.«
Clancy war der kalte Angstweiß ausgebrochen. Er wußte, wie eiskalt O’Mallon war. Der Mann fürchtete sich vor nichts. Er wäre auch allein mit zehn Sträflingen an den Snake River und zurück zum Jail gefahren. Die Luft einsaugend, griff Clancy nun nach den beiden Hosenriemen. Er schob die Spitze von Floyds Gürtel durch die Schnalle seines Gurts und legte sie mit dem Dorn fest. Einen Blick zu Carpenter schickend, sah Clancy in das angespannte, lauernde Gesicht des Berufstotschlägers. Carpenters Kopf ruckte zweimal in Richtung O’Mallon. Clancy nickte kurz, und um Carpenters Mundwinkel huschte ein hämisches Lächeln.
Einen Augenblick später rutschte Clancy bis auf weniger als einen Dreiviertel Schritt an O’Mallon heran.
Carpenter öffnete den Mund, seine Augen stierten auf Clancys Hände. Und dann wußte Carpenter es genauso wie Floyd Reegan. Auch mit weit vorgestreckten Händen kam Clancy nicht an O’Mallon heran.
In der folgenden Sekunde sah Carpenter, wie der Riemen von Clancy gepackt und unter dem Umhang hervorgezogen wurde.
Clancys Arme wanderten jetzt in die Höhe. Clancy kniete am schwankenden, rütteln den Kastenboden und hob die Hände, zwischen denen die beiden zusammengeschnallten Hosenriemen baumelten, weit nach hinten über seinen Kopf. Dann zog er sie auseinander. Der Riemen straffte sich.
Es passierte im gleichen Moment.
Henry O’Mallon, der Oberaufseher, dem man einen tierhaften Instinkt nachsagte, wendete den Kopf.
In derselben Sekunde schnellten Clancys Hände und damit der Hosenriemen blitzartig nach vorn...
*
Der Riemen klatschte rechts und links von O’Mallons Hals auf die Ölhaut. Clancy stieß einen kurzen, scharfen Schrei aus. Dann warf er sich hintenüber. Wie ein Würgeseil zuckte der Riemen zurück. Er fuhr O’Mallon unter das Kinn.
Clancy riß mit einem wilden Ruck seine Arme zurück. O’Mallon kippte von der Sitzbank. Seine Beine fuhren steil in die Höhe, sein Körper krachte von der Sitzbank in den Kasten hinein. Während der Oberaufseher auf den Rücken schlug, warf sich Floyd Reegan schreiend nach vorn. Der große, riesenhafte blonde Mann streckte seine Hände aus, so weit er nur konnte.
»Clancy, reiß ihn zurück!« schrie Reegan. »Seine Rechte, achte auf seine Rechte, Clancy.«
In diesem Moment bekam er auch schon O’Mallons Schultern zu packen.
Floyds große Hände krallten sich in die Ölhaut, die Jacke und O’Mallons Hemd. Der Aufseher flog haltlos über den regennassen, glitschigen Boden des Wagens.
Sekundenlang glaubte O’Mallon, daß sein letzter Augenblick gekommen war. Der Überfall hatte ihn vollkommen überrascht. O’Mallons Hand erreichte den Revolverkolben. Kaum aber wollte er die Waffe ziehen, als Clancy mit der linken Hand die Ölhaut O’Mallons in die Höhe fegte. Gleichzeitig schnappte Clancys Rechte zu. Sie schloß sich wie eine Zange um O’Mallons Handgelenk. Mit einem Fluch drehte Clancy dem Oberaufseher den Arm so hart um, daß O’Mallon vor Schmerz aufschrie. Er mußte den Revolver fahren lassen. Seine Hand zuckte, von Clancy hochgerissen, über die Hosentasche hinweg. Aus der Hosentasche hing jene Schnur heraus, an der Gates’ Schellenschlüssel baumelte.
Ehe Clancy erkannte, was passierte, riß O’Mallons hochstehender Daumen die Schnur und damit den Schlüssel aus der Tasche. Die Hand des Oberaufsehers flog in die Höhe, und glänzend schoß der Schlüssel im Bogen über die Kante des Wagenkastens hinweg.
»Der Schlüssel!« schrie Clancy entsetzt. »Verflucht, der Schlüssel! O’Mallon, du Narr!«
Seine Linke packte zu. Sie riß O’Mallons Colt aus dem Halfter. Die Waffe schwang hoch, und während O’Mallon auf seine Waffe stierte, hörte er Clancy finster sagen:
»Tut mir mächtig leid, Mann!«
Dann traf der Hieb O’Mallons Kopf und löschte sein Bewußtsein mit einem Krachen aus.
Die